oe24-Interview

Kurz: "Urteil macht mich fassungslos"

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Interview nach dem Schuldspruch: Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) spricht mit oe24 über das Urteil - und wie es nun weitergeht.

ÖSTERREICH: Sie haben bis zuletzt an einen Freispruch geglaubt. Wie sehr waren sie vom Urteil überrascht?

SEBASTIAN KURZ: Mir haben unzählige Juristen vorab gesagt, dass sie eine Verurteilung für unmöglich halten. Es haben auch alle Zeugen meine Aussagen bestätigt. Zwei der Vorwürfe der Staatsanwaltschaft hat der Richter als falsch empfunden. Dass er in einem gegen mich entschieden hat, hat mich sehr überrascht.

ÖSTERREICH: Was war ihr erster Gedanke als der Richter das Strafmaß von 8 Monaten bedingt verkündet hat?

KURZ: Ich habe im U-Ausschuss die Frage, ob ich in die Auswahl der ÖBAG-Aufsichtsräte eingebunden war, mit Ja beantwortet. Das wurde auch anerkannt. Dass ich verurteilt werde zu 8 Monaten bedingter Haft, weil der Richter der Meinung ist, ich hätte den Grad meiner Einbindung noch detailreicher beschreiben sollen, das hat mich ehrlicherweise fassungslos gemacht. Vor allem wenn man bedenkt, wie die Stimmung im U-Ausschuss ist, mit Zwischenrufen, Unterstellungen und dass ich bei der Beantwortung dieser Frage auch noch von der Fragestellerin unterbrochen wurde und nicht einmal meinen Satz zu Ende führen konnte.

ÖSTERREICH: Haben Sie das Gefühl, dass hier ein politisches Urteil gegen Sie und Ihre Politik gefällt wurde?

KURZ: Also wenn man diesen Maßstab in Nuancen der Sprache auf alle anwendet, die in U-Ausschüssen aussagen, dann würde es nur noch Strafverfahren wegen Falschaussage geben. Und dass jeder, der im U-Ausschuss sagt, er kann sich an nichts erinnern, der sich entschlägt oder einfach drückt, am Ende besser aussteigt, als diejenigen, die dort wie ich versuchen, die Fragen zu beantworten, das kann auch nicht im Sinne des Erfinders sein.

ÖSTERREICH: Ihre Anwälte haben am Beginn des Prozesses einen Befangenheitsantrag gegen den Richter eingebracht. Sehen Sie sich durch das Urteil in Ihrer Meinung bestätigt, dass der Richter Ihnen gegenüber voreingenommen war?

KURZ: Noch habe ich so viel Hoffnung in das System, dass ich davon ausgehe, dass dieses Urteil in zweiter Instanz nicht hält. Generell glaube ich nicht, dass es unserer Demokratie guttut, wenn Politik nicht mehr der Wettbewerb der besten Ideen ist, sondern ständig versucht wird, dem politischen Gegner strafrechtlich etwas anzuhängen.

ÖSTERREICH: Sie haben bereits angekündigt gegen das Urteil zu berufen. Wie begründen Sie die Berufung?

KURZ: Es sind neun Aufsichtsräte ausgewählt worden, die Hälfte davon kenne ich gar nicht. Ich habe zwei Personen vorgeschlagen, die beide keinen Platz im Aufsichtsrat erhalten haben. Und ich habe die Frage im U-Ausschuss, ob ich in die Auswahl eingebunden war, mit Ja beantwortet. Ich weiß nicht, was an dieser Aussage falsch sein soll. Wenn ich gesagt hätte, ich wäre nicht eingebunden gewesen, wäre das falsch. Wenn ich gesagt hätte, ich habe es entschieden, wäre das genau so falsch gewesen. Weil dann hätte ich ja wohl die beiden genommen, die ich vorgeschlagen habe.

ÖSTERREICH: Trifft es Sie, dass der Richter Thomas Schmid scheinbar für glaubwürdiger hält, als Sie?

KURZ: In der Bundesregierung habe ich 10 Jahre für dieses Land gearbeitet, mit einer Politik mit Ecken und Kanten, aber ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen. Was der Prozess aber gezeigt hat, ist, dass Schmid sich bei zwei russischen Geschäftsleuten, lange nach seiner angeblichen „Lebensbeichte“ und nachdem er angeblich ein besserer Mensch geworden ist, mit einem Lebenslauf beworben hat, in den er neben anderen falschen Fakten geschrieben hat, dass er im Jahr 2017 im Jemen Geiseln befreit hat. Das ist aus meiner Sicht so absurd, dass ich es selbst fast nicht glauben kann.

ÖSTERREICH: Gehen Sie davon aus, dass Schmid nach diesem Urteil nun den Kronzeugen Status erhält?

KURZ: Ich habe während seiner Aussagen zum Lebenslauf vor Gericht die ganze Zeit darauf gewartet, dass jemand sagt: „Willst du uns alle pflanzen?“ Das ist nicht passiert. Insofern war ich auch hier überrascht, was sich alles ausgeht.

ÖSTERREICH: Ist mit diesem Urteil für Sie ein politisches Comeback endgültig ausgeschlossen?

KURZ: Ich habe nach zehn Jahren in der Bundesregierung vor zwei Jahren die Politik verlassen, um mich auf meine Tätigkeit als Unternehmer und als Vater meines kleinen Sohnes zu konzentrieren. Die Entscheidung habe ich getroffen und nicht bereut. Insofern hat sich dadurch weder in die eine noch in die andere Richtung etwas verändert.

Am Montag um 21 Uhr ist Sebastian Kurz im großen TV-Interview bei FELLNER! LIVE auf oe24.TV.

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