Die Regierungsspitze sieht bei dem Thema Diskussionsedarf.
Sowohl SPÖ als auch ÖVP finden, dass man über die Briefwahl reden muss. Angesprochen auf Kritik vor allem bezüglich der langen Nachfrist für das Einsenden von Wahlkarten zuletzt bei der Steiermark-Wahl räumten Bundeskanzler Werner Faymann (S) und Vizekanzler Josef Pröll (V) am Dienstag Diskussionsbedarf ein. Pröll hielt nach dem Ministerrat aber fest, dass die Briefwahl generell aber "nicht zur Disposition" stehe. Zuletzt hatte unter anderem VfGH-Präsident Gerhart Holzinger eine bessere Absicherung des persönlichen und geheimen Wahlrechts gefordert.
Der ÖVP-Obmann und Vizekanzler betont, dass man beim "strittigen Thema" des Einlangens und Auszählens der Wahlkarten diskutieren müsse. "Ich bin bereit, diese Diskussion zu führen."
Auch Faymann stellte in Aussicht, dass man "sowohl auf Expertenebene als auch auf der politischen Ebene" über die Briefwahl reden müsse. Konkrete Maßnahmen wollte er allerdings noch nicht in den Raum stellen. Es gelte die Ergebnisse der Gespräche abzuwarten, "ich kann ihnen noch keine Änderung ankündigen".
Die Briefwahl ist seit ihrer Einführung 2007 umstritten, weil sie die Stimmabgabe nach dem Wahltag ermöglicht, womit die nachträgliche Manipulation eines knappen Wahlergebnisses möglich wird. Außerdem wurde Anfang September ein mutmaßlicher Fall von Wahlfälschung im Burgenland bekannt: In Unterrabnitz soll angeblich eine Wahlkarte für einen Jungwähler ausgestellt und zur Stimmabgabe benutzt worden sein, ohne dass der zu dieser Zeit im Ausland weilende Mann davon wusste. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Anlässlich des 90-Jahr-Jubiläums der österreichischen Verfassung plädierte vor eineinhalb Wochen auch der Präsident des Verfassungsgerichtshofes (VfGH), Gerhart Holzinger, für eine Reform der Briefwahl. Er sieht die Grundsätze der geheimen und persönlichen Wahl durch die Briefwahl "nicht mit Sicherheit garantiert". "Die klassische Form garantiert am besten, dass der einzelne unbeeinflusst in der Wahlzelle sein Kreuzerl dort macht, wo er es haben will", zeigte sich Holzinger als Fan der klassischen Wahlkabine.