Schicksale
25.000 Flüchtlinge auf dem Weg zu uns
20.09.2015
Nickelsdorf: Mehr als 10.000 neue Migranten.
Der Flüchtlingszustrom spitzte sich am Wochenende zu. Binnen zwei Tagen erreichten über 20.000 Hilfesuchende Österreich und stellten die erschöpften Helfer vor eine neue Herausforderung: Wegen der Grenzkontrollen in Deutschland war eine Weiterreise nicht mehr leicht möglich und die Aufteilung der Flüchtlinge auf Quartiere ging nur schleppend voran. Die Übersicht:
VIDEO: Einen Tag mit den Flüchtlingen
Hotspot 1: Ansturm auf Nickelsdorf - A4 gesperrt
In Nickelsdorf warteten Sonntagnachmittag 8.500 Flüchtlinge. Beim Lokalaugenschein wurden sie von Polizisten streng bewacht, nur Einzelne durften aus der Halle zu den Taxis. Für eine Fahrt nach Wien wurden bis zu 400 Euro verlangt. Tausenden Flüchtlingen fehlt aber das Geld, sie sind auf organisierte Transfers angewiesen.
Sperre. Weitere Sonderzüge aus Ungarn wurden erwartet, am Nachmittag wurde die A4 bei Nickelsdorf gesperrt. Über den Tag verteilt kamen mehr als 10.000 neue Migranten hier an – zu viel für den kleinen Grenzort. „Das Problem sind nicht fehlende Busse, sondern dass wir nur wenige Hundert Schlafplätze hier haben“, sagt Gerald Pangl vom Landespolizeikommando Burgenland. Nachmittags fuhren ein Sonderzug mit 400 Flüchtlingen und Busse nach Wien. Aus dem Innenministerium hieß es zu ÖSTERREICH: „Für Sonntag haben wir genug Quartiere für alle Flüchtlinge, die Kapazitäten sind noch ausreichend. Wir können nur von Tag zu Tag arbeiten, am Montag gibt es eine neue Lagebesprechung.“
Hotspot 2: Spielfeld - Hunderte saßen fest
Eine Tragödie spielte sich in der Nacht auf Sonntag an der steirisch-slowenischen Grenze bei Spielfeld ab: Hunderte Menschen, darunter Mütter mit Kindern, wurden an der Grenze nicht nach Österreich gelassen. Sie übernachteten bei widrigen Bedingungen im „Niemandsland“ zwischen Slowenien und Österreich. „Please open the border“, riefen sie – Sonntag um 11 Uhr kamen sie schließlich jubelnd durch.
Karte: Der Weg nach Österreich
Hotspot 3: Ungarische Grenze teilweise geöffnet
Der Zustrom dürfte weiter anhalten, denn Ungarn öffnete Sonntag völlig überraschend den Grenzübergang „Horgos 1“. Zudem gab Kroatien jetzt bekannt, dass seit den letzten Tagen etwa 25.000 Flüchtlinge im Land unterwegs sind. Fast alle werden mit ein paar Tagen Verzögerung Österreich erreichen – und ins Zielland Deutschland weiter wollen.
Schicksale: "Unsere Flucht war die Hölle"
Seit 4. September kamen 100.000 Flüchtlinge nach Österreich, alleine dieses Wochenende waren es rund 20.000. Eine unglaubliche Zahl, hinter der unzählige tragische Einzelschicksale stehen:
■ Schauplatz 1: Nickelsdorf. Ahmed (22) sitzt auf einem Stein, müde, einsam, verzweifelt: „Die Flucht war bisher die Hölle. Schlepper in Griechenland haben mich vom Boot gestoßen, weil nicht genug Platz war – obwohl ich 2.300 Euro bezahlte.“ Schrecklich: Keiner wollte ihn verarzten: „Sie sagten zu mir, weil ich aus Syrien komme.“
■ Schauplatz 2, Graz: Mit sechs Familienmitgliedern ist Marwa (20) in Damaskus aufgebrochen, um nach Deutschland zu gelangen. Mit einem Boot wären sie nahe der Türkei fast ertrunken, in Röszke erwartete sie Tränengas: „Ich kann noch lachen, da ich durch die Hölle ging und nun im Paradies bin“, so Marwa.