Kathrin W. hat diese Woche das Wichtigste im Leben einer Mutter verloren – ihr Kind. In ÖSTERREICH spricht sie über den Verlust ihres Fabian.
Eine Wohnung in Döbling, in der es nie wieder so sein wird wie vor wenigen Tagen. An der Wand hinter einer brennenden Kerze hängt das Bild eines lächelnden Buben – Fabian, 8, der am Dienstag einen so sinnlosen Tod sterben musste.
Am Schulweg war er über den Zebrastreifen gegangen, ordnungsgemäß von einem Schülerlotsen geleitet, als ihn ein dicker Mercedes niederstieß, dessen Fahrer eingenickt war.
Kathrin W., die Mutter, erzählt uns über Fabian. Sie spricht mit fester Stimme, nur manchmal stockt sie und es kommen ihr die Tränen. Aber sie will alle wissen lassen, was für ein wundervolles Kind ihr Fabian war und wie lieb sie ihn gehabt hat. Und wie sie in ihrem tiefen Schmerz dennoch Trost findet:
ÖSTERREICH: Unser tief empfundenes Mitgefühl – wie leben Sie mit
Ihrem furchtbaren Verlust?
Kathrin W.: Für uns ist es sehr, sehr
schlimm. Dass Fabian nicht mehr zurückkommt, dass er nicht mehr da ist, ist
unvorstellbar.
ÖSTERREICH: Erinnern Sie sich noch an
den Tag des Unglücks? War in der Früh etwas anders als sonst?
W.:
An diesem Tag hatten wir morgens nicht so viel Zeit wie sonst. Ich musste
mit dem Kleinen um acht Uhr zum Arzt. Wir hatten einen Termin zur
Zeckenimpfung. Fabian hat deshalb an diesem Morgen allein gefrühstückt, aber
sonst war alles wie immer.
ÖSTERREICH: Wie haben Sie
sich von ihm verabschiedet?
W.: Ich bin so froh, dass ich dies
tun konnte. Ich hätte es mir nie verziehen, wenn ich mich nicht von ihm
verabschiedet hätte. Er ist wie jeden Tag den Gang zum Aufzug rückwärts
entlanggegangen und hat gewunken. Ich stand an der Tür und habe
zurückgewunken. Dann ist er um die Ecke verschwunden. Das war das letzte
Mal, dass ich ihn gesehen habe.
ÖSTERREICH: Wie haben
Sie dann von dem Unglück erfahren?
W.: Um 13 Uhr hat mich
die Direktorin seiner Schule angerufen. Sie hat nur gesagt: „Fabian braucht
Ihre Hilfe. Komme Sie einfach nur.“ Ich dachte, dass er vielleicht gestürzt
sei. Ich bin so froh, dass sie mir nicht gesagt hat, was tatsächlich
passiert ist. Ich wäre nicht in der Lage gewesen, dann noch in die Schule zu
fahren.
ÖSTERREICH: Fabian hat zwei kleine Geschwister.
Wissen Sie schon, dass ihr großer Bruder nicht mehr nach Hause kommt?
W.:
Ja, wir haben es ihnen gesagt. Es hat keinen Sinn, so etwas vor ihnen zu
verheimlichen. Wir haben ihnen erklärt, dass Fabian einen schlimmen Unfall
gehabt hat. Dass das dritte Bett im Kinderzimmer für immer leer bleiben
wird, haben sie aber noch nicht wirklich verstanden.
ÖSTERREICH:
Was war Fabian für ein Bub?
W.: Er war ein sehr
übervorsichtiges Kind, war ganz stolz, dass er sich nun getraut hat, von der
Schaukel abzuspringen. Andere Kinder trauen sich das schon mit vier Jahren.
Er war ruhig, aber nicht schüchtern. In der Schule hat er jetzt auch den
Freischwimmer gemacht, das war für ihn das Größte.
ÖSTERREICH:
Was war er für ein Schüler?
W.: Ich habe mit seiner
Lehrerin gesprochen: Nach Fabians Tod hat sie die Kinder gefragt, wer sein
bester Freund in der Klasse war und alle Kinder haben aufgezeigt. Es ist so
schön zu wissen, dass er so beliebt war. Seine Klassenkameraden schreiben
auch Briefe für ihn, malen Bilder. Er ist auch immer sehr gerne in die
Schule gegangen. Auch bei den Hausaufgaben war er fleißig, er hat sie immer
selbstständig gemacht – kontrollieren hätte ich ihn eigentlich nie müssen.
Ich wusste, dass ich mich ganz auf ihn verlassen kann. Sein Lieblingsfach in
der Schule war Turnen, auch wenn er gar nicht besonders sportlich war. Er
war ja eher klein für sein Alter und zart.
ÖSTERREICH: Was
hat Fabian sich gewünscht?
W.: Fabian war sehr musikalisch.
Im Herbst wollte er mit dem Trompetenspielen beginnen. Das konnte er bisher
noch nicht, weil er dafür alle Zähne haben musste, er allerdings noch
Zahnlücken hatte. Und sein größter Wunsch war es, später einmal
Pferdepfleger zu werden. Er mochte Pferde sehr.
ÖSTERREICH: Hatte
er ein Lieblingsspiel?
W.: Das war das Nintendo DS. Aber er hat
auch gerne gelesen, am liebsten Bücher über Römer und Ägypter.
ÖSTERREICH:
Es wird viel über Fabians Tod berichtet. Wie geht es Ihnen damit?
W.:
Ich habe noch nie erlebt, dass der Tod eines Kindes die Menschen derart
berührt, dass an einem Unfall so viel Interesse besteht. Ich glaube, dass
viele spüren, was für ein besonderer Mensch er war. Wir werden von so vielen
Menschen unterstützt – dafür sind wir sehr dankbar.
ÖSTERREICH:
Was gibt Ihnen die Kraft?
W.: Der Glaube. Wir sind sehr religiös
und jede Woche mit der Familie in der Messe in der Pfarre Nussdorf. Fabian
war dort auch seit drei Jahren Messdiener. Ohne meinen Glauben wüsste ich
nicht, wie ich das alles überhaupt durchstehen könnte. Derzeit nehme ich
noch keine psychologische Hilfe in Anspruch, vielleicht wird das später
einmal nötig sein – derzeit aber noch nicht.
ÖSTERREICH:
Glauben Sie an ein Leben nach dem Tod?
W.: Ja, ich bin sicher,
dass Fabian dort, wo er jetzt ist, ein Übermaß an Liebe und Frieden erfährt,
dass ich mir keine Sorgen um ihn machen, nicht mehr auf ihn aufpassen muss.
ÖSTERREICH:
Wenn Sie die Zeit zurückdrehen könnten, würden Sie etwas anders machen?
W.:
Natürlich fragt man sich, ob man vielleicht zu viel geschimpft hat. Aber
auch meine Freunde und Verwandten sagen, dass Fabian ein so fröhliches Kind
war. Das gibt mir Kraft. Die Gewissheit, dass er das glücklichste und
schönste Leben hatte, das wir ihm ermöglichen konnten.