Urteil nach Horror-Prozess in Wien

Stieftochter jahrelang missbraucht & geschwängert: 14 Jahre Haft

22.01.2021

Staatsanwalt: "Hat seiner Familie jahrelang das Schlimmste und Furchtbarste angetan". Der 40-Jährige wurde in eine Anstalt für abnormale Rechtsbrecher eingewiesen.

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© Symbolbild/Getty Images
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In einem besonders drastischen Fall von Kindesmissbrauch ist am Freitag ein 40-jähriger Familienvater am Wiener Landesgericht zu 14 Jahren Haft verurteilt und in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen worden. Der Mann war vor dem Schöffensenat (Vorsitz: Petra Poschalko) geständig, seine Stieftochter seit deren siebentem Lebensjahr missbraucht, seit dem zehnten vergewaltigt und mit 17 geschwängert zu haben. Das Mädchen brachte 2018 einen Sohn zur Welt.
 

Täter saß schon im Gefängnis

"Er hat seiner Familie jahrelang das Schlimmste und Furchtbarste angetan", meinte Staatsanwalt Sherif Selim eingangs des Verfahrens. Den eigenen, heute 13 Jahre alten Sohn habe der Angeklagte seit der Volksschule "jahrelang wöchentlich geschlagen", seine Ehefrau - sie hat sich mittlerweile scheiden lassen - ebenfalls verprügelt und nach der Trennung gestalkt. Wegen beharrlicher Verfolgung der Ex-Frau sei der Mann im Vorjahr auch einige Zeit im Gefängnis gesessen. "Er hat im Gefängnis nichts dazu gelernt", bemerkte der Staatsanwalt, "als er rausgekommen ist, hat er der Ex-Frau und der Stieftochter wieder aufgelauert und sie verfolgt."

Darauf gingen Mutter und Tochter zur Polizei - und erst jetzt kam das Ausmaß des Martyriums zutage, das die inzwischen 19 Jahre alte Frau seit ihrer Kindheit erlebt hatte. Mit sieben hatte der Stiefvater von ihr laut Anklage sexuelle Handlungen erzwungen, die sich später - wie der Staatsanwalt betonte - zu "brutalem" Geschlechtsverkehr gesteigert hätten. Indem er dem Mädchen einschärfte, er würde die Mama oder den Bruder töten, wenn sie etwas sage, habe er sie zum Schweigen gebracht.
 

Neugeborenes der Tochter zur Adoption freigegeben

Ihre Schwangerschaft konnte die Stieftochter dann nicht mehr verheimlichen. "Die Mutter war unfähig und machtlos, etwas Richtiges zu tun", hielt Staatsanwalt Selim fest. Anstatt den Ehemann anzuzeigen, gab die Mutter den neugeborenen Sohn ihrer Tochter zur Adoption frei. "Und sie hat versucht, der Tochter Halt zu geben", räumte der Ankläger ein.

Der von Verteidiger Thomas Nirk vertretene Angeklagte legte ein umfassendes Geständnis ab. "Ich möchte mich hiermit bei allen Anwesenden entschuldigen, weil sie so einer unmoralischen Sache beiwohnen müssen. Ich bin schuldig. Ich übernehme die Verantwortung. Ich gestehe die Taten", erklärte der 40-Jährige. Auf die Frage nach dem Warum erwiderte er: "Ich hatte mit meiner Ex-Frau Probleme. Sie hat versucht, mich zu betrügen."
 

Opfer leidet an posttraumatischer Belastungsstörung

Bei der Stieftochter - sie ist inzwischen 19 Jahre alt - hat sich einem Gutachten zufolge aufgrund des Erlebten das Vollbild einer posttraumatischen Belastungsstörung herausgebildet. Sie wird regelmäßig von Flashbacks eingeholt, bestimmte Wörter und Gegenstände funktionieren als Trigger, die dazu führen, dass sie ihre Erinnerungen nicht mehr ausschalten kann. Die Betroffene kann körperliche Nähe nicht bzw. kaum mehr zulassen. Händchenhalten ist ihr beispielsweise nicht mehr möglich. Außerdem empfindet sie Scham, ein Kind ihres Stiefvaters zur Welt gebracht zu haben, und befürchtet, jemand könnte davon erfahren.
 

Gerichtspsychiater: zurechnungsfähig, aber gefährlich

Wie Gerichtspsychiater Peter Hofmann darlegte, ist der Angeklagte zwar zurechnungsfähig, aber als gefährlich anzusehen. Der Mann sei emotional instabil und reagiere mit übertriebener Härte, wenn ihn etwas aus dem Gleichgewicht bringe. Die Tathandlungen bezeichnete Hofmann als "krank". "Wer macht so etwas? Das sind Menschen, die haben kein Mitgefühl. Sie nehmen in Kauf, dass der andere Schmerzen hat", sagte Hofmann. Der Sachverständige empfahl für den Fall eines Schuldspruchs die Einweisung des Angeklagten in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher, da nur dort eine haftbegleitende therapeutische Behandlung gewährleistet sei. Ohne eine solche stelle der Mann nach Verbüßung seiner Strafe eine Gefahr für die Allgemeinheit dar.

Bis zu 15 Jahre Haft

Bei einer Strafdrohung von fünf bis 15 Jahren erschienen dem Schöffensenat 14 Jahre schuld- und tatangemessen. Zusätzlich wurde die von der Staatsanwaltschaft beantragte Unterbringung im Maßnahmenvollzug verfügt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Verteidiger Nirk erbat Bedenkzeit.

 

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