75% weniger Funktionäre

Kassenreform: Regierung "feuert" 16 Generaldirektoren

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Die Bundesregierung möchte bis 2023 eine Milliarde Euro einsparen.

Die türkis-blaue Bundesregierung löst ein zentrales Wahlversprechen ein und legt die Gebietskrankenkassen zusammen. Statt 21 soll es künftig nur noch fünf Sozialversicherungsträger geben. Der Hauptverband wird zu einem Dachverband geschrumpft, die Arbeitgeber bekommen mehr Gewicht, Kassenchefs rotieren künftig. ÖVP und FPÖ freuten sich, Arbeitnehmervertreter und die Opposition nicht.
 
Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz Christian Strache (FPÖ) gaben die Fertigstellung ihres Reformvorhabens am Freitag bekannt, Gesetzesentwurf konnten sie noch keinen vorlegen. Er soll aber demnächst in Begutachtung gehen, um die Gesetzwerdung vor Weihnachten abschließen und die Reform mit Jahresbeginn 2019 in Kraft treten lassen zu können.
 

Aus 21 mach 5

Geplant ist, dass dann ein Jahr später von den 21 Sozialversicherungsträgern nur noch fünf übrig sind. Es sind dies die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK), zu der die neun Gebietskrankenkassen fusioniert werden, eine gemeinsame Versicherung für Beamte, Eisenbahn und Bergbau (BVAEB), eine für Unternehmer und Bauern (SVS) sowie die Pensionsversicherung (PV) und die nun doch am Leben bleibende Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA). Die Kosten der Fusion blieben offen, stemmen müssen sie jedenfalls die Kassen selbst.
 
Kurz zeigte sich hoch zufrieden und sprach von der Umsetzung eines seit den 1960er-Jahren anstehenden Vorhabens, das Bundesregierungen zuvor immer nur angekündigt hätten. Es werde nun gleiche Leistung für gleiche Beiträge und eine Einsparung von einer Mrd. Euro bis 2023 zugunsten der Patienten geben. Strache ortete einen "historischen Tag" und freute sich vor allem über weniger Kassenfunktionäre und deren "Pfründe".
 

Selbstverwaltung soll bleiben

Die Selbstverwaltung der Kassen bleibe erhalten, wurde betont, wobei in die Machtverteilung der Gremien durchaus eingegriffen wird und die Arbeitgeber im Verwaltungsrat von ÖGK und Pensionsversicherung künftig gleich stark sein werden, wie die Arbeitnehmer. Dass letztere entmachtet werden, stellen ÖVP und FPÖ zwar in Abrede, die Wirtschaftskammer jubelte aber umgehend über die endlich erreichte "gerechte Besetzung der Selbstverwaltungskörper".
 
Neu ist auch, dass in ÖGK und Pensionsversicherung künftig zur Hälfte der Zeit auch ein Arbeitgebervertreter Vorsitzender sein wird und im deutlich abgespeckten Dachverband der Chefposten unter den fünf Trägern rotiert. Alexander Biach, vor der Demontage stehender bisheriger Hauptverbandschef, kommentierte dies entsprechend ablehnend.
 

AK, ÖGB und Opposition erzürnt

Heftige Ablehnung kam auch von Arbeitnehmerseite. AK-Präsidentin Renate Anderl sah ein "Fusions-Fiasko, mit dem das Gesundheitssystem an die Wand gefahren wird". Mögliche Streikmaßnahmen seien "immer eine Option". ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian warnte vor einem gefährlichen Verlust der Balance zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Die geplante Reform enthalte mehrere Punkte, "die in tausend Jahren nicht vor dem Verfassungsgerichtshof halten".
 
SPÖ-Gesundheitssprecherin Pamela Rendi-Wagner sprach von einem "schwarzen Tag für die Gesundheit der Österreicher" und einem "Angriff auf unser Gesundheitssystem". Künftig würden Großkonzerne das Sagen in den Krankenkassen haben. NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker vermutete eine versteckte Umfärbeaktion der Regierung. Daniela Holzinger von der Liste Pilz warnte vor einer Schwächung der Selbstverwaltung.
 
Wirtschaftskammer-Generalsekretär Karlheinz Kopf frohlockte hingegen, ebenso wie Georg Kapsch, Präsident der Industriellenvereinigung. Auch er freute sich über die nun vorgesehene "ausgewogene Vertretung der Beitragszahlerinnen und -zahler in den Gremien". Positiv äußerte sich auch die Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer.
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