Streit um Schulden
Tatjana (20) ermordet - Prozess in Wien
06.08.2014
Ex-Freund (34) stach mit Messer zu - er will sich gewehrt haben.
Weil er seiner Ex-Freundin im Februar ein Küchenmesser in die Brust gerammt hatte, musste sich am Mittwoch ein 34-Jähriger wegen Mordes vor einem Wiener Schwurgericht verantworten. Die beiden hatten eine On-Off-Beziehung, bei der es wegen Schulden und den Einwänden der Eltern der 20-Jährigen immer wieder zu Streitigkeiten kam.
Der Angeklagte tischte bei der Polizei und vor Gericht mehrere Versionen des Tathergangs in einer Wohnung in Wien-Brigittenau auf. Nach seiner Festnahme sagte der Serbe, die Frau hätte ihn an dem "harmonischen Abend" plötzlich mit einem Messer attackiert, er sei daraufhin bewusstlos zusammengebrochen. Als er wieder wach wurde, sei die 20-Jährige blutüberströmt neben ihm gelegen. Am Mittwoch vor Gericht bekannte sich Igor M. schuldig, erklärte aber, er habe sich gegen eine Messerattacke der 20-Jährigen gewehrt und ihr die Waffe abgenommen. Da er selbst schwer verletzt gewesen sei, wäre ihm "schwummrig geworden". Als er am nächsten Tag aus seiner Ohnmacht erwachte, war Tatjana R. tot. Die Staatsanwaltschaft will mit Gutachten beweisen, dass der 34-Jährige seine Ex-Freundin getötet und sich den Bauchstich dann selbst zugefügt hat.
Streit um Schulden
Die beiden hatten sich laut Anklage 2012 in einer Diskothek kennengelernt und waren daraufhin in eine gemeinsame Wohnung gezogen. Für die neue Wohnung hatte die 20-Jährige einen hohen Kredit aufgenommen. Der Serbe, der hauptsächlich von der Unterstützung des Vaters und einem Teilzeitjob als Türsteher lebte, trug laut Staatsanwalt so gut wie nichts zu den Erhaltungskosten bei. Da die Eltern der Frau gegen die Beziehung mit dem 34-Jährigen waren und es immer häufiger zu Auseinandersetzungen wegen der hohen Schulden kam, trennte sich das Paar im April 2013.
Auf Drängen des 34-Jährigen kamen die beiden im Sommer 2013 wieder zusammen, ehe im Herbst die endgültige Trennung im Raum stand, wie Zeugen vor der Polizei aussagten. Von all dem wollte Igor M. bei seiner Befragung nichts wissen. "Da war kein Ende der Beziehung", sagte der Beschuldigte vor Schwurgerichtsvorsitzenden Andreas Böhm. Die 20-Jährige sei nur wieder zurück zu ihren Eltern nach Niederösterreich gezogen, "aber die Beziehung wurde nie beendet".
Laut Anklage soll sich die Frau in einen anderen Mann verliebt und sich mit diesem sogar verlobt haben. Der Angeklagte beschuldigte die Familie, versucht zu haben, das Paar mit dieser "arrangierten Ehe" mit einem Mann aus Serbien auseinander zu bringen. "Seit wir zusammen sind, haben sie (die Eltern der Frau, Anm.) angefangen, Probleme zu machen", meinte Igor M.
Letzte Aussprache
Laut Zeugen fuhr die Frau am 11. Februar noch einmal in die Wohnung ihres Ex-Freundes, um mit ihm über die Schulden zu reden. "Wir hatten vor, Wien gemeinsam zu verlassen", lautete die Version des Angeklagten. "Davon höre ich heute zum ersten Mal", meinte der Richter. "Das habe ich vor der Polizei auch so ausgesagt. Wir wollten absprechen, wie wir das machen." Gegen 20.00 Uhr sei es dann zu einem "kleinen Streit" gekommen. Die 20-Jährige sei wegen unbezahlter Rechnungen, wegen der Familie und dem anderen Mann hin-und hergerissen gewesen. "Da bin ich ausgeflippt", sagte der 34-Jährige.
Die junge Frau sei plötzlich in die Küche gegangen, habe ein Messer geholt und es ihm in den Bauch gerammt. "Ich bin auf den Boden gefallen", sagte der Beschuldigte. Als er wieder aufgestanden war, nahm er die Waffe an sich und stach auf die Frau ein. Laut Anklage soll er ihr das Messer mit einer 17,5 Zentimeter langen Klinge nicht nur einmal in den Brustkorb gerammt haben. Laut Gerichtsmedizin wurde bei der Öffnung des Bauchraumes mehr als ein Liter Blut entdeckt.
"Ich bin schuldig und ich nehme diese Schuld auf mich", sagte der bisher unbescholtene Angeklagte mit leiser Stimme. Ob es sich um Totschlag oder um Mord handelt, das müsse das Gericht entscheiden, sagte sein Anwalt. Nach der Tat war der Serbe in seine Heimat geflüchtet, ehe er sich eine Woche später bei der Polizei stellte.
Der Prozess ist für zwei Tage anberaumt. Am kommenden Dienstag sind zahlreiche Gutachter am Wort, die anhand der Spuren den Tatablauf rekonstruierten. So wird Christa Nussbaumer, Spezialistin für forensische Molekularbiologie und DNA-Analysen, ihre Expertise präsentieren.