Ehrenmord
Schwester getötet: Afghane hatte "irrsinnige Wut"
20.09.2017
Weil jüngere Schwester partout nicht nach Hause zurückkehren wollte.
This browser does not support the video element.
Der 18-jährige Afghane, der am Montag in Wien-Favoriten seine 14 Jahre alte Schwester erstochen haben soll, befindet sich mittlerweile in der Justizanstalt (JA) Josefstadt. Dort hat ihn seine Verteidigerin Astrid Wagner am Mittwoch besucht. Im Zuge eines längeren Gesprächs versicherte ihr der Mordverdächtige erneut, die Tat sei nicht geplant gewesen.
"Er sagt, er hat eine irrsinnige Wut bekommen, als sie ihn plötzlich weggestoßen hat", berichtete Wagner im Anschluss der APA. Da habe der Bursch zu einem Messer gegriffen und zugestochen: "Er weiß nicht, wie oft." Die Waffe hätte der 18-Jährige zum Selbstschutz bei sich getragen, nachdem er wiederholt in Auseinandersetzungen mit jungen Tschetschenen verwickelt wurde, sagte Wagner.
Familie behielt traditionelle Lebensweise bei
Der 18-Jährige war offiziell bei seinen Eltern gemeldet, die vor über zehn Jahren nach Österreich geflüchtet waren. Diese zogen hier insgesamt sechs Kinder auf, zwei weitere Nachkommen sollen sich noch in Pakistan befinden. Die Familie war sehr ihren afghanischen Wurzeln verhaftet und soll ihre traditionelle Lebensweise beibehalten haben. Die Mädchen trugen Kopftuch. Die Deutschkenntnisse der Eltern sollen auf bescheidenem Niveau angesiedelt sein.
Die 14-Jährige dürfte sich im Familienkreis, in dem sehr auf die Glaubensregeln des Koran geachtet wurde, eingeengt gefühlt haben. Sie ging freiwillig ins Krisenzentrum. Gerüchte, dass sie außerdem vom Vater geschlagen wurde, ließen sich im Zuge von Recherchen der APA nicht bestätigen. Im Krisenzentrum machte das Mädchen in diese Richtung keine Angaben. "Ich höre davon das erste Mal", meinte auch ein Polizeisprecher auf APA-Anfrage.
Opfer soll Täter Stoß versetzt haben
Der inhaftierte 18-Jährige - die U-Haft wurde zwar noch nicht verhängt, ist bei Mordverdacht aber wohl reine Formsache - behauptet, er habe seine jüngere Schwester zufällig getroffen. Der ältere Bruder des Mädchens ging keiner Beschäftigung nach, lebte vom AMS und soll zuletzt unsteten Aufenthalts gewesen sein, immer wieder tageweise bei Freunden und Bekannten - teilweise auch außerhalb von Wien - gelebt haben. Er will die 14-Jährige Montagfrüh unerwartet erblickt, ihr nachgerufen und das Mädchen in ein Gespräch verwickelt haben.
"Sie hat freiwillig mit ihm zehn bis 20 Minuten geredet", meinte Verteidigerin Wagner. Mehrfach habe der ältere Bruder die 14-Jährige gebeten, vom Krisenzentrum nach Hause zurückzugehen, "weil die Eltern so viel wegen ihr weinen". Das Mädchen war dazu nicht bereit und soll das auch deutlich gemacht haben. Nach Angaben des 18-Jährigen versetzte sie diesem schließlich einen Stoß, um das Gespräch zu beenden.
Anwältin bekommt Hass-Mails
Dass Wagner das Mandat für den Burschen übernommen hat, hat ihr mehrere Hass-Mails eingebracht. In einem Fall wurde sie "mit unfreundlichen Grüßen" darauf hingewiesen, man könne doch einen Mann nicht vertreten, der seine kleine Schwester "gemeuchelt" habe.