Abschießen oder schützen? Zuletzt wurde sogar in Wien ein streunender Wolf gesehen.
In Lübeck in Norddeutschland wurde jetzt erstmals ein „Problemwolf“ zum Abschuss freigegeben: Das Tier mit der Nummer GW924m hat Schafe gerissen, zuletzt auf dem Bauernhof von Otto Magnussen in Rethwisch (Schleswig-Holstein). Seine achtjährige Tochter Jette weinte in der Bild-Zeitung: „Der böse Wolf hat auch ‚Blacky‘ gefressen“, ihr Lieblingsschaf. Jette hat „Blacky“ mit der Flasche aufgezogen, sie und das Schäfchen waren unzertrennlich. Jetzt ist das Tier tot. Erwischt haben die Jäger „Problemwolf“ GW924m bisher nicht.
Die Diskussion über die Gefährlichkeit von Wölfen reißt seither in Deutschland nicht ab und schwappt auch auf Österreich über.
Opfer in NÖ: "Der Wolf hat neun Schafe gerissen"
Abschießen. „Problemwölfe gibt’s auch bei uns“, klagt Johannes Prinz (65), Hobbyschafzüchter in Angelbach im Bezirk Gmünd (NÖ). Neun seiner Schafe haben Wölfe bei drei Besuchen im vergangenen Jahr gerissen: „Das ist kaum 100 Meter von meinem Haus entfernt geschehen. Ich habe zwei kleine Enkelkinder, mache mir ernste Sorgen.“ Johannes Prinz fordert in ÖSTERREICH: „Jeder Wolf, der zu einer Siedlung kommt, gehört sofort erschossen. Alles andere ist doch lächerlich.“
Jäger sah Wolf in Wien: "Zwei Sichtungen"
Warnung. Selbst Wien wurde zuletzt von einem Wolf besucht. Georg Andrä, Vizelandesjägermeister, erzählt ÖSTERREICH: „Ich hab’ ihn zwei Mal beobachtet, jeweils im Bereich Bisamberg, der war wohl auf dem Durchzug.“ Schafe wurden keine gerissen. Das geschah aber im vergangenen Jahr in Kritzendorf und in Mauerbach in Niederösterreich.
Drei Wolfsrudel
Wegen der anhaltenden Wolfshysterie gab es am Mittwoch sogar ein Expertenhearing im Nationalrat. Professor Klaus Hackländer vom Institut für Wildbiologie der BOKU trug vor. Er sagt zu ÖSTERREICH: „Da in den letzten Jahren eine Wachstumsrate beim Bestand von durchschnittlich 40 % feststellbar war, wird es in 15 Jahren etwa bis zu 500 Wölfe in Österreich geben.“ Es könnten sogar bis zu 1.000 Wölfe werden, wenn man es zulassen würde. Das größte Wolfsrudel lebt derzeit am Truppenübungsplatz Allentsteig in Niederösterreich.
Den Einsatz von Schäfern, Hütehunden oder Elektrozäunen zum Schutz von Haustieren sieht der Experte skeptisch: „Keines wirkt hundertprozentig. Auch die oft angeführten Vergrämungsmaßnahmen klingen in der Theorie zwar gut, in der Praxis sind sie aber schwer umsetzbar“, sagt er. Direkter formuliert es schon Landwirt Prinz aus Niederösterreich: „Schießt sie ab. Bei uns haben Wölfe keine Berechtigung, in Sibirien wäre Platz genug.“(wek)
Kein Abschuss: "Wolf für Menschen nicht gefährlich"
Biologe Arnold Walter leitet das Institut für Wildtierkunde an der Vetmed-Uni Wien. „Wir haben derzeit zweieinhalb Wolfsrudel in Österreich, aber ständig durchwandern einzelne Gruppen das Land. Die tauchen immer wieder auf, dann wandern sie weiter“, sagt er. Gefahr für den Menschen stellt der Wolf keine dar: „Die Tiere sind grundsätzlich scheu.“ Der Mensch falle auch nicht in die Beutekategorie der Tiere. Europaweit ist kein Vorfall registriert, in dem ein Wolf einen Menschen angefallen hätte.
Schutz. Universitätsprofessor Arnold Walter fordert aber „Wildtiermanagement und wildökologische Raumplanung“ zum geordneten Umgang mit Wölfen: „Der Wolf ist europaweit geschützt. Kein Abschuss ist erlaubt.“ Lediglich als allerletzte Konsequenz kann er sich den Einsatz von Vergrämungsmaßnahmen und die Entnahme von Tieren vorstellen.
Messner ist pro Abschuss: 'Gezielte Entnahme löst Probleme'
Reinhold Messner ist gegen falsche Romantik im Umgang mit den Wölfen: „Ich warne seit Jahren, dass sich Wölfe in die Nähe von Städten wagen werden. Man muss endlich wieder ein Gleichgewicht herstellen. Wölfe müssen wieder Angst vor Menschen bekommen, das ist verloren gegangen. Das geht aber nur, wenn jene Wölfe, die Schafe töten, vom Menschen entnommen werden.“
Mit „entnommen“ meint Messner gezielt abschießen: „Ja, gezielt abschießen, aber die EU verbietet das ja. Man kann sie aber nicht einfangen und in einen Tierpark bringen, das funktioniert nicht. Auch können wir die Schafe nicht ständig hinter doppelte Zäune sperren. Die Wölfe sind eben Jäger.“