Der 38-Jährige unterhielt eine "Liebesbeziehung" zu seiner Nichte. Er wurde unter anderem wegen schweren sexuellen Missbrauchs verurteilt. Sein Geständnis wirkte strafmildernd.
Der 38-jähriger Wiener, der 2008 in der Bundeshauptstadt für eineinhalb Jahre mit seiner Nichte untergetaucht war und mit der damals 13-Jährigen eine "Liebesbeziehung" unterhalten haben soll, ist am Donnerstag im Straflandesgericht zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. "Sie war ihm in gewisser Hinsicht ausgeliefert. Er hat das ausgenützt. Sie war sein Spielzeug", fasste Richter Norbert Gerstberger in der Urteilsbegründung die Erkenntnisse des Beweisverfahrens zusammen.
Geständnis
Bei der Strafbemessung wurde die im Wesentlichen
geständige Verantwortung des Angeklagten mildernd gewertet. Der Onkel hatte
sich zum schweren sexuellen Missbrauch, der Kindesentziehung und dem
Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses schuldig bekannt. Dem standen laut
Gerstberger "beachtliche erschwerende Umstände" gegenüber, so
dass sich der Schöffensenat bei einem Strafrahmen von bis zu zehn Jahren am
oberen Bereich der Strafgrenze orientierte. Konkret führte der vorsitzende
Richter das Ausnützen der Hilflosigkeit des Opfers ins Treffen. Es liege "ein
exemplarischer Fall von sexuellem Missbrauch über einen langen Zeitraum"
vor, sagte Gerstberger.
10.000 Euro Wiedergutmachung
Zudem wurde der Onkel schuldig
erkannt, dem Mädchen 10.000 Euro an Wiedergutmachung zu bezahlen. Mit ihren
darüber hinausreichenden Forderungen - die Nichte hatte insgesamt 50.000
Euro verlangt, "weil sie ihr Leben lang psychisch beeinträchtigt sein
wird", wie ihre Rechtsvertreterin deponierte - wurde die mittlerweile
15-Jährige auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Schuldspruch akzeptiert
Der 38-Jährige war mit dem Urteil
einverstanden. Da sich Staatsanwältin Ursula Kropiunig eine
Rechtsmittelerklärung vorbehielt, ist die sechsjährige Freiheitsstrafe noch
nicht rechtskräftig.
Wie die Verhandlung zutage förderte, die zum Schutz des Opfers über weite Teile unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, dürfte der Onkel die tristen familiären Verhältnisse des Mädchens gezielt ausgenützt haben. Die 13-Jährige riss Anfang 2008 von zu Hause aus, da sie mit ihrer Mutter nicht klar kam und unter dem zum Alkohol neigenden Lebensgefährten der Frau litt. Der Angeklagte "hat ihr geholfen, sich den Eltern zu entziehen. Ihr Dilemma war, sie wollte nicht zurück, aber auch nicht ins Kriseninterventionszentrum", hielt die Staatsanwältin in ihrem Schlussvortrag fest.
Kein Warmwasser, kein Strom
Die Kleine zog stattdessen mit dem
Onkel, der keiner geregelten Beschäftigung nachging, von Wohnung zu Wohnung,
die ihm Bekannte zur Verfügung stellten. Ihre Lebensumstände waren
katastrophal. In der Bleibe, in der die beiden die meiste Zeit verbrachten,
gab es kein Warmwasser und keinen Strom. Die Mahlzeiten bereiteten sich
Onkel und Nichte mit einem Camping-Kocher zu. Eineinhalb Jahre - das
untergetauchte Paar wurde erst im August 2009 ausgeforscht, der Onkel
festgenommen - bekam das Mädchen keine neuen Kleider. Sie musste die alten
Sachen des großen, fülligen Mannes tragen.
Laut Verteidigerin Charlotte Schuster fühlte sich das Kind "einige Zeit geborgen. Dann hat das Ganze eine Eigendynamik bekommen". Ihr Mandant sei von Anfang an schuldeinsichtig gewesen: "Bei seiner Festnahme hat er gleich gesagt, er hat das gemacht und ist jetzt fällig." Schuster bat um ein mildes Urteil, weil es dem Mann nicht möglich gewesen sei, "aus dem Teufelskreis auszubrechen".
Psycho-Gewalt
Der 38-Jährige dürfte seine Nichte unter
ziemlichen psychischen Druck gesetzt haben, um von ihr nicht verlassen zu
werden. Diese wurde zwar nicht gefangen gehalten, musste aber damit umgehen,
dass ihr der Mann wiederholt Liebesgeständnisse aufnötigte und ihr ein
Kettchen schenkte, auf dem "Ich liebe dich" stand. Bei der Kleinen
handelte es sich laut psychiatrischem Gutachten um ein Mädchen, bei dem der
üblicherweise mit der Pubertät einhergehende Reifeprozess verzögert
eingesetzt hatte. Sich gegen die Wünsche und Begehrlichkeiten des
erwachsenen Onkels zur Wehr zu setzen, dürfte ihr demnach unmöglich gewesen
sein.