Über seine Absprache und dann den finalen Streit mit Kurz. Und seinen Schicksalsschlag.
Auf 208 Seiten beschreibt Ex-VP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner seinen Aufstieg und Fall in der Politik – aus seiner persönlichen Sicht heraus. Und: Der Vorgänger von Kanzler Sebastian Kurz widmet seinem Nachfolger erwartungsgemäß ein eigenes Kapitel. Unter dem Titel „Machtübernahme“ findet Mitterlehner harte Worte – „Mobbing“ und „Intrigen“. Er habe Kurz angeboten, bei einer Neuwahl Spitzenkandidat der VP zu sein, dieser hätte ihn als „Sprengmeister“ der Koalition gewollt. Mitterlehner schreibt aber auch über den Abschied von seiner verstorbenen Tochter.
"Das war der endgültige Bruch" mit Kurz
In seinem neuen Buch schildert Ex-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner seine subjektive Sicht auf Regierungsbruch und „Machtübernahme“ durch Sebastian Kurz.
Er habe keinen über seinen Rücktritt informiert …
10. Mai 2017. „Angekommen im Büro, holte ich meinen Pressechef und bat ihn, um 11.30 Uhr und nicht eine Minute früher den Geschäftsführer der Partei anzurufen, um für 12.30 Uhr eine persönliche Pressemitteilung von mir anzukündigen. Nicht früher, sonst würde das ORF-Mittagsjournal, das um zwölf Uhr begann, alles abschießen, aber auch nicht später. Bis dahin hatte außer mir selbst niemand, auch meine Familie nicht, etwas von dem exakten Termin gewusst.“
Über seinen Bruch mit Sebastian Kurz
Absprache. „Kurz hatte das Grand Design im Mai 2016 schon im Kopf, das er dann im Jahr 2017 auch umsetzte. Ich sollte für ihn die Koalition aufkündigen und den Schwarzen Peter nehmen, damit er unbefleckt in Neuwahlen gehen könne. Ich fragte ihn natürlich, wo er meine Rolle in der Zukunft sähe. Das hätte er sich noch nicht überlegt, wich er aus. Ich könne es mir dann aussuchen, Parlamentspräsident oder etwas Ähnliches. Ich verwarf das nicht von vornherein. Nach kurzer Zeit rief ich ihn jedoch an und sagte ihm sinngemäß: ‚Wenn ich den Koalitionsbruch provoziere und es geht schief, hält mich jeder in der Partei für einen Wahnsinnigen. Wenn wir die Wahlen verlieren oder wieder Zweiter werden, die Konstellation also gleich bleibt, oder wir gar nicht mehr in der Regierung sind, genauso. Gewinnst du tatsächlich und ist richtig, was du sagst, dann bleibt über, dass du der Sieger bist, der Mitterlehner aber der Sprengmeister war. Also was soll das für eine Option sein?‘ Kurz sagte, er verstünde das und akzeptiere es. Aber ich sei ab jetzt mit meinen Problemen alleine und müsse die volle Verantwortung tragen. Er würde die Rolle des Außenministers wahrnehmen und sonst nichts. Ich antwortete, das sei auch meine Aufgabe als Vizekanzler und Parteiobmann, aber ich würde mir die entsprechende Unterstützung meiner Minister – auch seine – erwarten. Das war der endgültige Bruch.“
Ex-VP-Chef über "Sprengmeister Sobotka"
Der Eklat. „Eine Stunde später las ich in der APA, dass Innenminister Wolfgang Sobotka von sich gegeben hatte, er würde die Vereinbarung nicht unterschreiben. Ich schrieb Sobotka daraufhin folgende SMS: ‚Wozu musst du den Sprengmeister geben?‘ … Bei der Vorbesprechung waren neben Kurz noch Generalsekretär Werner Amon und die drei Verhandelnden dabei, also Finanzminister Schelling, Harald Mahrer und ich. Bei der Gelegenheit sagte uns Kurz: ‚Ich werde das Regierungs-Relaunch-Programm auch nicht unterschreiben‘ … Das Ende der Geschichte? Der Vorstand begrüßte einstimmig die Verhandlungsergebnisse … Ich dachte, die Runde nachhaltig gewonnen zu haben … Das war eine gravierende Fehleinschätzung … Die Eskalationsspirale wurde weitergedreht, als hätte es den Relaunch des Regierungsprogramms nie gegeben.“
Mitterlehner über den Tod seiner Tochter Martina
Der Abschied. „In der Nacht vom 14. November 2016 starb meine älteste Tochter Martina nach schwerer Krankheit im 39. Lebensjahr im Ordensklinikum der Elisabethinen in Linz. Noch am Tag zuvor war ich in der Pressestunde gewesen und hatte auch sonst mit ihrem Einverständnis politisch so agiert, als wäre alles im normalen Bereich. Das Thema offenzulegen, war für mich keine Option gewesen, wahrscheinlich hätte es sogar Leute gegeben, die gemeint hätten, ich würde die private Situation politisch nutzen wollen. Nur meine Familie, meine Sekretärin, mein Kabinettschef und mein Fahrer wussten von der Krankheit meiner ältesten Tochter. Als Martina starb, bekam ich binnen Stunden Dutzende Kondolenzbriefe. Die Nachricht ihres Todes hatte sich unglaublich schnell in den politischen Zirkeln verbreitet. Dann riefen Journalisten an und wollten, dass ich über meinen Verlust spreche. Ich sagte alles ab.“
Mitterlehners Sicht