Es ist der Coup des Jahres: Ein hoher Beamter soll 60 Millionen Euro vom Ministerium gestohlen haben, um einer Firma in finanziellen Nöten zu helfen. Der Staatsanwalt ermittelt.
Ein paar Knopfdrucke und 60 Millionen Euro waren vom Finanzministerium abgezweigt. Wolfgang W., ein Top-Beamter, soll an Privatpersonen 16 Millionen Euro Cash überwiesen haben – das Geld hätte beim Arbeitsmarktservice (AMS) landen sollen. Das berichtet das Nachrichtenmagazin profil.
Die Millionen flossen weiter im großen Stil: Zusätzlich soll W. einem Erwachsenenbildungsinstitut Schuldscheine der Republik im Wert von 43 Millionen Euro ausgestellt haben. Für W. gilt die Unschuldsvermutung.
Wolfgang W. ist TopBeamter der Bundesbuchhaltungsagentur und damit einer der höchsten Vermögensverwalter des Landes. Der mutmaßliche Täter ist Bereichsleiter für den Bereich IV und damit zuständig für die Millionen, die dem Arbeitsmarktservice (AMS) zufließen – diese Gelder soll er 2008 angezapft haben.
Gestanden
Der Spitzenbeamte W. wurde von mehreren Behörden intensiv
verhört, so Finanzministeriumssprecher Harald Waiglein: „Uns hat er die 16
Millionen Euro gestanden, die er illegal ausbezahlt hat. Der
Staatsanwaltschaft hat er eine weitaus höhere Summe gestanden.“ W. dürfte
also bereits die gesamte fehlende Summe von 60 Millionen Euro zugegeben
haben. Er wurde suspendiert.
Nutznießer der Überweisungen war wahrscheinlich immer die Wiener Firma Venetia – das Schulungsinstitut steht vor dem Konkurs. Eine jahrelange Bekanntschaft soll den Verdächtigen und Kurt Datzer, Geschäftsführer des Lern-Instituts, verbinden. Denn die Schulungsfirma hielt lange für das AMS Kurse ab und W. war nicht nur in seiner aktuellen Position, sondern schon in seinem letzten Job im Sozialministerium zuständig für AMS-Gelder gewesen. Der Verdacht liegt nahe, dass der Beamte dem privaten Bildungsinstitut finanziell helfen wollte. Kurt Datzer versuchte wahrscheinlich die Schuldscheine an Banken zu verkaufen.
Die Sicherheitslücke
Der verdächtige Beamte hatte leichtes
Spiel, denn trotz ausgefeilten Sicherheitssystemen konnte man relativ
unbehelligt die Staatsgelder abzweigen. Um eine Überweisung per Telebanking
durchführen zu können, müssen Sicherheitscodes von zwei Beamten eingegeben
werden. Der Täter hat vermutlich den Code seines Kollegen gestohlen, um die
Transaktionen durchzuführen. Im Ministerium erkannte man zwar die Gefahr von
Computer-Überweisungen, man rückte dennoch nicht von dieser Praxis ab, so
Harald Waiglein: „Das geht nicht, weil Ministerien kurzfristig am selben Tag
Gutschriften brauchen, sonst kämen sie in Liquiditätsprobleme. Wir könnten
jetzt darüber streiten, ob das eine Sicherheitslücke ist.“
Misstrauische Banken
Aufgeflogen ist der Skandal nicht etwa, weil
dem Ministerium das Geld fehlte. Einigen Banken erschien es verdächtig, dass
der Chef des Lerninstituts mit Schuldscheinen in Millionenhöhe in die
Filialen kam. Die Banken fragten bei AMS-Chef Herbert Buchinger nach. Der
Deal platzte.
Mittlerweile sind beide Verdächtigen – der Beamte und der Chef des Lerninstituts – verhaftet.