Am dritten Verhandlungstag im Prozess gegen Ex-Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) und einen mitangeklagten Abteilungsleiter im Sportministerium ist Sabine Beinschab, Karmasins ehemalige Mitarbeiterin und nunmehr die Kronzeugin der Anklage, als Zeugin vernommen worden.
Beinschab belastete am Wiener Landesgericht die angeklagte Ex-Politikerin, der schwerer Betrug sowie Bestimmung zu wettbewerbsbeschränkenden Maßnahmen vorgeworfen werden, am Dienstag massiv.
Karmasin habe Beinschab nach ihrem Ausscheiden aus der Politik kontaktiert und gesagt, sie brauche Vergleichsangebote, damit sie den Zuschlag für eine Studie für das Sportministerium bekomme, so die Zeugin. "Damit Sophie Karmasin sicher den Zuschlag bekommt, wäre es super, wenn ich auch ein Angebot vorlege. Außerdem sollte ich einen dritten Kontakt nennen", erklärte Beinschab.
"Ich war ein bisserl ein Trottel"
Das habe sie auch getan, bei insgesamt drei Studien. Profitiert habe sie davon aber nicht, es sei ein Gefallen für ihre ehemalige Chefin und "Mentorin" gewesen: "Ich war ein bisserl ein Trottel. Es war ein Fehler, man darf das einfach nicht". Von Karmasin habe sie konkrete Anweisungen für ihr Angebot bekommen. "Teilweise habe ich vorgeschriebene Unterlagen bekommen". Mit der dritten, von ihr vorgeschlagenen Meinungsforscherin habe sie besprochen, "wer welche Preisvorschläge nimmt". Was Karmasin tatsächlich für die Studien bekam, habe sie nicht gewusst.
"Auf jeden Fall wäre das eine Studie gewesen, die ich selber machen hätte können", widersprach Beinschab Karmasins Aussage, wonach diese allein dazu imstande gewesen wäre und deshalb lediglich der Formalitäten wegen Vergleichsangebote einholen sollte. "Ich bin sicher, alles was die Sophie gemacht hat, hätte ich auch machen können. Weil sie so etwas wie meine Mentorin war." Und weiters: "Sicher waren wir (Karmasin und Beinschab, Anm.) spezialisiert, aber das kann so ziemlich jedes Institut".
So sehr soll Karmasin Beinschab ausgenutzt haben
Außerdem hätte Karmasin Beinschabs Briefkopf auf ihre eigenen Angebote gesetzt, und sich so "im Prinzip selbst beauftragt", wie auch der Richter festhielt. "Sie hat mich ausgenutzt, sie hat gewusst sie kann eh alles machen mit mir", sagte Beinschab. Wenn sich Karmasin bei Beinschab nach Preisen erkundigt habe, beispielsweise wie viel diese ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen für die Moderation von Tiefeninterviews bezahle, "wollte Sophie immer, das es so niedrig ist wie möglich, damit ihr so viel wie möglich überbleibt", sagte Beinschab.
Um Karmasins Rolle in der ÖVP-Umfrageaffäre geht es in der gegenständlichen Verhandlung zwar noch nicht. Allerdings wurden die übers Finanzministerium abgerechneten Studien, die die ÖVP bzw. den späteren Bundeskanzler Sebastian Kurz pushen sollten, von Richter Patrick Aulebauer sehr wohl thematisiert. Karmasin habe ihr den Kontakt zum damaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, vermittelt, schilderte Beinschab. In weiterer Folge wurde das so genannte Beinschab-Tool entwickelt, das Gegenstand eines separaten Ermittlungsverfahrens der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ist. "Bei Sophie Karmasin war auch der Gedanke dabei, da kann ich etwas mitverdienen", schilderte Beinschab. Inhaltlich habe Karmasin an den Studien fürs Finanzministerium zwar nicht mitgewirkt, sie habe aber von sich aus 20 Prozent Umsatzbeteiligung für Kontakt-Vermittlung und Beratung verlangt: "Sie hat gesagt, sie will inkludiert sein in diesem Paket."
"Sie wollte so schnell wie möglich ihr Geld haben"
Aus Beinschabs Sicht, die sich zu diesem Zeitpunkt selbstständig gemacht hatte und als Sub-Unternehmerin für Karmasin tätig war, war Karmasin informiert, wer die Studien bezahlt. Für Karmasin sei es vor allem um die Frage gegangen, "wie kommt sie zu ihrem Geld", berichtete Beinschab. Da Karmasin bis Dezember 2017 Ministerin war und ihre Nebeneinkünfte nicht aufscheinen sollten, habe man die Abrechnungen über die Firma ihres Mannes laufen lassen: "Die Sophie Karmasin ist auf diese Idee gekommen. Natürlich wollte die Sophie Karmasin so schnell wie möglich ihr Geld haben." Es habe noch 2018 Studien fürs Finanzministerium gegeben, "das genaue Datum kann ich nicht sagen", erklärte Beinschab.
Die 39-Jährige gewährte dem Schöffensenat auch Einblick in ihre Beziehung zur Angeklagten: "Sophie Karmasin war für mich ein Vorbild". Als diese aus der Meinungsforschung ausschied und in die Politik einstieg, sei das ein großer Schlag für sie gewesen, betonte Beinschab, damals Assistentin der Geschäftsführung bei "Karmasin Motivforschung". "Aufräumen" wollte Beinschab aber mit der Erzählung, sie und Karmasin seien "beste Freundinnen" gewesen. "Wir waren befreundet und sind zum Geburtstag oder zu Weihnachten essen gegangen, aber beste Freundinnen waren wir sicher nicht. Sie ist auch 18 Jahre älter als ich, und eine beste Freundin ist für mich jemand, mit dem ich aufgewachsen bin."
Schlagabtausch
Bevor Beinschab zu Wort kam, hatte Richter Patrick Aulebauer Sophie Karmasin mit Unterlagen konfrontiert, aus denen hervorging, dass diese schon Ende 2017 - unmittelbar nach dem Ende ihrer politischen Tätigkeit - ernsthafte Jobaussichten hatte. Dessen ungeachtet hatte die Ex-Ministerin die gesetzlich vorgesehenen Entgeltsfortzahlungen aus ihrem früheren Ministeramt beantragt und nahm diese in weiterer Folge auch in Anspruch. Zum einen entwickelte Karmasin mit Beinschab schon im November 2017 eine geschäftliche Kooperation, zum anderen hatte sie Mitte Dezember 2017 Aussichten auf einen beruflichen Einstieg bei einem Schweizer Beratungsunternehmen. "Ich bin nicht ganz naiv, es war ja noch kein Vertrag unterschrieben", meinte dazu die Ex-Politikerin. Sie räumte jedoch ein, "heilfroh" über dieses Angebot aus der Schweiz gewesen zu sein: "Deshalb habe ich mich in Verhaltensökonomie so spezialisiert." Wenn sie von dem Schweizer Kollegen engagiert worden wäre, "hätte ich keine Entgeltsfortzahlung gemacht. Leider hat er sich nicht gemeldet."
Mit Beinschab wiederum war schon ein Businessplan erstellt worde. "Es gab so viele Möglichkeiten. Das kann ich Ihnen gar nicht mehr aufzählen, was wir alles überlegt haben", meinte dazu Sophie Karmasin. Es sei aber "nichts davon umgesetzt" worden.
Ab Anfang 2018 hielt Karmasin - wenn auch nicht in hoher Zahl - entgeltlich Vorträge und bezog weiter Bezüge aus ihrer früheren ministeriellen Tätigkeit. Dazu hielt die Angeklagte fest: "Es ist ja keine berufliche Tätigkeit, um 300 Euro einen Vortrag zu halten. Das ist maximal eine Veranstaltung, um auf sich aufmerksam zu machen. Ich wollte schon einen 40 Stunden-Job in einer gewissen Tätigkeit." Sie sei "keine Vortragsrednerin." Vorträge seien "eine Möglichkeit, sich zu präsentieren". Ein Vortrag sei "ein Strohhalm, an eine berufliche Tätigkeit zu kommen".
Für einen Vortrag hätte Karmasin konkret 3.500 Euro plus Spesen bekommen, hielt ihr darauf Oberstaatsanwalt Gregor Adamovic vor. "Das ist großartig", gestand Karmasin ein, um zu ergänzen: "Das kriegt man ein Mal in zwei Jahren." Die Entgeltsfortzahlungen lukriert und ihre Vorträge nicht gemeldet zu haben, sei "im Nachhinein unbedacht" gewesen: "Meine Ansicht war, dass die Anbahnung einer Tätigkeit keine berufliche Tätigkeit ist." Im Februar 2018 mahnte Karmasin allerdings bezüglich eines Auftrags schriftlich ein, vorerst nichts zu verrechnen, sie dürfe nichts verdienen. Darauf angesprochen, sagte Karmasin: "Es war ein Wegschieben des Themas. Im Nachhinein war es nicht die richtige Vorgangsweise."
Ebenfalls befragt wurde Karmasin erneut zum zweiten Punkt der Anklage, etwaigen Preisabsprachen bei mehreren Studien für das Sportministerium. Mündliche Zusagen, auch über größere Summen, seien durchaus üblich gewesen, auch als Karmasin noch Ministerin war. "Ich habe sogar selber eine Zusage gegeben zu einem Förderprojekt", sagte sie auf eine entsprechende Frage des Oberstaatsanwalts.
Das Interesse am dritten Verhandlungstag im Karmasin-Prozess war beträchtlich. Der Große Schwurgerichtssaal war bis auf den letzten Platz gefüllt, Zuhörer, die keinen freien Sitzplatz ergattern konnten, setzten sich auf den Fußboden.
Die Urteile im Karmasin-Prozess sind für den 23. Mai geplant. Die Ex-Ministerin soll sich laut Anklage nach ihrem Ausscheiden aus der Politik widerrechtlich Bezugsfortzahlungen in Höhe von 78.589,95 Euro erschlichen haben, indem sie Bediensteten des Bundeskanzleramts verschwieg, dass sie ihre selbstständige Tätigkeit nach ihrer Amtszeit als Familienministerin nahtlos fortsetzte. Von der Anklage umfasst sind weiters drei Studien für das Sportministerium, für die Karmasin nach ihrem Ausscheiden aus der Politik den Zuschlag erhielt, indem sie laut Anklage zwei Mitbewerberinnen - darunter ihre frühere Mitarbeiterin Sabine Beinschab - dazu brachte, "von ihr inhaltlich vorgegebene und mit ihr vorab inhaltlich abgesprochene Angebote an die Auftraggeber zu übermitteln, um sicherzustellen, dass die ihr zuzurechnende Karmasin Research & Identity GmbH die Aufträge bekommen würde" (Anklageschrift). Gegen Beinschab wurde in diesem Zusammenhang das Verfahren eingestellt, sie bekam von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) Kronzeuginnen-Status zugestanden. Das Verfahren gegen die zweite Meinungsforscherin wurde diversionell erledigt, laut WKStA hat sie bereits gemeinnützige Leistungen erbracht.