Während der Kanzler vor allem das Einigende in der Regierung in den Vordergrund schob, versuchte Vizekanzler Josef Pröll die Eigenständigkeit der Volkspartei zu betonen. Vor der Rede wurde ein neuer Zweiter Nationalratspräsident gewählt: ÖVP-Urgestein Fritz Neugebauer. In der Früh wurde Ex-BZÖ-Chef Peter Westenthaler der Justiz ausgeliefert.
Hoher Besuch auf der Galerie
Wie bei Regierungserklärungen üblich
hatte sich Bundespräsident Heinz Fischer im Hohen Haus auf der
Besuchergalerie eingefunden, um den ersten Worten des neuen Kanzlers vor den
Abgeordneten zu lauschen. Außer dem Staatsoberhaupt hatten auch noch
ÖVP-Größen wie Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl und der frühere
Nationalratspräsident Andreas Khol Interesse an dem, was Faymann und Pröll
zu sagen hatten.
51 Minuten Faymann für das Hohe Haus
Bundeskanzler Werner
Faymann nahm sich exakt 51 Minuten und 32 Sekunden Zeit, um der
Abgeordnetenschar nochmals das Regierungsprogramm zu referieren. Als
Schwerpunkte nannte der SPÖ-Chef in seiner vom Papier abgelesenen Rede in
erster Linie den Kampf gegen die internationale Wirtschaftskrise, die
Beschäftigungssituation, den Ausbau der Kinderbetreuungsplätze sowie die
Umsetzung des EU-Vertrages von Lissabon.
Besonders wichtig erschien es dem Regierungschef, ein weiteres Mal darauf hinzuweisen, dass in der neu aufgelegten Großen Koalition ein ganz anderer Geist herrsche als in ihrer Vorgängerin. Was die Mitglieder der Bundesregierung bei allen Unterschieden verbinde, sei der Wille zur gemeinsamen Arbeit und die Bereitschaft zum politischen Kompromiss: "Wenn zwei Parteien sich in allen Fragen diesen gemeinsamen Nenner zum Ziel machen, dann ist ihre Kraft nicht nur mit zwei, sondern mit vier zu multiplizieren."
ÖVP steigt auf Harmonie-Bremse
Nach diesem euphorischen
Blick in die harmonische Zukunft war die ÖVP fast schon verpflichtet, ein
wenig die Bremse zu ziehen. Klubchef Karlheinz Kopf konstatierte: "Diese
Koalition ist eine Koalition der praktischen Vernunft." Es handle sich um
zwei Parteien mit unterschiedlicher Ideologie, betonte VP-Obmann Josef
Pröll. Es sei aber ein Gebot der Stunde, in schwierigen Zeiten Verantwortung
zu übernehmen. Die Krise müsse gemeinsam bewältigt werden.
Der ÖVP-Obmann bekannte sich zudem zu mehr Sicherheit, der Bekämpfung von Asylmissbrauch und zu einer besseren Zuwanderungspolitik. Sicherheit beziehe sich aber nicht nur auf die innere Sicherheit im Land, auch das Pensionssystem müsse gesichert werden, so Pröll. Und das werde nicht mit Festhalten an Status quo zu machen sein, mahnte der Vizekanzler Reformen ein.
Der Opposition gefiel das Gehörte nicht
Der Opposition war
das alles viel zu unkonkret. BZÖ-Klubchef Josef Bucher sah im
Regierungsübereinkommen ein "Programm für Politmasochisten". Hunderttausende
würden sich fragen, "warum und wozu haben wir überhaupt gewählt?" Im Fall
des Wiederaufflammens des koalitionären Streits dürfen SPÖ und ÖVP künftig
auf die Hilfe eines Kuschel-Pandas zurückgreifen, ein Geschenk der Orangen.
FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache erregte sich, dass die SPÖ ihr Wahlversprechen von Volksabstimmungen über wichtige EU-Verträge bereits auf dem "EU-Altar" geopfert habe: Faymann benehme sich wie sein Vorgänger Alfred Gusenbauer: "Mir ist alles wurscht, Hauptsache ich bin Kanzler." Die Regierungserklärung empfand der FPÖ-Obmann dann auch als "völlig emotionslos vorgehaltenen Rede", die nur belege, dass im Koalitionspakt nur heiße Luft zu finden sei.
Grünen-Bundessprecherin Eva Glawischnig sah die Regierungserklärung von Faymann als "visionslos, mutlos und reformschwach". Das Hauptthema im Wahlkampf, die Teuerung, komme im Regierungsprogramm ein einziges Mal vor und das als Rechtfertigung von Gebührenerhöhungen, höhnte die Klubchefin. Zu wenig findet sich für Glawischnig im Koalitionsabkommen auch für die Umwelt, die Bekämpfung der Armut und zur Förderung von Frauen. Glawischnigs Fazit: "Österreich braucht keine Zuckerguss-Harmonie."
Nächste Seite. Die Regierungserklärung von Kanzler Faymann im Minutentakt
Hier die erste Regierungserklärung des neuen SPÖ-Bundeskanzlers Werner Faymann vor den Nationalratsabgeordneten im Parlament - im Minutentakt. Vor der Rede wurde ein neuer Zweiter Nationalratspräsident gewählt: ÖVP-Urgestein Fritz Neugebauer. In der Früh wurde Ex-BZÖ-Chef Peter Westenthaler der Justiz ausgeliefert.
11:03 Leistung beurteilen, bitte!
Faymann schließt seine
Regierungserklärung mit einer Bitte an die Nationalratsabgeordneten: Messen
Sie die neue Regierung an ihren Anstrengungen in einer Zeit großer
Herausforderungen, an den Bemühungen für die Schutzlosesten und an den
Maßnahmen gegen die Finanzkrise!
11:00 Friede und Sicherheit
Der neue Kanzler streift noch die
Themen Friede, Verteidigung, Sicherheit. Die Bundesheerreform würde
fortgesetzt, so Faymann, und in die Polizei würde investiert. 1.000
zusätzliche Beamte kämen auf die Straße.
10:51 Geeintes Europa
In der EU-Frage meint Faymann, die
Regierung bekenne sich zu einem starken Österreich in einer geeinten EU. Vor
allem angesichts der Finanzkrise habe sich die Wichtigkeit der Union
gezeigt, ohne die das Land schlechter dagestanden wäre. Auf die von der SPÖ
gefordete Volksabstimmung bei grundlegenden Vertragsveränderungen geht er
nicht weiter ein.
10:49 "Reichtum nächster Generation"
Faymann
weist auf bekannte Punkte des Koalitionspakts in Sachen Bildung hin, siehe
Gratis-Kindergartenjahr oder Uni-Gebühr. Hier müsse investiert werden,
findet Faymann denn: "Das Bildungssystem entscheidet über den Reichtum
der nächsten Generation."
10:44 Jobs als großes Anliegen
Als weitere Schwerpunkte
seiner Arbeit nennt der neue Kanzler die Arbeitsmarktpolitik. Junge, Ältere
und Frauen sollen gefördert werden. Und stufenweise soll der Arbeitsmarkt
für Fachkräfte von jenseits der Grenze geöffnet werden. Bei Menschen aus
sicheren Drittstaaten soll vor allem ihre Qualifikation der Maßstab sein.
10:34 Patient im Mittelpunkt
In seiner ersten
Regierungserklärung weist Faymann auf das für die Große Koalition wichtige
Thema Gesundheitsreform hin. Natürlich gelte es, das System finanzierbar zu
halten, da habe man auch schon einiges getan oder entschieden (Halbe MwSt.
auf medikamente, Entschuldung der Kassen), trotzdem solle auch mehr für den
Patienten getan werden (kürzere Wartezeiten auf Operationen, usw).
10:31 Sparen in der Verwaltung
Nichtsdestoweniger wolle die
Koalition ein ausgeglichenes Budget im Auge behalten, dazu soll die
Verwaltungsreform vorangetrieben werden. Vor allem Doppelgleisigkeiten in
der Verwaltung sollen endlich beseitigt werden. Da müssten aber die Länder
mitspielen.
10:25 Steuerreform + Konjunkturpaket
Faymann betont die Stärkung
von Kaufkraft und Konjunktur als Ziel. Dazu wiederholt er die entsprechenden
Maßnahmen im Zug der Steuerreform, der Familienförderung und der beiden
Konjunkturpakete.
10:23 "Defizit an Moral"
Ein "Defizit an Moral",
wie man es der Wallstreet zuschreiben könnte, und ein "Defizit an
Einsicht und Tatkraft", wie man es den Politikern in Washington
zuschreiben könnte, dürften in Österreich keinen Platz haben.
10:18 "Kein Arbeitnehmer schuld an Rezession"
Der
Mensch müsse im Mittelpunkt stehen, nicht der Gewinn. Die solidarischen
Systeme müssten abgesichert und finanzierbar gemacht werden. Österreichs
solidarisches Pensionssystem müsse erhalten bleiben, Arbeitsplätze müssten
einen höheren Stellenwert haben, denn "Kein Arbeitnehmer hat
Schuld an der Rezession!" Die Solidarität sei das Leitmotiv der neuen
Regierung, so der neue Kanzler.
10:15 "Weltweit gemeinsamer Weg"
Es gelte daher, rasch
zu handeln. Auch wenn die EU-Staaten mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten
und unterschiedlichen Maßnahmen reagieren, sei ein gemeinsamer weltweiter
Weg nötig.
10:12 "Große Herausforderungen"
"Die neue
Regierung steht vor großen Herausforderungen", es bestehe die
Gefahr der Stagnation in der Wirtschaft, wenn nicht gar eine Rezession, so
Faymann seine Regierungserklärung.