Gedenken
70 Jahre Anschluss - Lichtermeer am Heldenplatz
12.03.2008
Rund 80.000 Kerzen erinnerten an die Opfer des NS-Regimes. Auch zahlreiche Politiker waren anwesend.
Mit einer Nacht des Schweigens haben zumeist Jugendliche am Wiener Heldenplatz des 70. Jahrestages des "Anschlusses" gedacht. Rund 80.000 Kerzen sollten an die ebenso vielen Opfer des NS-Regimes erinnern. Anwesend waren neben Vertretern der Jugendorganisationen auch Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (S), Vizekanzler Wilhelm Molterer (V) und mehrere Minister.
Beifall für Vranitzky
Am meisten Beifall erhielt
Ex-Bundeskanzler Franz Vranitzky (S). Er erinnerte an einen jüdischen
Freund, der viele Jahre, nachdem Adolf Hitler auf dem Heldenplatz zu den
Menschenmassen gesprochen hatte, denselben Balkon der Hofburg betrat.
Vranitzky bezeichnete dies als eine Art Sieg gegen das NS-Regime und sagte
zu den Anwesenden: "Alle, die hier hergekommen sind, haben den Verbrecher
Adolf Hitler besiegt. Wir müssen ihn immer wieder besiegen und das werden
wir tun." Der Altkanzler sagte außerdem, dass es keine Wiedergutmachung für
die Verbrechen gebe. "es wäre unverschämt und schändlich, so etwas zu
behaupten."
Indirekte Kritik an Otto Habsburg
Vor Vranitzky hatte der Wiener
Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny das Wort: "1938 ist nicht einfach
passiert", mahnte er. Der Anschluss sei nicht nur ein äußerer gewesen, ein
innerer sei in Österreich vorangegangen. Ohne auf ihn direkt einzugehen,
kritisierte Mailath-Pokorny die Worte Otto Habsburgs, der am Montag bei
einer Gedenkveranstaltung der ÖVP nachträglich für Wirbel gesorgt hatte. Wer
davon spreche, so der Wiener Kulturstadtrat, dass Österreich das erste Opfer
des Nazi-Regimes gewesen sei, vergesse, dass bereits vorher eine Diktatur
geherrscht habe.
Seniorenratspräsident und Ex-Nationalratspräsident Andreas Khol (V) erinnerte direkt nach Mailath-Pokornys Rede: "Die Hunderttausenden, die hier standen, sind nur eine Seite der Wahrheit." Man müsse die ganze Wahrheit betrachten - "der Opfer und der Täter". Als weitere Rednerin trat Zeithistorikerin Erika Weinzierl auf. Sie versuchte anhand von Einzelbeispielen den zahlreichen Jugendlichen am Heldenplatz die Verbrechen der Nazi-Diktatur anschaulich zu machen. "Ich glaube, dass mehr Österreicher gewusst haben, was mit den jüdischen Freunden geschehen ist", sagte sie.
Opfernamen im Zwei-Sekunden-Takt auf Leinwand projeziert
Vor den
Reden hatten acht Cellisten der Wiener Symphoniker für die musikalische
Untermalung der Gedenkveranstaltung gesorgt. Nach dem offiziellen Teil
kehrte Stille ein. Im Zwei-Sekunden-Takt sollen noch bis 6.00 Uhr früh alle
namentlich bekannten Opfer der Nationalsozialisten auf die Leinwand
projiziert werden.
Angaben über die Anzahl der Besucher am Heldenplatz gab es von den Veranstaltern keine.