Der 29-Jährige soll sich an mehreren Frauen vergangen haben. Er sitzt bereits in U-Haft.
Laut dem Hashtag #TechnoMeToo dürfte das Wiener Nachtleben einen schrecklichen Beigeschmack haben. Die Aktivistin und Party-Veranstalterin Frederika Ferková und die DJane Sabrina Geißler versuchten mit dem Hashtag ein Bewusstsein für Übergriffe auf Frauen, trans und nonbinäre Personen zu schaffen.
Daraufhin hatten sich Dutzende Betroffene gemeldet und von Missbräuchen durch Club-Besitzer, Veranstalter oder DJs berichtet. Heraus stach dabei ein 29-jähriger DJ, der sich ab Donnerstag vor dem Landesgericht in Wien verantworten muss.
Der Prozess gegen den 29-Jährigen wegen sexuellen Missbrauchs mehrerer Frauen, die aufgrund konsumierter Substanzen beeinträchtigt und wehrlos gewesen sein sollen, wurde für zwei Tage anberaumt. Aufgrund von Tatbegehungsgefahr sitzt der Angeklagte seit Ende Juli in U-Haft.
An insgesamt fünf Frauen soll sich der Wiener DJ zwischen April 2021 und März 2024 vergangen haben. Der 29-Jährige, für den die Unschuldsvermutung gilt, hatte bisher alle Vorwürfe bestritten. Im Falle eines Schuldspruchs drohen ihm bis zu zehn Jahre Haft. Das Urteil soll am 25. Oktober fallen.
Eine Vergewaltigung am Disco-WC
Neben einer sexuellen Belästigung ist auch eine Vergewaltigung angeklagt. Diese soll im März in einem Club am WC stattgefunden haben. Der angeklagte DJ soll sich mit der Betroffenen - einer 23-Jährigen, die er seit zwei Jahren von Sexpositiv-Partys kannte, in eine Kabine begeben, ihr dort einen Stoß versetzt, sie fixiert und zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung gezwungen haben.
Der Angeklagte bestritt sämtliche Vorwürfe: "Sie war eine gute, liebe Freundin von mir. Ich könnte ihr nie Gewalt antun. Ich bin prinzipiell kein gewalttätiger Mensch." Er habe sie zwar gefragt, ob sie Lust auf Sex hätte, das hätte die 23-Jährige aber abgelehnt, "weil sie frisch in einer monogamen Beziehung war". Er habe mit ihrem Einverständnis nach ihrer Brust gegriffen und sich an ihr gerieben: "Ich habe gehofft, dass sie durch diesen Prozess doch Lust auf Sex bekommt." Das sei nicht passiert, nach wenigen Sekunden habe sie ihn aufgefordert, damit aufzuhören. Das habe er gemacht. Mehr sei nicht passiert.
Die 23-Jährige schilderte die Situation völlig anders. Ihrer Darstellung zufolge hatte sie der 29-Jährige unter dem Vorwand, ihm gehe es nicht gut, auf die Herren-Toilette gelockt. Dort habe sie sich um ihn kümmern wollen. Er sei dann aber zudringlich geworden. Sie habe ihn wegzustoßen versucht, was ihr nicht gelungen sei. Er habe ihren Widerstand mit Gewalt überwunden: "Ich hatte noch eine Woche später blaue Flecken." Ihre zeugenschaftliche Befragung nahm die 23-Jährige sichtlich mit. Nachdem diese vorbei war, weinte die junge Frau vor dem Verhandlungssaal, ehe sie sich wieder gesammelt hatte.
Unter den fünf Betroffenen befindet sich auch die Ex-Freundin des Mannes,, der hauptberuflich als Finanz-Controller tätig war. Der DJ und sämtliche fünf Frauen kannten einander über Sexpositiv-Party. Auf diesen Veranstaltungen gehe es freizügig zu, die Teilnehmenden seien sexuell aufgeschlossen: "In diesen geschützten Räumen gibt es aber strenge Regeln. Konsens und Einwilligung sind Voraussetzungen, dass man einander näher kommt." Man müsse auf solchen Partys "nicht unsterblich in jemanden verliebt sein, dass es zum Geschlechtsverkehr kommt", aber mit Einlasskontrollen und eigenen Awareness-Teams würde dafür Sorge getragen, dass es in Darkrooms zu keinen unerwünschten Übergriffen kommt, betonte die Staatsanwältin.
"An diese Regeln halten sich aber nicht alle", bemerkte Staatsanwältin Fent. Der Angeklagte sei als DJ und Partygast in der Sexpositiv-Szene dafür bekannt gewesen, "dass er ein Nein nicht akzeptiert. Er hat diese Überheblichkeit, dass er seinen Willen über den der anderen stellt." Im gegenständlichen Fall seien die Opfer hinsichtlich ihrer Haltung zur Sexualität zwar "offener. Aber sie sind noch lange kein Selbstbedienungsladen für den Angeklagten."
Verteidiger Sascha Flatz räumte ein, sein Mandant habe sich "moralisch daneben benommen". Er sei auf Sexpositiv-Partys das eine oder andere Mal vielleicht zu offensiv gewesen, das sehe er jetzt ein: "Er ist ein junger, intelligenter Mensch, der sich hinterfragt. Er ist das Gegenteil von dem, was die Staatsanwaltschaft darzustellen versucht." In strafrechtlicher Hinsicht habe sich der Mann nämlich nichts zuschulden kommen lassen: "Das ist kein gewalttätiger Mensch. Das ist ein anständiger Bürger."
Der Angeklagte betonte in seiner Beschuldigteneinvernahme, die Aktivistin Ferková habe mit ihrem auf Instagram veröffentlichten Aufruf, Übergriffe in der Techno-Szene öffentlich zu machen, einen Shitstorm gegen ihn losgetreten. Die "ganze Szene" habe sich danach gegen ihn verschworen und ihm "beruflich und privat" geschadet: "Aus feministischen Überlegungen wollen die Frauen, dass ich ins Gefängnis komme."
Im Fall eines Schuldspruchs - das Urteil soll am 25. Oktober fallen - drohen dem Mann zwei bis zehn Jahre Haft. Der 29-Jährige weist bisher keine Vorstrafen auf.