Vorgehen war "lageangepasst und zielorientiert".
Acht Monate nach dem Wilderer-Drama von Annaberg (Bezirk Lilienfeld) mit vier Toten hat das Innenministerium die Untersuchungen zum damaligen Polizeieinsatz abgeschlossen. Das Vorgehen sei "lageangepasst und zielorientiert" gewesen, hieß es im am Donnerstag präsentierten Evaluierungsbericht. Die Empfehlungen würden umgesetzt, betonte Konrad Kogler, Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit.
Der Evaluierung zufolge sind "keine Faktoren festgestellt" worden, "die die Tathandlungen durch Alois H. zwingend verhindern hätten können". Der Täter habe "atypisch" gehandelt und "aktiv die Konfrontation mit der Polizei gesucht", so Kogler in einem Pressegespräch in Wien. Das Verhalten des Mannes sei "berechnend und gezielt auf Polizisten und Sanitäter gerichtet" gewesen, führte Claus Polndorfer, Leiter des psychologischen Dienstes im Innenministerium, aus. Ab einer gewissen Konfrontationsebene habe Alois H. "den Konflikt gesucht", um involvierte Beamte zu töten, sagte Marius Gausterer vom Referat für Sondereinsatzangelegenheiten.
"Taktisch profund"
Das Täterverhalten sei aber nicht nur "atypisch", sondern auch "taktisch sehr profund" gewesen. Der Mann hatte sich mit einem Sturmgewehr, einer weiteren Langwaffe und einer Glock "schwerst bewaffnet" gehabt, erinnerte Gausterer. Er sprach auch davon, dass sich Alois H. etwa am Tatort Sägewerk in Annaberg für einen guten Überblick "taktisch einwandfrei positioniert" habe. Einen solchen habe der Wilderer auch gehabt, als er sich über eine Wiese und in der Folge entlang des Waldrandes an der B20 absetzte.
Polndorfer betonte, dass sich die Beamten bei dem Einsatz im September vergangenen Jahres in einer "Hochstress-Situation" befunden hätten. Er merkte auch an, dass man "lebensgefährliche Situationen" wie die damalige Lage "nicht trainieren" könne. Annaberg sei "einer der dramatischsten und ergreifendsten Momente der Polizeigeschichte" gewesen. Alois H. habe unbedingt an seinen Wohnort Großpriel (Bezirk Melk) zurückkehren wollen und dafür alles unternommen. "Er hat den eigenen Suizid verteidigt", formulierte es Polndorfer. Das Verhalten des Täters sei "für niemanden vorherzusehen" gewesen.
Das Evaluierungsteam, bestehend aus Experten des Ministeriums und externen Fachleuten, sprach sich für Empfehlungen in den Bereichen Ausrüstung und Technik, Einsatz und Führung, Zusammenarbeit mit Rettungsdiensten, psychologische Aspekte und Kommunikation aus. Dazu zählen u.a. die Verfügbarkeit weiterer gepanzerter Fahrzeuge, der Ausbau der Ortungstechnik und die Schaffung eines österreichweiten, technisch einheitlichen Einsatzleitsystems mit GPS-Erfassung der Einsatzmittel sowie der Ausbau des Sanitäter-Pools beim EKO Cobra.
Wahlfreiheit hinsichtlich Schutzausrüstung zu prüfen
Empfohlen wird laut der Evaluierung des Polizeieinsatzes bei der Fahndung nach dem Wilderer etwa, dass die "Wahlfreiheit des Tragens von Schutzausrüstung bei Gefahrenlagen zu prüfen" sei. Es sollten auch weitere gepanzerte Fahrzeuge (Beschussklasse 6 und 7) verfügbar sein, wobei "auf etwaige Synergieeffekte mit anderen Organisationen und Behörden zu achten" sei.
Hier könnten beispielsweise auf bereits verfügbare Fahrzeuge des Bundesheeres zurückgegriffen werden. Die Ortung im Einsatz befindlicher Funkmittel sei auszubauen. Außerdem sollten die Projektarbeiten zur Schaffung eines österreichweiten, technisch einheitlichen Einsatzleitsystems mit durchgehender GPS-Erfassung aller Einsatzmittel zügig fortgesetzt werden. Die Erfahrungen des Wilderer-Einsatzes seien in die Aus- und Fortbildung aufzunehmen, wird ebenfalls empfohlen. Fortzusetzen sei der 2012 begonnene Ausbau des Sanitäter-Pools beim EKO Cobra.
Was psychologische Aspekte angeht, hieß es im Evaluierungsbericht, dass sich das bestehende Betreuungssystem hinsichtlich der Verschränkung von Polizeipsychologen und dem Betreuungsmodell "Peer-Support" bewährt habe und fortzusetzen sei. Schulungen über Hochstress-Lagen sollten ausgebaut werden.