Beugehaft für Zeugen

Schutzgelderpressung: Drei Hells Angels in Wien vor Gericht

11.09.2024

Die drei Hells Angels müssen sich diese Woche in einem mehrtägigen Prozess vor dem Wiener Landesgericht verantworten. Er begann mit einem Knalleffekt gegen einen schweigsamen Zeugen.

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Wien. Höchste Sicherheitsvorkehrungen beim Prozess am Wiener Landesgericht am Mittwoch. Drei Mitglieder der Hells Angels mussten sich unter anderem wegen Schutzgeld-Erpressung verantworten. "Es wird Sie enttäuschen, die Angeklagten sind nicht in Kutten erschienen und mit Motorrädern vorgefahren. Und im Publikum sitzen auch keine tätowierten Rocker", meinte Philipp Wolm, der Verteidiger des Hauptangeklagten, am Anfang der Verhandlung zu den Geschworenen.

Den Angeklagten im Alter von 31, 38 und 50 Jahren wird eine Fülle an Verbrechen angekreidet. Die Vorwürfe reichen von Schutzgelderpressung über Körperverletzungen bis zu gefährlichen Drohungen und Nötigungen. Ein zentraler Anklagepunkt betrifft ein Tanzlokal in Oberösterreich, das schon in der Vergangenheit Opfer von Schutzgelderpressungen gewesen sein dürfte.

Lokalbesitzer aufgesucht und zusammengeschlagen

Zumindest gab es im Jahr 2014 bereits einmal einen Brandanschlag mit einem Molotowcocktail. Damals konnten die Täter nicht ausgeforscht werden. Am 17. September 2023 wurde das Lokal - unter neuem Namen - gleich nach der Wiedereröffnung nach der Sommerpause erneut von mutmaßlich Kriminellen heimgesucht. Laut Anklage wurden Lokalbesitzer und Lokalbetreiber von Mitgliedern der Hells Angels aus Österreich und einer Gruppierung aus Deutschland aufgesucht und zusammengeschlagen, weil sie dort keine Drogen verkaufen wollten.

Sämtliche drei Angeklagte - weitere Beteiligte konnten bisher nicht ausgeforscht werden - beteuerten, sie wären an diesen Vorgängen nicht beteiligt gewesen. Der 38-Jährige habe "ein lupenreines Alibi", wie sein Verteidiger Philipp Wolm erklärte. Der Mann sei nicht am Tatort, sondern mit einer Geliebten in einer Therme gewesen, was sich mit Fotos und den Angaben der Frau belegen lasse: "Und das ist keine Gefälligkeitsaussage. Das war nicht seine Lebensgefährtin. Die sitzt hinten im Publikum."

Am Nachmittag wurde ein Zeuge in Beugehaft genommen. Er hatte trotz mehrfaches Insistieren des Richters, dass er als Zeuge sämtliche an ihn gerichtete Fragen wahrheitsgemäß beantworten müsse, nicht reagiert. Daraufhin sei über den Mann eine sechstägige Beugehaft verhängt worden, bestätigte Gerichtssprecherin Christian Salzborn der APA: "Am Montag wird er wieder vorgeführt." 

Die betreffende Therme liegt allerdings nur 22 Kilometer von dem Lokal entfernt, in dem es zu den tumultartigen Szenen gekommen war. Außerdem wurde ermittelt, dass der 38-Jährige in der Therme nichts konsumiert und die Sauna- und Wellness-Bereiche gar nicht betreten hatte. Darauf vom Richter angesprochen, bemerkte der 38-Jährige: "Ich brauchte bloß ein attraktives Hotelzimmer." Weitere Fragen wollte er zu diesem Thema nicht beantworten: "Ich habe keine Lust, mich dazu zu äußern. Wenn Sie was wissen wollen, fragen Sie meinen Anwalt."

Der 31-Jährige und sein Rechtsvertreter Andreas Mauhart erklärten, es gebe keinen einzigen Zeugen, der ihn hinsichtlich der Schutzgeld-Erpressung belaste. Der 50-Jährige meinte, er sei damals gar nicht Hells Angels-Mitglied, sondern sogenannter Supporter gewesen. Er habe im Vereinslokal Getränke ausgeschenkt und geputzt und Leute vom Vereinslokal zum Tanzlokal gefahren, dieses aber nicht betreten.

Der 38-jährige Hauptangeklagte und der jüngere Mitangeklagte deklarierten sich als Mitglieder der Hells Angels, wobei ihre Rechtsvertreter betonten, dass das nicht strafbar sei. "Das ist ja keine kriminelle Vereinigung", sagte Verteidiger Wolm. Ein Motorradclub sei per se nichts Bedrohliches, verwies Wolm auf die Blue Knights, eine Biker-Vereinigung, die sich aus aktiven und pensionierten Exekutivbeamten zusammensetzt. Sein Mandant sei von Beruf Gangsta-Rapper, sagte Wolm: "Er mag mit dem Motorrad im Kreis fahren, aber sein Geld verdient er als Popmusiker." Verteidiger Mauhart betonte im Anschluss, gegen die Hells Angels gebe es seit 20 Jahren in Österreich keine einzige Anzeige, "nicht einmal wegen Lärmbelästigung". Männer wie sein Mandant säßen nicht zu Hause mit Bier und Chips vor der Playstation: "Die schrauben in der Garage an ihren Kunstwerken. Das sind Familienväter, ganz normale Leute." Der 31-Jährige habe als Behindertenbetreuer gearbeitet, es sei "Fiktion, Hollywood", wenn man die Hells Angels mit Bösen assoziiere, versicherte Mauhart.

Der 31-Jährige war dazu geständig, am 1. September 2023 in einer Weinhalle im Ried im Innkreis auf der Toilette einem Mann einen Zahn ausgeschlagen zu haben. Da seien ihm "die Pferde durchgegangen", räumte er ein, was er auf eine gewisse Alkoholisierung zurückführte.

Zwei Gläser mit Konterfei von Hitler

Der 38-Jährige gab zu, am 14. Oktober 2023 im Zustand der vollen Berauschung einer Frau vor einem Lokal in Wien aus nicht nachvollziehbaren Gründen zwei Mal die Faust ins Gesicht geschlagen zu haben. Nach seiner Festnahme randalierte er auf einer Polizeiinspektion und skandierte mehrfach "Sieg Heil!" und zeigte den Beamten den sogenannten Hitlergruß. Die richterliche Frage nach dem Warum beantwortete er knapp: "Ich hab keine Erklärung dafür." Mehr wolle er dazu nicht sagen. Dass er über WhatsApp teilweise mit Hitlers Abbild versehene Textnachrichten verschickt hatte, womit laut Anklage der Nationalsozialismus glorifiziert wurde, gab der 38-Jährige ebenfalls, wollte dazu aber nicht Stellung beziehen.

Der 50-Jährige hatte wiederum in seiner Wohnung zwei Gläser mit dem Konterfei von Adolf Hitler stehen. Die habe er "beim Übersiedeln vergessen", behauptete der Mann. Er habe "vor 20 Jahren mit dem ganzen Scheiß (gemeint: seinem Interesse an der Ideologie des Nationalsozialismus, Anm.) aufgehört. Ich hab' sie wegzuschmeißen vergessen."

Die Verhandlung wird am kommenden Montag fortgesetzt. Die Urteile in dem Geschworenenverfahren sollen Ende September fallen.
 

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