Zwischen 2008 und 2013 wurden 421 E-Card-Missbrauchsfälle gemeldet.
Der Plan der Regierung, im Zuge der Steuerreform auch dem Sozialmissbrauch im Gesundheitsbereich den Kampf anzusagen, stößt bei der Ärztekammer auf strikte Ablehnung. Über das Vorhaben, als Patienten getarnte Prüfer der Krankenkassen in die Praxen zu schicken, zeigte sich Ärztekammer-Präsident Artur Wechselberber "erschüttert". Damit würden Ärzte und Patienten pauschal des Betruges verdächtigt.
Insgesamt hat sich die Regierung vorgenommen, 200 Millionen Euro beim Kampf gegen Sozialmissbrauch hereinzuholen. Im Gesundheitsbereich sollen gegen Krankenstands-Missbrauch die Kontrollen der Gebietskrankenkassen verstärkt und "Mystery Shopping" bei Ärzten eingesetzt werden. Gegen E-Card-Missbrauch sind Sanktionen für Ärzte bei Nichteinhaltung der Ausweis-Kontrollpflichten bzw. bei Missbrauch durch Patienten geplant.
421 Missbrauchsfälle
In Sachen E-Card hat Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) bereits im Jänner in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung bekannt gegeben, dass zwischen 2008 und 2013 421 Missbrauchsfälle durch Patienten gemeldet wurden. Mehr als die Hälfte davon (214) wurde in der Steiermark registriert. Von diesen insgesamt 421 Fällen wurden 39 zur Anzeige gebracht, daraus resultierten sieben Verurteilungen. Der Schaden dadurch belief sich auf rund 100.000 Euro, 18.100 Euro konnten die Krankenkassen davon wieder zurückholen. Diese 421 gemelden Missbrauchsfälle sind aber nur die Spitze des Eisberges, wie hoch die Dunkelziffer ist, lässt sich naturgemäß nicht sagen. Als gestohlen gemeldet und gesperrt wurden im Jahr 2013 rund 48.000 E-Cards, als verloren gemeldet gut 158.000. Die Unterscheidung zwischen gestohlen und verloren ist allerdings nicht immer leicht nachzuvollziehen.
Strafen für Ärzte, die keine E-Card-Kontrollen durchführen, lehnt die Ärztekammer ab, sie fordert stattdessen ein Foto auf der E-Card. "Als Mediziner haben Vertragsärztinnen und -ärzte in erster Linie Kranke zu behandeln und nicht Ausweiskontrollen für die Sozialversicherung abzuwickeln", sagte Vizepräsident Johannes Steinhart in einer Aussendung. Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger ist allerdings weiterhin gegen ein Foto. Als Argument werden dort nicht in erster Linie die Kosten von 18 Mio. Euro ins Treffen geführt, sondern vielmehr das logistische Problem, auf 8,4 Millionen E-Cards immer die aktuellen Fotos der betreffenden Personen zu haben.
Zu viele Rezepte
Größer als das Problem der Weitergabe der E-Card an nichtberechtigte Personen ist nach Einschätzung des Hauptverbandes jenes, dass Patienten mit ihrer E-Card zu mehreren Ärzten gehen und sich auf diese Art viele Rezepte ausstellen lassen. Dabei liegt dann der Verdacht nahe, dass die Medikamente weiterverkauft werden.
Wie hoch der durch Missbrauch im Gesundheitsbereich verursachte Schaden insgesamt ist, darüber liegen keine gesammelten Zahlen vor. Kontrollen werden nach Angaben des Hauptverbandes von allen Krankenkassen durchgeführt. Eine eigene Abteilung zur Betrugsbekämpfung, die auch sogenanntes "Mystery Shopping" betreibt, hat nur die Wiener Gebietskrankenkasse. Dieses Wiener Modell könnte nun auf ganz Österreich ausgedehnt werden. "Vertrauen ist gut, stichprobenartige Kontrolle ist besser", lobte Hauptverbands-Chef Peter McDonald am Donnerstag im Ö1-Radio diese Pläne der Regierung. Er will nun mit den Ärzten in einen Dialog treten.
Ärztekammer protestiert
Ärztekammer-Präsident Wechselberger lehnt dies allerdings entschieden ab. ""Die Österreichische Ärztekammer verwehrt sich entschieden gegen den Einsatz von Agents provocateurs in einem so sensiblen Bereich wie der Patientenbehandlung. Es ist ein Zeichen politischer Unkultur, dass sich kein einziges Mitglied unserer Regierung an solchen Methoden stößt. Vielmehr hat man offensichtlich die staatliche Bespitzelung von Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes gleichberechtigt mit anderen Maßnahmen zur Gegenfinanzierung der Steuerreform beschlossen", kritisierte Wechselberger in einer Aussendung. Damit untergrabe die Regierung das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient und stelle de facto alle Sozialversicherten unter Generalverdacht.