"Erschieß' mich ..."
Zweitägiger Mord-Prozess in Wr. Neustadt
16.08.2010
Die mutmaßliche Mörderin bekennt sich "nicht schuldig" im Sinne der Anklage.
In einem zweitägigen Prozess muss sich eine 55-jährige Niederösterreicherin am Landesgericht Wiener Neustadt wegen Mordes an ihrem Ehemann verantworten. Laut Anklage hatte sie den um ein Jahr älteren Mann am 5. Februar im gemeinsamen Haus in Ebreichsdorf (Bezirk Baden) durch einen Schuss in die Brust getötet. Sie bekannte sich am Montag, dem ersten Prozesstag, nicht schuldig. Die Verhandlung wird am Mittwoch mit den Gutachten fortgesetzt.
Depressionen
Jahrelange schwere Depressionen des nach dem
Verlust seines Bankjobs Arbeitslosen haben zu dessen übermäßigem
Alkoholkonsum und daraus resultierenden Streitigkeiten geführt, meinten
Ankläger und Verteidiger übereinstimmend. Während Staatsanwalt Johann Fuchs
aber erklärte, dass vorsätzliche Tötung auch bedeute, den Tod des Opfers in
Kauf zu nehmen und für Tötung auf Verlangen kein ernsthafter Wille des mit
3,7 Promille volltrunkenen Mannes vorgelegen sei, meinte Rechtsanwalt Roland
Friis, seine Mandantin habe den Worten ihres Mannes vertraut, dass die Waffe
ungeladen war.
"Erschieß' mich..."
Richterin Alexandra Baumann
hielt der - vom Geschehen sichtlich gezeichneten - Angeklagten divergierende
Aussagen vor. So sei die aktuelle Version erst bei der Tatrekonstruktion
Anfang März unterbreitet worden. Zuvor habe die Frau angegeben, ihr Mann
hätte ihr mit den Worten "erschieß' mich, ich bin ein Versager"
die Waffe in die Hand gedrückt.
1,5 Promille
Das Paar war 30 Jahre verheiratet. Nach der ersten
Kündigung habe ihr Mann Antidepressiva genommen, sich dann mit Eifer in
einem neuen Job eingebracht, den er aufgrund wirtschaftlicher
Schwierigkeiten der Bank verloren habe. Danach sei er "abgestürzt",
Therapien lehnte er ab, seine Probleme ertränkte er mit Alkohol. "Ich
kann trinken wie ein Fass ohne Boden", habe er gemeint - täglich ein
bis zwei Flaschen Wein. Selbstmorddrohungen habe sie nicht wirklich ernst
genommen. Im Herbst 2009 kaufte der Mann einen Revolver. Diesen habe er ihr
an jenem Abend gezeigt, weil er "so eine Freude" dran habe - und
sie habe die Waffe auf seine Aufforderung hin in der Annahme, sie sei
ungeladen, genommen, um ihm einen Gefallen zu tun. Die Frau hatte zum
Tatzeitpunkt selbst 1,5 Promille. Nachbarn sagten aus, sie habe danach
hysterisch und völlig aufgelöst auf der Straße um Hilfe geschrien.