"Mehrwertsteuer runter" sollte Kulturschaffenden helfen. Freuen können sich aber Branchenriesen.
Riesenaufregung in der Koalition am Vorabend der Regierungsklausur: Die grüne Staatssekretärin Andrea Mayer hat mit ihrer "Mehrwertsteuersenkung für Kultur" haarsträubende Fehler begangen: Sie verschenkt in Wahrheit über 100 Millionen Euro an marktbeherrschende Monopolisten wie Mediaprint, Amazon oder Eventim/Ö-Ticket.
"Unfassbarer Fehler"
"Ein unfassbarer Fehler, der nicht passieren darf", hört man von türkisen Regierungsmitgliedern zum Plan der grünen Staatssekretärin, dem gesamten Kulturbereich von Veranstaltern über Bücher bis zu Zeitungen, die Mehrwertsteuer auf 5 Prozent zu senken.
Die politisch völlig unerfahrene Staatssekretärin hat bei ihrer ersten Amtshandlung einen kapitalen Denkfehler begangen. Die Mehrwertsteuersenkung kommt im Kulturbereich nicht den kleinen Künstlern zugute, sondern nur den großen marktbeherrschenden Konzernen:
- Hauptprofiteur ist der amerikanische Ticketmonopolist Eventim, der über seine im 100-%-Eigentum stehende österreichische Filiale Ö-Ticket sagenhafte 24 Millionen Euro (!) Steuerersparnis einstreichen würde. Ö-Ticket verkauft zwölf Millionen Tickets im Jahr, macht über 600 Millionen Umsatz und musste bisher 13 % Mehrwertsteuer für alle Tickets zahlen. Die Künstler bekommen fixe Anteile vom Ticketpreis, alle Handling-Gebühren und Steuern bleiben bei Eventim. Fürs 2. Halbjahr 2020 sind das geschätzte 24 Millionen Euro Steuerersparnis für den US-Ticketmonopolisten.
- Noch katastrophaler: Bei der Senkung der Mehrwertsteuer auf Bücher wäre der Hauptprofiteur der Monopolist Amazon. Der Raubritterkonzern aus den USA, der in Österreich keine Ertragssteuern zahlt, aber bisher wenigstens seine Mehrwertsteuer von 10 %entrichtet, darf sich nach Schätzung von Branchenexperten über ein Geschenk von etwa 7,5 Millionen Euro freuen. Nach Expertenschätzung macht Amazon heuer in Österreich erstmals mehr als eine Milliarde Euro Umsatz, davon gut 30 %mit Büchern, Filmen und sonstigen "Kulturangeboten". Die halbe Steuersenkung für ein Halbjahr bringt somit satte 7,5 Millionen.
- Höhepunkt der Absurdität: Weil künftig auch Zeitungen nur mehr die halbe Mehrwertsteuer zahlen sollen, wäre der österreichische Hauptprofiteur der Senkung ausgerechnet die von den Grünen jahrzehntelang bekämpfte Mediaprint. Die Mehrwertsteuersenkung auf Einzelverkauf und Abos bringt der Mediaprint fürs 2. Halbjahr 2020 sagenhafte fünf Millionen Euro.
Davon bekommt die Krone 3,8 Millionen Euro geschenkt. Das bedeutet: Insgesamt würde die - marktbeherrschende -Krone aus Zeitungshilfe, Presseförderung, Fernsehförderung, der bevorstehenden Digitalförderung und dem Mehrwertsteuer-Geschenk heuer mehr als 10 Millionen Euro (!) an Staatshilfe bekommen. Und das von den Grünen
Hektik. In hektischen Gesprächen versucht die ÖVP-Seite in der Regierung seit gestern, die Grünen von ihren Steuergeschenken an Marktmonopolisten noch abzuhalten. Ein ÖVP-Insider: "Das halten wir in der Öffentlichkeit nicht aus -sobald sich das herumspricht, werden wir ja durch Sonne und Mond geschossen."
In der Klausur am Montag soll nun eine Reparatur der MwSt.-Senkung für Kultur - ohne Marktbeherrscher -beschlossen werden, oder sogar der komplette Verzicht darauf.
Basis dafür ist eine Expertenschätzung, wonach bei 150 Millionen Kosten weniger als 20 %, also unter 30 Millionen, bei Künstlern und Kulturschaffenden ankommen, aber mehr als 120 Millionen bei Großunternehmen landen würden.