In Wien ist am Dienstag der Prozess gegen den früheren Planungssprecher der Grünen im Rathaus, Christoph Chorherr, mit dem Auftritt prominenter Zeuginnen fortgesetzt worden.
Befragt werden NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger und die frühere Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne). Letztere war von 2010 bis 2019 Stadträtin für Planung und Verkehr und somit als Regierungsmitglied auch zuständig für Widmungsverfahren.
Meinl-Reisinger war ebenfalls im Rathaus aktiv. Sie fungierte von 2015 bis 2018 als Chefin im pinken Gemeinderatsklub. Die NEOS waren damals jedoch noch in Opposition, der Regierungseintritt erfolgte erst 2020. Meinl-Reisinger war heute im Landesgericht als erste an der Reihe und wurde unter anderem zu ihrem Wissen über das umstrittene Heumarkt-Projekt befragt.
Mit Bauangelegenheiten sei sie im Rathaus nicht befasst gewesen, erläuterte sie - ihre Zuständigkeiten in verschiedenen Ausschüssen waren andere. Investor Michael Tojner sei jedoch auf die NEOS zugekommen, um deren Position zu erfragen. Grundsätzlich begrüße man, dass dort am Gelände etwas passiere. Doch dass sich das Vorhaben mit dem Prädikat Weltkulturerbe spießen werde, sei bald klar geworden, berichtete sie.
Man sei der Meinung gewesen, dass man nicht über den Vertrag mit der UNESCO "drüberfahren" könne, sagte Meinl-Reisinger. Sie sei von Tojner kontaktiert worden, der wissen wollte, wie die NEOS abstimmen werden. Dies sei geschehen, nachdem bekannt wurde, dass die Grünen wohl nicht geschlossen für die Widmung votieren werden.
Tojner habe die NEOS auch finanziell unterstützen wollen, führte sie aus - allerdings nicht vor der Gemeinderatswahl 2015, wie sie zunächst vor der WKStA ausgesagt hatte, sondern erst 2017. "Ich war dagegen, weil ich das in Anbetracht der Heumarkt-Entscheidung für unvereinbar hielt", so Meinl-Reisinger. Es ging damals um die Unterstützung einer Kampagne gegen die Wirtschaftskammer-Pflichtmitgliedschaft, "und ich habe das klar abgelehnt, dass das nicht geht". Auf die Frage, wie sie das denn ahnen konnte, meinte sie: "Beim Tojner brauch ich keine hellseherischen Fähigkeiten im März 2017."
Nicht bereit sei sie auch gewesen, einem von Tojner angeführten Bürgerbeteiligungsprozess zum Heumarkt eine "pinke Schleife" zu verleihen. Die Idee für eine solche Befragung habe aber ursprünglich von ihr selbst gestammt.
Erneut ging es um die Rolle Chorherrs in der Gemeinde Wien. Meinl-Reisinger sprach vom "Ondit, dass ohne Mag. Chorherr nichts geht in Bausachen". Persönliche Wahrnehmungen habe sie aber nicht dazu. Zur Frage von Unvereinbarkeiten von Chorherrs Funktionen im Verein S2arch mit Causen, die im Gemeinderat abgestimmt wurden, meinte sie, sie wisse, dass der damalige Grünen-Mandatar einmal an einer Abstimmung nicht teilgenommen habe. Chorherr selbst betonte, dies sei mehrmals geschehen. Auch mehrere Befangenheitserklärungen habe er abgegeben.
Die frühere Planungsstadträtin Vassilakou gilt als wichtigste Zeugin in dem Prozess. Auch in Sachen Stadtplanung fiel ihr eine zentrale Rolle zu, wie sie heute bekräftigte. "Die zentrale Figur, ob ein Projekt dem Gemeinderat vorgelegt wird, ist die Planungsstadträtin, in diesem Fall ich." Sie habe jederzeit die Möglichkeit gehabt, ein Projekt zurückzuziehen.
Dass Projektwerber für ihr Vorhaben um Unterstützung werben, sei normal, beteuerte sie. Diese würden sich "traditionell" an so viele Personen wie möglich wenden. Auch sie selbst habe immer wieder mit Betreibern von Bauvorhaben gesprochen - etwa auch mit Tojner. Das umstrittene Turmprojekt sei von ihr und den Grünen zunächst positiv gesehen worden. Später habe es jedoch immer mehr Kritik gegeben.
Chorherr habe ihr geraten, das Heumarkt-Widmungsverfahren nicht weiter zu verfolgen - zugleich aber versichert, er würde sie unterstützen, wenn sie das Projekt doch zur Abstimmung bringe. Letztendlich folgte eine von Vassilakou verordnete "Nachdenkpause". Strittig war etwa der Nutzungsmix am Areal und vor allem die Höhe des Hochhauses.
Chorherr sei "sicher" jemand gewesen, mit dem sie sich beraten habe - aber keinesfalls der einzige oder maßgeblichste, wie sie beteuerte. Dass er in einem karitativen Verein tätig war, habe sie gewusst. Sie habe auch bei einem Geburtstagsfest Chorherrs ein Bild für den guten Zweck ersteigert, wie Vassilakou erläuterte. Ungewöhnlich seien solche Engagements nicht gewesen. Rund 90 Prozent der im Gemeinderat vertretenen Abgeordneten seien in Vereinen tätig gewesen, schätzte sie.
Dass sie in einer früheren Vernehmung Chorherr versehentlich als Stadtrat bezeichnet hatte, hatte in dem Prozess immer wieder für Verwirrung gesorgt. Auch in der Anklage findet sich die Bezeichnung wieder. Vassilakou erläuterte heute, dass Chorherr Planungssprecher war. Sie führte aus, dass es sich um eine politische Funktion in der Fraktion handelt.
Sie verwies jedoch darauf, dass Chorherr in früheren Jahren einmal nicht amtsführender Stadtrat war, also zu einer Zeit, als die Grünen noch in Opposition waren. Und in Wien werde man immer wieder mit den alten Titeln angesprochen, gab sie zu bedenken. "Man sagt auch zu mir Frau Vizebürgermeisterin, obwohl ich das schon lange nicht mehr bin."
Dem ehemaligen Grün-Mandatar Chorherr wird vorgeworfen, von namhaften Immobilienunternehmen Zahlungen für einen von ihm initiierten gemeinnützigen Verein gefordert bzw. angenommen zu haben. Dieser unterstützt Kinder- bzw. Schulprojekte in Afrika.
Die Spender sollen sich im Gegenzug Vorteile bei Widmungsverfahren versprochen haben. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wirft Chorherr Amtsmissbrauch und Bestechlichkeit, den Unternehmern Bestimmung zum Amtsmissbrauch und Bestechung in unterschiedlichen Beteiligungsformen vor. Zu den Mitangeklagten gehören unter anderem der Investor Rene Benko, der Industrielle Tojner und die Immobilienentwickler Erwin Soravia und Günter Kerbler. Sämtliche Angeklagte haben sich nicht schuldig bekannt.