Tausende Ordinationen blieben am Montag beim Ärztestreik geschlossen. In den Ambulatorien hingegen mussten Patienten bis zu 4 Stunden warten.
Ab halb zehn Uhr früh herrschten am Montag im schicken Veranstaltungssaal des Studio 44 in Wien trotz kühler Temperaturen dicke Luft und aufgeheizte Stimmung. Hunderte Ärzte hatten sich zum Symposium unter dem Titel „Gesundheitsreform – Sinn – Wahnsinn“ getroffen. In seiner Hauptrede donnerte Ärztekammer-Präsident Walter Dorner erneut gegen die Gesundheitsreform der Regierung.
„Wenn wir künftig rein nach Wirtschaftlichkeit bewertet werden, müssen wir wohl Alte und Kranke abweisen“, ärgert sich etwa Ärztin Christa Forstinger aus dem 9. Wiener Bezirk. „Mit diesen Plänen wird doch nichts eingespart, das ist Husch-Pfusch“, gibt ihr eine Kollegin recht. Während die Ärzte auf Dutzenden Versammlungen dieser Art im ganzen Land erneut Stimmung machten, blieben ihre Ordinationen gestern zu. Von den mehr als 15.000 Ordinationen landesweit machten fast alle mit.
Manche Ärzte wie Wolfgang Molnar aus Wien hielten geöffnet, weil sie den Protest „nicht auf dem Rücken der Patienten“ austragen wollten. An einen reibungslosen Ablauf von Arztbesuchen war gestern für die Patienten tatsächlich nicht zu denken. In Oberösterreich etwa haben sich laut Ärztekammer „über 95 Prozent“ der rund 1.100 Kassenärzte der Aktion angeschlossen, sie wurden teilweise durch die Kammer unter Druck gesetzt.
Doppelt so viele Fälle
So kam es auch in Oberösterreich zu
einem Ansturm auf die Ambulanzen. In der Landesfrauen- und Kinderklinik Linz
und im LKH Gmunden gab es regen Betrieb. Auch in Wien hatte der Streik teils
erhebliche Auswirkungen.
„Wir haben heute 100 Prozent mehr Patienten als sonst. Die meisten davon haben nur banale Erkrankungen“, schildert Dieter Koller, leitender Oberarzt der Kinderklinik-Ambulanz am AKH Wien. „Wir waren vorbereitet und haben unser Team verdoppelt. Aber es kommt zu längeren Wartezeiten – bis zu drei Stunden, auch bei chronisch Kranken oder Alten.“
Verständnis
So wie bei Familie Fürnsinn. Opa Roman Fürnsinn
und Mama Michaela warteten mit der kranken Tochter Nicola beim
ÖSTERREICH-Lokalaugenschein schon seit drei Stunden auf ihre
Behandlungsergebnisse. „Es werden wohl vier Stunden werden“, seufzte Mutter
Michaela. „Ich habe aber Verständnis für den Protest. Und das Spital hat
heute ja auch mehr Personal“, fügte Roman Fürnsinn hinzu.
„Kann Stunden dauern“
Licht und Schatten gab es laut
Betroffenen bei der Nothotline 141, über die die Patienten gestern
Informationen über eine ärztliche Versorgung erhielten. Die Auskunft am
anderen Ende war kompetent und freundlich. Allerdings: Von der Hotline wurde
man entweder wieder in ein Spital weitergeschickt oder auf die Möglichkeit
eines Hausbesuches durch einen Arzt hingewiesen. Bei beiden Möglichkeiten
folgte prompt die Warnung: „Das kann aber Stunden dauern.“
Bis 10. Juli soll das Gesetz fertig sein, neue Streiks drohen.
Die
umstrittene Gesundheitsreform liegt in der Zielgeraden. Für
Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky (ÖVP) ist „ab sofort das Parlament am
Zug“.
- Am Dienstag verhandeln ab 9 Uhr 27 Abgeordnete im Sozialausschuss die Gesundheitsreform im Parlament. Das Thema soll aber heute sofort wieder vertagt werden.
- Nächsten Dienstag, den 24. Juni, folgt ein öffentliches Hearing mit Abgeordneten und Experten.
- Am Dienstag, dem 1. Juli, fällt die endgültige Entscheidung im Sozialausschuss.
- Von 8. bis 10. Juli wird das Gesetz beschlossen.
- Ändert sich nichts, wird wieder gestreikt. Nächster Termin: 26. u. 27. Juni. Danach könnten wieder von 7. bis 9. Juli die Ordinationen zu bleiben