Damit scheiterte es nur ganz knapp an der 900.000-Marke. Frauen blieben unter Erwartungen. ORF-Begehren als Überraschungserfolg.
Nicht ganz 900.000 Unterstützer - nämlich 881.569 - hat das von Ärztekammer und Krebshilfe initiierte Don't smoke-Volksbegehren gefunden. Mit 13,8 Prozent kam es auf Platz 7 in der Liste der nunmehr 42 Volksbegehren seit 1964. Das Frauenvolksbegehren und das von der "Christlichen Partei Österreichs" (CPÖ) initiierte Volksbegehren auf Abschaffung der ORF-Gebühren schafften es nicht in die Top Ten.
Aber sie kamen klar über die Hürde von 100.000 Unterschriften, die für die Behandlung im Parlament notwendig sind. Das Frauenvolksbegehren wurde von 481.906 bzw. 7,6 Prozent der Stimmberechtigten unterschrieben. Das bedeutet (nach dem Stimmenanteil in Prozent gereiht) Platz 15 - und ist damit weit weniger erfolgreich als das erste Frauenvolksbegehren. Das landete 1997 mit 11,2 Prozent bzw. 644.665 Unterschriften unter den zehn erfolgreichsten Initiativen.
"ORF ohne Zwangsgebühren" schnitt - auch dank der "Hilfe" durch das gleichzeitig zur Unterzeichnung aufgelegene Rauchverbots-Begehren - besser ab als sich die Initiatoren erwartet hätten. Nach 69.100 Unterstützungserklärungen für die Einleitung kam man letztlich auf 320.239 Unterschriften bzw. 5,0 Prozent. Das bedeutet Rang 21.
Erfolg für "Don't smoke"
Das Nichtraucherschutz-Volksbegehren "Don't smoke" kratzte an der 900.000er-Grenze. Es ist das sechst erfolgreichste Volksbegehren bisher. "Die Politik wird nun umdenken müssen", sagte Krebshilfepräsident Paul Sevelda bei einer Pressekonferenz in Wien.
Kernforderung des Volksbegehrens ist ein Rauchverbot in der Gastronomie. Dieses wurde von der damaligen Regierung für Mai 2018 bereits beschlossen, allerdings von Türkis-Blau wieder aufgehoben. Initiiert wurde es von der Wiener Ärztekammer und der Österreichischen Krebshilfe.
Ziel von 900.000 "faktisch erreicht"
Das Ziel von 900.000 Unterstützern sei "faktisch erreicht worden". Falls sich die Politik aber nun auf die fehlenden 20.000 Stimmen berufen würde, so wäre dies "Haarspalterei", sagte der Wiener Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres. 900.000 Unterschriften wurden von Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) als Zahl für künftige verbindliche Volksabstimmung vorgegeben worden.
Ärztekammer und Krebshilfe forderten die Bundesregierung auf, das gekippte Nichtraucherschutzgesetz rasch wieder einzuführen: "Rauchverbote in der Gastronomie sind im modernen Europa von heute 'State of the Art'. Die Regierung muss endlich auf die Gesundheit ihrer Bürgerinnen und Bürger achten und ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie einführen." Alles andere wäre aus Sicht der beiden Initiatoren "medizinisch grob fahrlässig".
Die Arbeit von "Don't smoke" würde nun auch fortgesetzt werden. "Bis ein Umdenken in der Politik stattfindet", sagte Szekeres.
Riesen-Andrang in Wien und Graz
Der Endstand kurz vor 20.00 Uhr im Bundesländer-Ranking: Wien ist klarer Sieger mit 16,8 Prozent, dicht gefolgt von der Steiermark (15 Prozent) und Oberösterreich (13,9 Prozent). Das Mittelfeld wird von Niederösterreich (13 Prozent) angeführt, vor dem Burgenland und Kärnten (beide 12,2 Prozent). Auf den hinteren Rängen folgen dann die westlichen Bundesländer Salzburg (11,9 Prozent), Vorarlberg (11,7 Prozent) und Tirol (11,5 Prozent).
Bei den Landeshauptstädten exklusive Wien ist Graz mit 21,8 Prozent einsamer Spitzenreiter, gefolgt von Eisenstadt (16,4 Prozent) und Innsbruck (16,1 Prozent). Das Mittelfeld besteht hier aus Klagenfurt (15,8 Prozent) und Linz (15,7 Prozent), gefolgt von Salzburg (13,9 Prozent) und St. Pölten (13,8 Prozent). Schlusslicht ist Bregenz mit 11,3 Prozent.
"Gerade Vizekanzler Strache, der nun wieder Vater wird, sollte besonders um das Wohlergehen der künftigen Generationen bemüht sein. Wir appellieren daher an ihn, auch im Sinne seiner eigenen Kinder ein gesünderes Morgen in der Gastronomie zu schaffen", so die Initiatoren.
481.906: Frauen blieben unter den Erwartungen, aber "starkes Signal"
481.906 Österreicher und Österreicherinnen haben das Frauenvolksbegehren unterzeichnet, gab das Innenministerium bekannt. Das sind 7,6 Prozent der Stimmberechtigten. Mit den knapp 500.000 Unterschriften für das Frauenvolksbegehren haben sich die Initiatorinnen am Montagabend zufrieden gezeigt. Schifteh Hashemi, Sprecherin und Obfrau des Vereins, sprach in einer Pressekonferenz zwei Stunden vor Ende der Eintragungsfrist von einem "unglaublich starken Signal" und einem "klaren Auftrag an die Regierung", die Stimmen und die Anliegen ernst zu nehmen.
Projektleiterin Lena Jäger betonte, es sei eine große, österreichweite Bewegung entstanden, die nicht länger übersehen werden könne. Hashemi meinte, die Menschen seien durch das Volksbegehren repolitisiert worden, das sei ein Zeichen der direkten Demokratie. Auch der Bevollmächtigte des Volksbegehrens, Christian Berger, sagte, es sei eine breite Bewegung quer durch alle politischen Lager entstanden, die auch von vielen Männern unterstützt werde. Man habe ein "politisches Feuer entfacht".
Breite Diskussion
Dass man das Ziel - die knapp 650.000 Unterschriften des ersten Frauenvolksbegehrens von 1997 - nicht erreicht habe, spielten die Initiatorinnen herunter. Viel wichtiger als die Zahl seien die hunderttausenden Gespräche, die man für das Volksbegehren mit den Menschen geführt habe. Von den Forderungen des ersten Volksbegehrens seien nur eineinhalb umgesetzt worden. Jetzt habe man zwar weniger Unterschriften, aber die Forderungen würden breit diskutiert, meinte Hashemi. Jäger sagte, sie selbst habe vor einem Jahr 250.000 Unterstützer erwartet, als diese Zahl aber dann schon mit der Einleitung des Volksbegehrens fast erreicht war, habe man das Ziel nach oben schrauben müssen. Die genannten 650.000 seien dann eine "pragmatisch gewählte Zahl" gewesen.
Dass die Forderungen vielleicht zu radikal seien, wie etwa jene nach der 30-Stunden-Woche, wiesen die Initiatorinnen zurück. Hashemi meinte, dass die 30-Stunden-Woche nicht so visionär sei. In einigen Ländern sei man schon dabei, diese in die Realität umzusetzen. Jäger ergänzte, dass das Volksbegehren für die 40-Stunden-Woche 1969 eines der erfolgreichsten überhaupt gewesen sei.
Wien-Ergebnis blieb unter Erwartungen
Das Frauenvolksbegehren habe zwar in den Bundesländern hervorragende Ergebnisse gebracht, man sei "bis in den letzten Winkel Österreichs vorgedrungen", erklärte Berger. Unter den Erwartungen sei man allerdings in Wien geblieben. Finanziert habe man sich vorwiegend über Crowdfunding, 80 Prozent der Mittel seien von Kleinspendern gekommen.
Wie es nun weitergeht, wissen die Initiatorinnen noch nicht. Fest stehe aber schon, dass der Verein aufgelöst werde, teilte Hashemi mit. Das sei in den Statuten verankert. Man werde nun aber Gespräche mit allen Sprecherinnen in allen Bundesländern über die Zukunft führen.
ORF-Begehren als Überraschungserfolg
Mit 320.239 Unterschriften hat es die Christliche Partei Österreichs (CPÖ) mit ihrem ORF-Volksbegehren ins Parlament geschafft. Durchaus ein Achtungserfolg, auch wenn das Begehren gegen die ORF-Gebühren wohl ordentlich vom Run auf die "Don't Smoke"-Initiative profitiert hat. Der Nationalrat wird sich somit zum dritten Mal in der Zweiten Republik mit einem ORF-Volksbegehren beschäftigen.
Legendär ist das Rundfunkvolksbegehren aus dem Jahr 1964: Nicht nur, weil es mit 832.353 Unterzeichnern rund 17 Prozent der Wahlberechtigten zur Unterschrift bewegte, sondern auch, weil es tatsächlich politisch etwas bewegte. Initiiert von Hugo Portisch, trat eine breite Medienallianz aus 52 Zeitungen und Zeitschriften gegen den unbedingten Zugriff der Politik auf den ORF auf. Resultat war die Rundfunkreform 1967, Gerd Bacher wurde Generalintendant und leitete eine umfassende Erneuerung des ORF ein. 1974 freilich änderte Bruno Kreiskys SPÖ mit absoluter Mehrheit das Rundfunkgesetz wieder, was auch dem ersten Teil der Ära Bacher ein Ende bereitete.
Weit weniger Niederschlag hatte das Volksbegehren gegen das ORF-Monopol aus dem Jahr 1989. Es wurde von den Freiheitlichen initiiert und bilanzierte zum Abschluss am 4. Dezember 1989 als das damals schwächste Begehren der Zweiten Republik (109.197 Unterschriften, 1,95 Prozent). Immerhin schaffte man es über die 100.000er-Marke, im Allzeit-Ranking liegt es nun auf Platz 38. Bis zur Abschaffung des ORF-Monopols dauerte es denn auch noch eine Weile, die österreichischen Privatradios feierten heuer 20 Jahre auf Sendung.
Zwei Anläufe
Die CPÖ startete 2017 mit Sammeln von Unterstützungserklärungen für ihr Volksbegehren "ORF ohne Zwangsgebühren", brauchten aber zwei Anläufe. Vor einem Jahr nämlich wies das Innenministerium das Unterfangen ab, aus "rechtlichen Gründen", hieß es damals. Im März 2018 ging man erneut auf Unterschriftenjagd, und diesmal klappte es mit der Eintragungswoche. Und mit 5,02 Prozent landete die Initiative im Mittelfeld der bisher 42 Volksbegehren, nämlich auf Platz 21.
Zentrale Forderungen sind eine ersatzlose Abschaffung aller Gebühren, die von der GIS eingehoben werden - also sowohl das Programmentgelt als auch die Mittel fürs Bundesbudget und die Landesabgaben. Zugleich solle die "parteipolitische Einflussnahme auf die Organe des ORF beseitigt" werden. Von der FPÖ gab es dafür Unterstützung in Form von Unterzeichnungs-Aufrufen via Facebook. Schließlich wettern auch die Freiheitlichen gerne gegen die "Zwangsgebühren" - abzuwarten bleibt, wie sich diese Position in der von der Bundesregierung geplanten ORF-Reform niederschlagen wird.
ÖVP gratuliert zu "starken Ergebnissen"
Die ÖVP hat am Montagabend allen drei Volksbegehren "zu den starken Ergebnissen" gratuliert. "Auch wenn die Ziele vereinzelt knapp verfehlt wurden, ist das ein starkes Zeichen für die Demokratie", sagte Generalsekretär Karl Nehammer in einer Stellungnahme gegenüber der APA.
Das bestärke die Regierung in ihrem Vorhaben, ab 2022 die direkte Demokratie weiter zu stärken, spielte auch Nehammer auf das Regierungsprogramm an, wo festgehalten ist, dass Volksbegehren ab 900.000 Unterschriften einer Volksabstimmung unterzogen werden sollen.
FPÖ sieht Wunsch nach direkter Demokratie bestätigt
Für FPÖ-Klubobmann Walter Rosenkranz ist das Ergebnis aller drei Volksbegehren ausgesprochen respektabel, auch wenn über 85 Prozent der Wahlberechtigten das erfolgreichste der drei Begehren nicht unterschrieben haben. "Es zeigt den starken Wunsch der Bevölkerung nach direktdemokratischer Mitbestimmung", sagte Rosenkranz in Stellungnahme gegenüber der APA.
Der FPÖ-Klubobmann verwies auf das Regierungsprogramm, wo festgehalten ist, dass Volksbegehren ab 900.000 Unterschriften ab 2022 einer verpflichtenden Volksabstimmung unterzogen werden müssen. Die FPÖ wäre "auch jederzeit dafür, diesen positiven Schritt bereits früher zu setzen", sagte Rosenkranz.
Er versprach auch, dass alle drei Volksbegehren "sorgfältig und intensiv, wie es die Verfassung vorsieht, im Nationalrat behandelt werden. Nicht nur die medial massiv unterstützte Anti-Raucher-Initiative und das Frauenvolksbegehren, sondern auch das medial verschwiegene ORF-Volksbegehren zur Abschaffung der GIS-Gebühr."