Flüchtlinge

12 weitere Männer vor Ausweisung

29.07.2013

Zum Flughafen gebracht - Asylwerber fiel in Ohnmacht.

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© TZ ÖSTERREICH/Kernmayer
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Acht Monate haben sie für ein Leben in Österreich gekämpft. Sie haben im Winter in der eiskalten Wiener Votivkirche übernachtet, sind in Hungerstreik getreten und jetzt das: Gestern wurden acht der 47 Flüchtlinge aus dem Servitenkloster zum Wiener Flughafen gebracht. Das Ziel: Sie sollen wieder ins brandgefährliche Pakistan abgeschoben werden (siehe Story). Die Proteste dagegen waren gewaltig.

Die Demonstranten blockierten Kaserne
Schon in der Nacht auf Montag blockierten Dutzende Demonstranten die Ausgänge der Rossauer Kaserne, wo die Asylwerber nach ihrer Festnahme Sonntagfrüh untergebracht worden waren. Um kurz nach acht Uhr griff dann die Polizei ein. Einige Personen seien wegen der Blockade „ortsverändert worden“, eine Sprecherin des Refugee Camp Vienna spricht gegenüber ÖSTERREICH von „Gedränge, Geschubse und roher Gewalt“.

Flüchtling: „Ich kann morgen der Nächste sein“
Im Inneren kämpft zur selben Zeit Anwalt Lennart Binder um seine Mandanten. „Es ging ihnen sehr schlecht. Sie hatten große Angst und einer der Männer ist während unseres Gesprächs sogar ohnmächtig geworden.“

Am Schluss war den Männern nicht mehr zu helfen. Die Flüchtlinge wurden gegen 8.30 Uhr zum Flughafen Schwechat gefahren, von wo sie weiter nach Pakistan gebracht werden sollen.

Während Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) die Vorgänge rechtfertigt (siehe Interview), herrscht im Servitenkloster Hoffnungslosigkeit. Zwölf weitere Männer sind laut Caritas akut von einer nächsten Abschiebungswelle bedroht. Einer der Asylwerber erklärt völlig aufgelöst: „Ich kann morgen schon der Nächste sein.“

1.800 Asyl-Anträge pro Jahr
Asyl. Abschiebungen von Österreich nach Pakistan sind eher selten: 2012 wurden drei Personen gegen ihren Willen zurückgebracht. 43 reisten freiwillig aus. Im ersten Halbjahr 2013 waren es bisher 16, die nach Pakistan abgeschoben wurden. 49 verließen Österreich freiwillig.

Mikl verteidigt Abschiebung

"Menschlich ist das keine leichte Sache"

ÖSTERREICH: Warum wurden diese acht Asylwerber gerade jetzt abgeschoben?
Johanna Mikl-Leitner: Jede Außerlandesbringung bedarf der Zustimmung des Herkunftslandes. Pakistan hat am Freitagnachmittag nach monatelangen Gesprächen Heimreisezertifikate ausgestellt. Es hat auch in den letzten Monaten Außerlandesbringungen und freiwillige Rückreisen gegeben.

ÖSTERREICH: War das eine Wahlkampf-Aktion?
Mikl-Leitner: Nein. Wir wissen natürlich, dass sowohl die linke als auch die rechte Seite versuchen, dieses sensible Thema zu nutzen, um sich zu profilieren. Ich appelliere an alle, die Entscheidung eines unabhängigen Gerichts – konkret des Asylgerichtshofes– zu akzeptieren.

ÖSTERREICH: Jetzt bekommen Sie Applaus von der FPÖ.
Mikl-Leitner: Mir geht es nicht um Applaus. Meine Aufgabe ist es, rechtsstaatlich zu handeln – und das tue ich. Sie können mir glauben: Menschlich ist das keine leichte Sache. Mir geht jedes Schicksal zu Herzen.

ÖSTERREICH: Halten Sie Pakistan für sicher?
Mikl-Leitner: In jedem einzelnen Fall wird sowohl vom Bundesasylamt als auch vom Asylgerichtshof geprüft, ob eine Gefährdung des Betroffenen vorliegt. Und alle Instanzen haben entschieden, dass keine Gefährdung der Personen vorliegt.

Interview: G. Schröder

Grünen-Abgeordnete Alev Korun:

„Die Abschiebungen sind politisches Kalkül“

ÖSTERREICH: Monatelang haben die Asylwerber auf einen Bescheid gewartet, jetzt ging die Abschiebung innerhalb weniger Stunden.
Alev Korun: Es passiert mitten in der Urlaubszeit. Viele Österreicher sind im Urlaub. Selbst Kardinal Schönborn, der Schutzherr der Asylwerber, war nicht in Wien. Und mit der Nähe zur Nationalratswahl muss man schon von einem politischen Kalkül ausgehen.

ÖSTERREICH: Das Innenministerium erklärte, eine Abschiebung nach Pakistan sei ungefährlich.
Korun: Das ist doch bloß eine Beschwichtigung. Selbst das Außenministerium schreibt ja von terroristischen Anschlägen, die im ganzen Land vorkommen können. Und die nun abgeschobenen Asylwerber haben auch noch mehrfach in der Öffentlichkeit gesagt, dass sie sich in Pakistan verfolgt fühlen. So etwas hört keine Behörde gern.

Blutige Anschläge auf Taliban-Kritiker

Asylanten droht Malala-Schicksal

Ein Land in der Hand der Taliban: Allein im Vorjahr wurden 306 Menschen von Bombenanschlägen in Pakistan in den Tod gerissen. Allein in diesem Monat starben wieder 160 Menschen.

Auch das österreichische Außenministerium warnt auf seiner Homepage vor der „hohen Terrorgefahr“ und möglichen „Sprengstoffanschlägen“ und rät von Reisen dringend ab. Selbst friedliche Demonstrationen könnten binnen Minuten zu blutigen Straßenschlachten werden, Gotteslästerung oder Drogendelikte werden mit dem Tod geahndet. Und: Wer sich gegen die Al-Kaida und die Taliban äußert, lebt gefährlich. Ihr berühmtestes Opfer: Malala Yousafzai.

Abgeschobene Flüchtlinge vor Ort extrem bedroht
Immer wieder hatte sich die heute 16-Jährige in den letzten Jahren für die Schulbildung für Mädchen eingesetzt. Die Folge: Um das Mädchen zum Schweigen zu bringen, schossen ihr Taliban-Kämpfer im Oktober 2012 in den Kopf. Fast wäre das Mädchen an den Verletzungen gestorben. Erst vor zwei Wochen hatte ein Terrorist erklärt: „Malala hat versucht, die Taliban schlechtzumachen. Deshalb sollte sie sterben.“

Fix ist: Auch die nun abgeschobenen Flüchtlinge aus Österreich haben mehrfach öffentlich die Regierung in Islamabad harsch kritisiert. „Das Innenministerium kann für ihre Sicherheit vor Ort nicht garantieren“, ist Martin Gantner von der Caritas Wien überzeugt. Auch das Außenamt warnt: „Mordaktionen gegen missliebige Personen kommen in Pakistan immer wieder vor.“ Selbst auf offener Straße.

 

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