Katzian will Referendum

100.000 bei Demo gegen 12-Stunden-Tag

29.06.2018

ÖGB demonstrierte Stärke, Präsident Katzian forderte Volksbefragung zum Thema.

Zur Vollversion des Artikels

This browser does not support the video element.

Zur Vollversion des Artikels

Die Regierung ist am Samstag erstmals seit ihrem Antritt mit echtem Widerstand konfrontiert worden. Der ÖGB mobilisierte trotz Ferienbeginns im Osten rund 100.000 Menschen, die gegen eine Ausweitung der Höchstarbeitszeit anmarschierten. Präsident Wolfgang Katzian forderte die Regierung auf, das Volk zu dem Thema zu befragen.

© APA/HANS PUNZ


Das Wetter hatte es gut mit dem Gewerkschaftsbund gemeint, der in kurzer Zeit seine größte Demonstration seit den Protesten gegen die schwarz-blaue Pensionsreform im Jahr 2003 auf die Beine gestellt hatte. Strahlender Sonnenschein, aber keine zu hohen Temperaturen begleiteten die Kundgebungsteilnehmer bei deren Marsch vom Wiener Westbahnhof in die Innenstadt, was Christgewerkschafter Norbert Schnedl launig der Bischofskonferenz zuschrieb, die ja auch die Arbeitszeit-Pläne der Regierung vehement ablehnt. Laut Polizei kamen rund 80.000 Demonstranten, die Veranstalter zählten mehr als 100.000.

© TZOE/Fuhrich

Machtvoll wirkte die Demonstration jedenfalls, vor allem die in gehöriger Mann- und Frauzahl erschienene Produktionsgewerkschaft pro-ge stach hervor, aber auch die "Sozialen Schwarzen", die unter anderem den Tiroler AK-Präsidenten Erwin Zangerl in ihren Reihen hatten. Die SPÖ schwamm ebenfalls prominent besetzt im Demonstrationszug mit, darunter Parteichef Christian Kern, der den Aufmarsch als Antwort der Bevölkerung auf die Politik von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sah, und Wiens Bürgermeister Michael Ludwig.

Anderl teilte gegen Regierung aus

Die Musik spielte aber die Gewerkschaft, die als Devise für die Demo "Für ein besseres Leben" ausgegeben hatte.. Dieses wird es mit der Ausweitung der Höchstarbeitszeit nicht geben, ist der ÖGB überzeugt. Von praktisch allen Rednern wurde Gesundheitsgefahr ebenso wie Freizeitverlust ins Spiel gebracht. Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl meinte vielmehr, es sei nun Zeit für eine Arbeitszeitverkürzung.

 

Katzian will Referendum

Der große Zuspruch der Demonstration ermunterte die Gewerkschaftsspitzen zu mutigen Tönen. So meinte etwa pro-ge-Chef Rainer Wimmer: "Wir werden auf die Barrikaden gehen." Ebenfalls kampfeslustig zeigte sich Bau/Holz-Gewerkschaftschef Josef Muchitsch, der in Richtung Regierung meinte: "Wenn sie den Arbeitskampf wollen, dann sollen sie ihn kriegen." Auch Katzian kündigte den Demo-Teilnehmern an, dass man sich wohl bald wieder sehen werde, und warnte: "Wir werden Widerstand leisten mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen."

© APA/HANS PUNZ

"Fragt das Volk", forderte der ÖGB-Präsident die Koalition auf. Katzian betonte in seiner Rede, dass der heutige Tag erst der Anfang der Proteste sei und definitiv nicht das Ende: "Wir werden Widerstand leisten mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen." Dass sich heute (nach ÖGB-Angaben) mehr als 100.000 Menschen eingefunden hätten, sei ein starkes Zeichen, das auch in der Steiermark gehört werde, sprach Katzian den Regierungsevent in Schladming anlässlich der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft an.

© APA/HANS PUNZ

Wirbel um Post-Gewerkschaftschef Köstinger

Einziger Regiefehler der ansonsten perfekt organisierten Veranstaltung war ein Auftritt von Post-Gewerkschaftschef Helmut Köstinger, der für ÖGB-Verhältnisse komplett unüblich zum Sturz der "unsozialen Regierung" aufrief. Nicht nur Christgewerkschafter Schnedl distanzierte sich umgehend, auch Katzian hob extra hervor, dass der Gewerkschaftsbund jede demokratisch legitimierte Regierung akzeptiere - freilich mit dem Nachsatz, dass das nicht automatisch für deren Maßnahmen gelte.

Das hielt ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer freilich nicht davon ab, in einer Aussendung von einer "nie dagewesen Grenzüberschreitung" zu sprechen. So wie es jedem frei stehe, für seine Anliegen auf die Straße zu gehen, sei es "auch legitimiert, dass eine Parlamentsmehrheit das hält, was sie versprochen hat". FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky hatte schon zu Beginn der Demo polemisiert, dass der ÖGB nur mehr als willfährige Vorfeldorganisation der SPÖ agiere.

© APA/HANS PUNZ


Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal strich in einer Stellungnahme das Demonstrationsrecht hervor. "Es ist gut, dass wir in einem Land leben, in dem es Meinungs- und Versammlungsfreiheit gibt und in dem jeder von diesen Grundrechten Gebrauch machen kann", so der Regierungssprecher.

© APA/HANS PUNZ

ÖGB-Präsident Katzian bei oe24.TV: "Dieses Gesetz ist einfach ein Murks"

oe24.TV: Seit zwei ­Wochen ÖGB-Präsident und am Samstag gleich 100.000 auf der Straße.
 
Wolfgang Katzian: Wie viele es werden, weiß ich nicht. 10.000 wären ein Erfolg. Es ist eine Demo des über­parteilichen ÖGB gegen den 12-Stunden-Tag. Es hat schon mehrere Rückzieher der Regierung bei diesem Gesetz gegeben. Das zeigt, dass das ein Murks ist. Dass es besser gewesen wäre, wenn man die Sozialpartner einbezieht. Unsere Botschaft: Ziehen Sie dieses Gesetz zurück!
 
oe24.TV: Sie sagen, das Gesetz ist eigentlich ein Attentat …
 
Katzian: Es ist ein Attentat auf die Gesetzesqualität. Unsere Experten hätten der Regierung sagen können, dass es Freiwilligkeit im Arbeitsrecht nicht gibt.
 
oe24.TV: Die Regierung hat doch hoch und heilig versprochen, dass der 12-Stunden-Tag freiwillig ist.

Katzian: Das Problem ist, dass die Freiwilligkeit nicht umsetzbar ist. Wenn ich ein Mitarbeiter in einem Unternehmen bin, der sagt, freiwillig tu ich das nicht, dann gehe ich heim. Wie oft kann man sich dem freiwillig entziehen? Spätestens beim dritten Mal sagt der Chef, ich suche mir jemanden anderen.

oe24.TV: Sie glauben, da wird die Hälfte der Österreicher regelmäßig mehr als 8 Stunden arbeiten müssen ...
 
Katzian: Davon bin ich überzeugt. In der Privatwirtschaft wird das so sein.

oe24.TV: Ist das alles ein Kurz-Marketing-Schmäh?

Katzian: Ja, ein Marketing-Schmäh, genau. Aber es gibt ganz viele Leute, die das Argument, dass es freiwillig ist, ein müdes Lächeln kostet.
 
(gü)
 

Hier finden Sie den Live-Ticker zum Nachlesen.

Zur Vollversion des Artikels