Am 25. April startet am Wiener Landesgericht der Betrugsprozess gegen die ehemalige Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) und einen mitangeklagten, mittlerweile dienstfrei gestellten Abteilungsleiter im Sportministerium.
Das bestätigte Gerichtssprecherin Christina Salzborn am Mittwoch der APA. Die Verhandlung ist vorerst auf drei Tage anberaumt.
Ob es am Ende des dritten Verhandlungstags am 9. Mai schon Urteile geben wird, ist insofern unklar, als der vorsitzende Richter bisher nur Zeugen geladen hat, deren Einvernahme die Wirtschafts-und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) beantragt hat. Falls die Verteidiger darüber hinausgehende Zeugen hören wollen oder sonstige Beweisanträge stellen, könnten zusätzliche Verhandlungstage nötig werden. Im Fall eines Schuldspruchs drohen Karmasin bis zu drei Jahre Haft.
In der mehrtägigen Verhandlung geht es noch nicht um die Rolle Karmasins in der ÖVP-Umfrageaffäre, sondern um Bezugsfortzahlungen sowie wettbewerbsbeschränkende Absprachen. Karmasin soll sich nach ihrem Ausscheiden aus der Politik widerrechtlich Bezugsfortzahlungen erschlichen haben, indem sie Bediensteten des Bundeskanzleramts verschwieg, dass sie ihre selbstständige Tätigkeit nach ihrer Amtszeit als Ministerin nahtlos fortsetzte. Inkriminiert sind 78.589,95 Euro, die Karmasin vom 19. Dezember 2017 bis zum 22. Mai 2018 zu Unrecht bezogen haben soll, wobei der angerichtete Schaden zum größten Teil noch vor Einbringen der Anklage gut gemacht wurde. Für die WKStA liegt allerdings keine tätige Reue vor, da die Rückzahlung dafür zu spät erfolgt sei, wie in der Anklageschrift ausgeführt wird: "Die (zunächst unvollständige) Schadensgutmachung erfolgte, weil MMag. Dr. Karmasin angesichts der medialen Berichterstattung zur Bezugsfortzahlung in Zusammenschau mit dem im gegenständlichen Verfahren dringenden Tatverdacht keine Möglichkeit einer erfolgreichen Verweigerung der Rückzahlung mehr sah. Zudem war ihr bewusst, dass die Verdachtslage erdrückend war."
Der zweite Anklagekomplex betrifft drei Studien für das Sportministerium, für die Karmasin den Zuschlag erhielt, indem sie laut Anklage zwei Mitbewerberinnen - darunter ihre frühere Mitarbeiterin Sabine Beinschab - dazu brachte, "von ihr inhaltlich vorgegebene und mit ihr vorab inhaltlich abgesprochene Angebote an die Auftraggeber zu übermitteln, um sicherzustellen, dass die ihr zuzurechnende Karmasin Research & Identity GmbH die Aufträge bekommen würde" (Anklage). Beinschab und die zweite Konkurrentin - gegen beide laufen diesbezüglich abgesonderte Ermittlungen - legten zwischen April 2019 und Juni 2021 Angebote, die Karmasin dann jeweils unterbot.
Der mitangeklagte Spitzen-Beamte im Sportministerium soll den Inhalt der Studien im Vorfeld mit Karmasin abgestimmt und die "Scheinangebote" der vorgeblichen Konkurrenz akkordiert haben. Für die Studie "Motivanalyse - Bewegung und Sport" stellte Karmasin im April 2020 63.600 Euro in Rechnung für "Frauen im Vereinssport" im Juli 2021 63.890 Euro. Für eine dritte Studie ("Kinder und Jugendliche im Vereinssport") belief sich Karmasins Anbot auf 68.980 Euro. Enge Mitarbeiter von Sportminister Werner Kogler (Grüne) wurden dann aber offenbar skeptisch, wie in der Anklage ausgeführt wird: "Im Kabinett und in der 'Stabstelle Strategische Kommunikation' bestanden Zweifel an der Notwendigkeit der Studie. Eine BMKÖS-intern in Auftrag gegebene rechtliche Prüfung ergab, dass die Vorstudien und die gegenständliche Studie vergaberechtlich als ein Vorhaben anzusehen wären und daher die Voraussetzungen für eine Vergabe (...) nicht vorlagen." Nachdem zwischenzeitlich bei ihr eine Hausdurchsuchung im Zusammenhang mit der ÖVP-Inseraten-Causa stattgefunden hatte, bei der Datenträger und sonstige Unterlagen sichergestellt wurden, zog Karmasin am 7. Oktober 2021 ihr Angebot zurück. Als Begründung führte sie "Kapazitätsgründe" ins Treffen.