Razzia im Verteilzentrum in Großebersdorf (NÖ) – die Bilanz: Lohndumping und Steuerflucht. Zehn Leihfirmen wurden gepfändet.
Wien/Seattle. Bei Amazon Österreich sind Beamte der Finanzpolizei vorstellig geworden. Mit 63 Mann filzte die Behörde zwei Stunden lang das Verteilzentrum Großebersdorf bei Wien, berichtete "Die Presse" am Dienstagnachmittag online. Im Visier stand nicht der Onlineriese selbst, sondern die Subfirmen, die für Amazon im Großraum Wien die Pakete zustellen. Die Finanzpolizei vermutet "gewerbsmäßige Schwarzarbeit".
Das Finanzministerium bestätigte den Einsatz gegenüber der APA. Sichergestellt worden seien die Fahrerlisten, um die tatsächlichen Dienstzeiten zu überprüfen, sagte ein Sprecher des Finanzministeriums zur APA. Viele der rund 500 Mitarbeiter bei den Paketzusteller-Firmen sind nur geringfügig angemeldet. 174 Dienstnehmer bei 36 Betrieben seien kontrolliert worden, dabei seien 49 Verstöße gegen das Arbeitsrecht festgestellt worden, so der Sprecher - unter anderem gegen das Lohn- und Sozialdumpinggesetz und das Ausländerbeschäftigungsgesetz.
Forderungsverpfändungen & Sicherstellungsauftrag in Höhe von insgesamt 290.000 Euro
Bei zehn Unternehmen habe es Forderungsverpfändungen von in Summe 185.000 Euro gegeben sowie bei einem Unternehmen einen Sicherstellungsauftrag in Höhe von 105.000 Euro, da dieses seit Mai 2019 keine Sozialabgaben mehr entrichtet habe. Die Paketdienstleister-Branche sei allgemein anfällig für Schwarzarbeit, es gebe regelmäßig Überprüfungen, so der Sprecher weiter. Anlass für die Razzia waren zwei Anzeigen von Subfirmen. Gegen Amazon selbst wird nicht ermittelt. Die Hausdurchsuchung dauerte von 10.00 bis 12.00 Uhr, am selben Vormittag war die Tageszeitung "Die Presse" im Verteilzentrum zu einer Werksführung eingeladen.
Standort-Leiter Peter Klein gab der Zeitung Einblick in die Feinheiten der Lagerhalle und des Amazon-eigenen Logistiksystems. "Er zeigt, wie die vielen weißen Lieferwagen der Partnerfirmen in präzise geplanten Wellen aufs Gelände gelassen werden, damit sie sich ihren Teil der 50.000 Pakete abholen, die von Amazon jeden Tag in Wien ausgeliefert werden - da klopfen plötzlich 63 Mann der Finanzpolizei an der Türe. Ein paar hektische Minuten später steht das perfekt aufeinander abgestimmte Räderwerk still", schreibt die Zeitung über den ereignisreichen Tag im Amazon-Lager. Viele der 10.000 Pakete dürften heute deshalb verspätet ankommen.
© oe24
×
Das Amazon-Management vor Ort habe sich betont kooperativ und freundlich gezeigt, schreibt die "Presse". In einem der APA übermittelten Statement erklärte sich der Versandhändler bereit, mit den Behörden zusammenzuarbeiten: "Unsere Partner sind verpflichtet, sich an die geltenden Gesetze und den Verhaltenskodex für Amazon-Lieferanten zu halten. Amazon setzt sich insbesondere dafür ein, dass unsere Lieferpartner ihre Mitarbeiter im Einklang mit geltendem Recht beschäftigen. Wir ergreifen unverzüglich Maßnahmen gegen Partner, die diese Erwartungen nicht erfüllen."
Amazon hatte das Verteilzentrum in Großebersdorf im Norden von Wien im Februar 2019 eröffnet. 70 Mitarbeiter beschäftigt Amazon dort. Dazu kommen je nach Auftragslage bis zu 150 Mitarbeiter. Im April 2020 plant Amazon, ein weiteres Paketlager im Süden Wiens zu eröffnen.
Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) freute sich über die Ermittlungsarbeit seiner Beamten: "Diese Kontrollen sind wichtig, weil sie einen Beitrag für mehr Steuergerechtigkeit leisten. Lohn- und Sozialdumping ist kein Kavaliersdelikt, sondern schädigt unseren Wirtschaftsstandort. Die Finanzpolizei leistet hier wichtige Arbeit, auch im Interesse der vielen Unternehmerinnen und Unternehmer, die sich selbstverständlich an alle Regeln halten."