Alpinist Reinhold Messner, selbst Almlandwirt, warnt schon seit Langem vor Wölfen: „Sie werden sich weiter in die Nähe von Städten wagen“, sagt er im ÖSTERREICH-Interview und folgert daraus: „Für Wölfe gibt es bei uns keinen Platz.“
Schultes glaubt an eine massive Zunahme der Wölfe: „In zwei, drei oder fünf Jahren wird es viele Wölfe bei uns geben. Dann kann es zu Vorfällen mit Haustieren oder spielenden Kindern im Wald kommen.“
Für WWF-Experte Arno Aschauer sind Abschüsse hingegen kein Thema. Er fordert Herdenschutz für die Schafe durch Zäune oder Hirtenhunde und einen baldigen Wolfgipfel.
Der Extrembergsteiger und Umweltaktivist Reinhold Messner warnt im Interview mit ÖSTERREICH (Sonntagsausgabe) vor falscher Romantik im Umgang mit Wölfen. Messner: "Ich warne seit Jahren, dass sich Wölfe in die Nähe von Städten wagen werden. Man muss endlich wieder ein Gleichgewicht herstellen. Wölfe müssen wieder Angst vor Menschen haben, das haben sie verloren. Das geht aber nur, wenn jene Wölfe, die Schafe töten, vom Menschen entnommen werden." Das ganze Exklusiv-Interview in der Langfassung hier:
ÖSTERREICH: Erstmals gab es jetzt eine Wolfattacke in der Nähe von Wien, sie haben davor gewarnt.
Reinhold Messner: Ich warne davor schon seit Jahren, dass sich Wölfe in die Nähe von Städten wagen werden. Man muss endlich wieder ein Gleichgewicht herstellen. Schafe müssen wieder Angst vor Wölfen haben, Wölfe müssen wieder Angst vor Menschen haben, das haben sie wohl verloren. Das geht aber nur, wenn jene Wölfe, die Schafe töten, vom Menschen entnommen werden.
ÖSTERREICH: Sie meinen abgeschossen, oder?
Messner: Ja. Gezielt abgeschossen. Wir können die Schafe in den Alpen ja nicht ständig hinter doppelte Zäune sperren oder Tag und Nacht von Hirten bewachen lassen. Die Bauern sagen zu Recht, 'auch ein Schaf ist ein Tier'. Die Wölfe richten sie meist fürchterlich her, die bringen auch zehn um, nur um von einem die Innereien zu fressen. Wölfe sind in keiner Weise bedroht, im Gegenteil, sie werden immer mehr. Jetzt kommen sie schon in Stadtnähe, im Alpenraum haben wir schon ein riesiges Problem. Die Bauern weigern sich inzwischen bereits, die Almen mit Vieh zu bestücken. Damit veröden die Almen, verkarsten, verstrauchen und die Kulturlandschaft, die in Jahrtausenden entstanden ist, ist kaputt.
ÖSTERREICH: Kürzlich haben Sie gesagt, man soll die Wölfe nach Sibirien verbannen, dort haben sie Platz genug.
Messner: Dort muss man sie nicht hinbringen, dort sind sie schon in großen Zahlen. Und dort sollen sie auch bleiben. Die Einheimischen werden schon wissen, wann es zu viele sind. In den Alpen ist das Habitat der Wölfe aber sehr geschrumpft. Die Historie zeigt uns, dass die Wölfe vor gut 100 Jahren ausgerottet worden sind, vielleicht war das ein Fehler. Damit ist auch das Verhältnis Mensch/Wolf in Schieflage geraten, wir wussten nichts mehr voneinander. Die Bauern brachten wieder ihr Vieh auf die Almen, die Landschaft blühte auf. Jetzt sind die Wölfe wieder da, aber das Habitat für die Wölfe gibt es nicht mehr. Wo sollen die Wölfe in Ruhe und Frieden leben? Sie brauchen ein großes Habitat, aber das haben sie nicht mehr. Deshalb muss die Zahl begrenzt werden und begrenzt bleiben. Warum ist man nicht in der Lage, einzusehen, dass Wölfe, die in Stadtnähe kommen, in Herden einbrechen und Schafe reißen, dass man die einfach entnimmt. Nach einer ganz klaren Jagdordnung zur Hege und Pflege des Waldes und der Tiere.
Das ist ein grünes Thema, wohlgemerkt. Die Grünen müssen sich um dieses Thema bemühen. Menschen werden Wölfe nicht anfallen. Wenn sie aber, gerade in den Alpen, so viele Tiere umbringen, wie zuletzt, dann wird die Aggression der Bauern gegen die Wölfe wachsen, anstatt einer Koexistenz mit einer begrenzten Zahl an Wölfen gibt es dann Auseinandersetzungen.
ÖSTERREICH: Wie lässt sich das Problem lösen: Abschuss?
Messner: Die EU verbietet ja das Entnehmen von Wölfen. Entnehmen bedeutet abschießen. Man kann sie ja nicht einfangen und in einen Tierpark bringen, das funktioniert ja nicht. Das ist auch nicht bezahlbar. Mir geht es darum, aufzuzeigen, dass hier zwei Interessen aufeinanderprallen. Natürlich hat ein grüner Politiker ein Interesse daran, dass sich bei uns die Wölfe weiter ausbreiten. Andererseits geht es auch darum, dass wir die Kulturlandschaft in den Alpen retten. Das ist ein großer Wert. Das geht leider nicht zusammen, wenn die Wolfsrudel weiter so zunehmen. Dann sind die Bauern einfach nicht mehr bereit, diese Landschaftspflege durchzuführen. Bei uns in Südtirol sind die Bauern schon auf die Barrikaden gegangen. Sie bestücken die Almen zum Teil nicht mehr und das ist ein großer Schaden für die Allgemeinheit. Man muss endlich beide Interessen akzeptieren, wir brauchen hier ein Gleichgewicht. Wenn die Wolfsrudel zunehmen und mehr und mehr werden, dann wird es zu einer so harten Auseinandersetzung kommen, dass die Wölfe ausgewildert (abgeschossen) werden. Ohne Genehmigung und ohne Kontrolle und das ist auch nicht richtig.
Wölfe werden Woche für Woche töten, obwohl er ein sehr scheues Tier ist. Ich habe in dieser Frage zwei Seelen in meiner Brust: Erhaltung der Kulturlandschaft und Erhaltung der Wölfe. Da muss man abwägen. Wenn man aber glaubt, dass die Wölfe wieder auf riesige Rudel aufgestockt werden müssen, dann wird es am Ende gegen die Wölfe gehen. Die Bauern sind heute schon wütend auf die Politik.
WWF-Artneschutz-Experte: "Jetzt keine Panikmache"
WWF-Experte Arno Aschauer: „Wir fordern Herdenschutz, das sind Zäune, Hirten, Hirtenhunde. Die Landwirtschaft hat verlernt, wie mit Wölfen umzugehen ist. Wenn es zu Rissen durch Wölfe kommt, fordern wir eine rasche und unkomplizierte Entschädigung für Bauern. Ein Wolfsgipfel mit allen Beteiligten wäre ein richtiger Schritt. Sachliche Information statt Hetze und Panikmache wie jetzt.“