Gesundheitsreform
Ärzte wollen nicht so leicht Ruhe geben
18.05.2008
Die Gesundheitsreform liegt der Ärztekammer schwer im Magen. Sie geht mit neuen Vorschlägen in die Verhandlungen nächste Woche.
Die Ärzte wehren sich weiter gegen die bereits in Begutachtung befindliche Gesundheitsreform. Sie lehnen die vorgesehenen Einzelverträge genauso strikt ab wie die Aut idem-Regelung. Am Sonntag hat Ärztekammer-Präsident Walter Dorner seine Positionen für neue Verhandlungen mit der Regierung vorgelegt: Schiedsgericht bei der Gefahr eines vertragslosen Zustandes, Verrechnungsübereinkommen im Fall einer fehlenden Honorarvereinbarung und Vertreter der Krankenkassen in der ärztlichen Qualitätssicherung über die standeseigene ÖQMed-Organisation.
Reden statt streiken
Die niedergelassenen Ärzte drohen seit Tagen
mit Demonstrationen und Ordinationsschließungen sogar während der EURO. Auch
aus den Reihen der roten und schwarzen Nationalratsabgeordneten kommt
massiver Widerstand gegen die Gesundheitsreform. Dorner will es dagegen noch
einmal mit Gesprächen versuchen.
ELGA schon inkludiert
Der Kammerpräsident versteht u.a. nicht,
wieso plötzlich die elektronische Patientenakte ELGA in dem Regelpaket
enthalten ist. "Bisher hat sich die Bundesgesundheitskommission immer dafür
ausgesprochen, dass Patienten und Ärzte freiwillig in das System hineingehen
sollen. Jetzt sollen plötzlich per Verordnung alle teilnehmen - sogar die
Ärzte, die gar keinen Kassenvertrag haben", ärgert sich Dorner.
Schiedsgericht bei vertragslosem Zustand
Am schlimmsten ist für
die Ärzte der Plan, im Falle eines vertragslosen Zustandes den Kassen die
Möglichkeit zum Abschluss von Einzelverträgen zu geben. Dorners
Gegenvorschlag ist ein Schiedsgericht, an dessen Entscheidung sich Mediziner
und Kassen zu halten hätten. Ein vergleichbares System in Deutschland
funktioniert laut Dorner gut.
Ohne Schaden für Patienten
Außerdem will er, dass die
Patienten bei einem längeren vertragslosen Zustand nicht zum Handkuss
kommen: "Man kann auch ein Verrechnungsübereinkommen für die Honorare
zwischen Ärzteschaft und Krankenkassen vorsehen - zum Beispiel nach drei
Monaten vertragslosen Zustandes."
Patientenquittung ist bodenlose Gemeinheit
Die geplante
Patientenquittung für jede ärztliche Leistung lehnt Dorner wegen des großen
bürokratischen Aufwands ab. In der Schweiz gäbe es das zwar auch, nur zahle
dort der Patient beim Arzt. Die Quittung gehe an die Krankenkasse für die
Refundierung. "Das ist eine bodenlose Gemeinheit, weil es im Grunde heißt,
die Ärzteschaft hätte seit 100 Jahren die Patienten betrogen", findet der
ÖÄK-Chef.
Aut idem spart nichts ein
Für völlig unnötig hält Dorner auch die
Aut idem-Regelung - also dass der Arzt bei Arzneimitteln mit abgelaufenen
Patentschutz, für die es Nachahmepräparate gibt, nur noch den Wirkstoff
verschreibt und der Apotheker das billigste Präparat aussucht. Der Mediziner
argumentiert, dass er selbst dem Computer auch das güngstigte Medikament
entnehmen könnte: "Das bringt kein Geld." Schon gar nicht, wenn chronisch
Kranke ausgenommen seien. Zu bedenken sei auch: "In Zukunft trägt dann der
Apotheker die volle Haftung."
Kassenvertrag ist keine Ehe
Weniger strittig ist für Dorner die
mögliche Kündigung von Kassenverträgen bei gravierenden Problemen. Der
Standesvertreter: "Die Kündbarkeit von Kassenverträgen muss es geben. Man
hat hier Verträge und keine unauflösbare Ehe. Das gilt für Malversationen,
medizinisches Versagen und schwere Qualitätsmängel. Die Qualitätskontrolle
einer staatlichen Stelle zu übergeben, lehnt er aber ab.
Keine Ruhe geben
Sollten die für Dienstag und Mittwoch geplanten
Gespräche mit der Politik fehlschlagen und der Gesetzesentwurf am 4. Juni
unverändert den Ministerrat passieren, werde man handeln. Dorner: "Wir
werden nicht so leicht eine Ruhe geben."
Kassenreform kommt
Wirtschaftsbund-Generalsekretär Karlheinz Kopf
glaubt unvermindert daran, dass "trotz aller Proteste die wesentlichen
Kernpunkte der Kassenreform beschlossen" werden. Dass ausgerechnet die
"profiliertesten Strukturbewahrer" am lautesten dagegen auftreten würden,
zeige ihm, dass die Sozialpartner-Vorschläge in die richtige Richtung gehen,
so Kopf.
Grüne orten neues Debakel
Der Grüne Gesundheitssprecher Kurt
Grünewald ist dagegen überzeugt, dass die "Pseudo-Gesundheitsreform" zum
nächsten Debakel von Rot-Schwarz wird. Er ortete ein "dilettantisches
Schauspiel von Kdolsky, Molterer und Co". Der Widerstand auch in den
Regierungsparteien zeuge von "mangelnder Akkordierung und schlechter
Mediation". "Wirkungsvolle Lösungen sind in weite Ferne gerückt", meint
Grünewald.
Fiedler findet Reform schlecht
Der frühere Rechnungshofpräsident
Franz Fiedler kritisiert die Ausklammerung der Länder. Immerhin betreiben
sie den Großteil der Spitäler. Und laut Fiedler liegen die wirklich
gravierenden finanziellen Probleme bei den Krankenanstalten. Dass nun
ausgerechnet der im Vorjahr neuverhandelte Finanzausgleich als Argument
vorgebracht wird, die Länder bei der Gesundheitsreform außen vor zu lassen,
löst bei Fiedler Kopfschütteln aus.