Mit einem Festakt hat das Bundeskanzleramt am Mittwoch das 100. Jubiläum seines Amtssitzes am Wiener Ballhausplatz gefeiert.
Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) mahnte in seiner Rede, dass die Demokratie keine Selbstverständlichkeit sei, sondern "jeden Tag erneuert werden muss".
Unter den Gästen waren seine Amtsvorgänger Franz Vranitzky (SPÖ), Wolfgang Schüssel, Alexander Schallenberg (beide ÖVP) sowie die bisher einzige Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein.
Nicht dabei waren die Alt-Kanzler Sebastian Kurz (bei Philoro-Feier), sowie Alfred Gusenbauer und Christian Kern.
Die Ex-Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP), Wolfgang Schüssel (ÖVP), Brigitte Bierlein, Franz Vranitzky (SPÖ) sowie Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) bei Festveranstaltung "Bundeskanzleramt: 100 Jahre Amtssitz des Bundeskanzlers"
2 Jahre Kanzler Nehammer
Für Nehammer fand der Festakt auch zu einem persönlichen Jubiläum statt, genau zwei Jahre nach seiner Angelobung als Bundeskanzler am 6. Dezember 2021. In seiner Rede spannte der Kanzler dann auch den Bogen von der Geschichte des Hauses zu seinem persönlichen Amtsverständnis. "Als Bundeskanzler der Republik ist es eine Ehre, dem Land zu dienen und dienen ist nichts Schlechtes sondern etwas Gutes", so Nehammer.
Demokratie nicht selbstverständlich
Mit seinen Vorgängern teile er die Zuversicht auch in schwierigen Zeiten, so der Kanzler unter Berufung auf den von ihm viel zitierten ÖVP-Kanzler Leopold Figl. Zugleich appellierte Nehammer dafür, die Demokratie nicht als Selbstverständlichkeit anzunehmen. Insbesondere gefährdet sieht er die Demokratie durch Desinformationskampagnen in den sozialen Medien und Hassbotschaften.
Begegnen müsse man dem mit Bildung nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene. Aufgabe der politisch Verantwortlichen sei es außerdem, die eigene Wortwahl zu reflektieren und für einen respektvollen Umgang zu sorgen, sagte Nehammer.
Geschichte des Bundeskanzleramts
1923 wurde das heutige Bundeskanzleramt zum Sitz des österreichischen Bundeskanzler. In dem zwischen 1717 und 1719 vom kaiserlichen Hofarchitekten Johann Lukas von Hildebrandt erbauten Barockpalais war lange Zeit die für die Außenpolitik zuständige Staatskanzlei untergebracht. Zum politischen Zentrum Europas wurde das Haus 1814 und 1815, als sich rund 200 Monarchen und Diplomaten unter Leitung von Clemens Fürst von Metternich dort zum "Wiener Kongress" versammelten.
Auch in der Ersten Republik blieb das Gebäude an der Adresse Ballhausplatz 2 Sitz des Außenministers. 1923 übersiedelte dann auch das Bundeskanzleramt aus seinem ursprünglichen Amtssitz im Palais Modena in der Herrengasse (heutiges Innenministerium) auf den Ballhausplatz. Grund waren notwendige Sparmaßnahmen, nachdem Österreich am Rande des Staatsbankrotts stand. Im Zuge der drastischen Verkleinerung der Regierung wurden im Bundeskanzleramt die Agenden für Äußeres, Inneres und Justiz vereint. Zusätzlich amtierte auch der Bundespräsident in der Zeit der Ersten Republik im selben Gebäude.
1934 wurde im Bundeskanzleramt der austrofaschistische Kanzler Engelbert Dollfuß erschossen. Die Nationalsozialisten drängten die Bedeutung des Gebäudes zunächst bewusst zurück, bis 1940 Gauleiter Baldur von Schirach das Bundeskanzleramt als seinen Amtssitz wählte. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs zog 1945 Karl Renner als erster provisorischer Kanzler am Ballhausplatz ein. Nachdem er zum Bundespräsidenten gewählt worden war, wechselte er auf die andere Seite des Platzes in den seitdem als Präsidentschaftskanzlei genutzten Leopoldinischen Trakt der Hofburg. Die außenpolitischen Agenden blieben noch bis 2005 im Bundeskanzleramt angesiedelt, wenn auch seit 1959 als eigenes Ressort.
Kritik am Festakt kam am Mittwoch von der FPÖ. Das Jubiläum sollte der Bundesregierung "nicht Anlass zum Feiern, sondern Anlass zum Nachdenken geben", so der freiheitliche Generalsekretär Michael Schnedlitz in einer Aussendung. Der Umzug sei den nötigen Sparmaßnahmen geschuldet gewesen, "Sparmaßnahmen, von denen augenscheinlich weder ÖVP-Kanzler Nehammer noch sein Vize Kogler nur entfernt eine Ahnung oder gar einen politischen Willen dazu haben", so Schnedlitz und forderte Neuwahlen.