Sikh-Prozess

Zeugen verstricken sich in Widersprüche

14.09.2010


Massaker im Wiener Ravidass-Tempel: Aussagen werfen Fragen auf.

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Mit zahlreichen Zeugenaussagen ist am Dienstag der Prozess um den blutigen Anschlag auf den Ravidass-Tempel in der Pelzgasse in Wien-Rudolfsheim-Fünfhaus fortgesetzt worden, bei dem am 24. Mai 2009 die zwei spirituellen Führer der Glaubensgemeinschaft, die Gurus Sant Rama Nand und Sant Niranjan Dass, erschossen bzw. schwer verletzt wurden. Die beim Anschlag anwesenden Ravidass-Anhänger, die zum Tatablauf vernommen wurde, verwickelten sich teilweise in erhebliche Widersprüche, an deren Auflösung selbst die engagierte und um Aufklärung bemühte vorsitzende Richterin Susanne Lehr streckenweise scheiterte.

Seit 16 Monaten in U-Haft
Fest dürfte stehen, dass einige Sikh den Ravidass-Tempel aufgesucht hatten, weil sie mit deren Glaubensregeln nicht übereinstimmten. Sechs Sikh sitzen seit mittlerweile über 16 Monaten in U-Haft und zwei Monaten auf der Anklagebank, weil die Staatsanwaltschaft im mutmaßlichen Haupttäter Jaspal S. (36) den Schützen und in seinen mitangeklagten Glaubensbrüdern die Helfer erblickt, die ihm nach Abgabe der Schüsse die Flucht aus dem Gebetshaus ermöglichen hätten sollen, indem sie mit Dolchen auf einige Ravidass losgingen, die Jaspal S. überwältigen wollten.

Die Zeugenaussagen nährten allerdings eher Zweifel an der Täterschaft des einen oder anderen Angeklagten. So versicherte etwa ein junger Ravidass, der Erst- oder der Sechstangeklagte hätten geschossen, während der Dritt- und der Viertangeklagte die Dolche geschwungen hätten. Bei einer Gegenüberstellung im Ermittlungsverfahren hatte er demgegenüber den Sechsangeklagten als Schützen bezeichnet, wobei er - als ihm ganz zu Beginn der Erhebungen ein Lichtbild dieses Mannes vorgelegt wurde - anfänglich noch angeben hatte, er könne nicht sagen, ob jener bei dem Vorfall überhaupt dabei war.

"Die schauen alle gleich aus"
Als er im Zeugenstand die Männer bezeichnen sollte, die mit Messern auf Gläubige eingestochen hatten, nannte der junge Mann den Zweitangeklagten, den er bis dahin nie belastet hatte. Damit konfrontiert, rechtfertigte er sich: "Die schauen alle ganz gleich aus." Tatsächlich tragen die Angeklagten durchwegs Vollbart und Turban. Der Zweitangeklagte fällt jedoch insofern aus, als er als Einziger eine äußerst markante weiße Barttracht aufweist.

Auch die Angaben weiterer Zeugen stimmten nicht mit ihren bisherigen Schilderungen überein, wobei es zu teilweise eklatanten Widersprüchen kam. Die Verhandlung wird am kommenden Montag fortgesetzt.
 

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