Die Ärztekammer warnt die Koalitionsverhandler von FPÖ und ÖVP vor Einsparungen im Gesundheitsbereich.
"Die Gesundheitsversorgung ist die oberste Priorität. Das ist außer Streit zu stellen", so Präsident Johannes Steinhart am Dienstag bei einer Pressekonferenz. Angesichts des Reform- und Investitionsrückstands dürfe der Bereich "nicht unter die Räder der Budgetsanierung kommen". Zur Schließung von Versorgungslücken seien 1.000 zusätzliche Kassenarztstellen nötig.
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Die Betreuung einer älter werdenden Gesellschaft hält Steinhart auch in Zukunft für möglich. Aber: "Es wäre sehr vermessen zu glauben, dass es billiger wird." Daher müsse Medizin und Gesundheitsversorgung als Investitionsbereich gesehen werden. "Es wird kostspieliger werden." Ein großer Fehler wäre es dabei, für kurzfristige finanzielle Gewinne Gesundheitseinrichtungen an Konzerne oder Hedgefonds zu verkaufen. Einer "Konzernisierung" müsse ein gesetzlicher Riegel vorgeschoben werden.
Ausgebaut werden soll nach Ansicht der Kammer der niedergelassene kassenärztliche Bereich: Zur Entlastung der Spitäler sowie zur Verkürzung der "unzumutbaren Wartezeiten" brauche es mindestens 1.000 zusätzliche Kassenärzte. Es stimme zwar, dass die zuletzt durch die Regierung geförderten 100 zusätzlichen Posten erst rund zur Hälfte besetzt werden konnten. Durch attraktive Arbeitszeitmodelle sowie gute Arbeits- und Honorierungsmöglichkeiten könne aber Abhilfe geschaffen werden. Ein flexibleres Vertragssystem müsse etwa die Bedürfnisse von Ärztinnen und Ärzten mit Kindern berücksichtigen, aber auch für Ältere etwa Systeme von Altersteilzeit anbieten. Ein Baustein für attraktivere Kassenstellen ist für Steinhart auch die Möglichkeit von Hausapotheken.
Gegen Wahlarztverbot für Spitalsärzte
Nach wie vor ablehnend steht man Wahlarztverboten für Spitalsärzte gegenüber. Einerseits würden Wahlärzte jene Kenntnisse, die sie durch ihre Tätigkeit in Spitälern erlernen, unmittelbar in den niedergelassenen Bereich einbringen können, betonte Steinhart. Außerdem würden sie "in einer stillen Art und Weise Versäumnisse des Kassensystems kompensieren". Nach wie vor kritisch sieht man auch eine Art Berufspflicht für Medizin-Absolventen. Zwar müsse man innerhalb der EU klarmachen, dass auch andere Länder sich um die Ausbildung ihrer Nachwuchs-Mediziner kümmern müssten. Zwangsmaßnahmen würden aber junge Menschen nur verschrecken.
Als weitere Aufgabe für die Koalitionsverhandler sieht Steinhart die Patientensteuerung. Hier müsse der Grundsatz "digital vor ambulant vor stationär" mit Leben erfüllt werden. Konkrete Vorstellungen hat man hier aber noch nicht. Angesprochen auf eine Ambulanzgebühr, gab sich Steinhart zurückhaltend. Eine solche müsse man sich ansehen, das sei aber keine kategorische Forderung der Kammer. "Reden wir drüber, da sind wir noch nicht so weit."
Keinesfalls will man eine gesetzliche Verlagerung von ärztlichen Befugnissen an andere Berufsgruppen wie etwa Psychotherapeuten oder medizinisch-therapeutisch-diagnostische Gesundheitsberufe (MTD). "Kompetenzverwässerung ist keine Hilfe - jeder soll das wahrnehmen, wofür er ausgebildet ist."