Im Zuge der Ermittlungen gegen Ex-BVT-Mann Egisto Ott wurden offenbar zwei Hochsicherheits-Laptops sichergestellt.
Bei den Hausdurchsuchungen, die Ende März an der Kärntner sowie an der Wiener Adresse des Spionage-Verdächtigen Ex-BVT-Mitarbeiters Egisto Ott durchgeführt wurden, ist brisantes Beweismaterial sichergestellt worden. Es wurden zwei SINA-Laptops gefunden, auf denen sich womöglich hochsensible Daten befinden. Was Ott mit diesen Geräten vor hatte und wie er in ihren Besitz gelangt war, ist Gegenstand der laufenden Ermittlungen.
Lap-Tops an Otts Hauptwohnsitz und in seiner Wohnung
An Otts Hauptwohnsitz in Paternion (Bezirk Villach-Land) fand sich ein SINA-Laptop in einem Regal im Arbeitsraum, in seiner Wohnung in Wien-Leopoldstadt war ein Gerät in einer Küchensockelleiste versteckt. Dieser Laptop war - wie aus einem Anlassbericht der "AG Fama" hervorgeht, der der APA vorliegt - noch originalverpackt und mit der Secnet-Banderole versehen. SINA steht für Sichere Inter-Netzwerk Architektur, mit der die Übertragung und Verarbeitung von schützenswerten Informationen in unsicheren Netzen möglich ist. Die seit 2000 entwickelte SINA-Produktfamilie enthält die einzigen vom deutschen Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) bis zum höchsten nationalen Einstufungsgrad ("Streng geheim") zugelassenen IP-basierten Kryptosysteme. Schwerpunkt ist dabei der Schutz von elektronischen Informationen vor unberechtigten Zugriffen. Die hoch entwickelte Verschlüsselungstechnologie wird dem Vernehmen nach unter anderem von staatlichen Ermittlungsstellen zum Länder übergreifenden Austausch von Informationen mit Partnerdiensten genutzt.
Ein Gerät via Istanbul nach Moskau
Bisher war bekannt, dass Egisto Ott verdächtigt wird, einen SINA-Laptop dem russischen Geheimdienst verkauft zu haben. Das Gerät soll am 19. November 2022 in Wien mit falschen Pässen ausgestatteten Männern, die vermutlich dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB zuzurechnen waren, übergeben und über Istanbul nach Moskau zum Sitz des FSB gebracht worden sein. Den Deal eingefädelt haben soll Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek, der mittlerweile für den russischen Geheimdienst tätig sein soll. Für den Laptop sollen im Herbst 2022 20.000 Euro bezahlt worden sein, wobei Marsalek das Geld von "laundry guys" (Geldwäscheleuten, Anm.) von Berlin nach Wien bringen ließ, wie sich aus Chats ergibt, die Marsalek mit einem inzwischen in London inhaftierten bulgarischen Geschäftsmann führte, der eine mehrköpfige, für Russland operierende Spionage-Zelle angeführt haben soll. Auf dem nach Russland transferierten Laptop dürften sich der Geheimhaltung unterliegende Daten eines EU-Staates befunden haben, ergibt sich aus dem Ermittlungsakt.
Was mit den nunmehr entdeckten SINA-Laptops, die kriminaltechnisch untersucht werden, geplant war, ist unklar. Ott soll mittlerweile gestanden haben, er wisse von insgesamt fünf SINA-Laptops, wobei sich einer "im Ausland, aber nicht in Russland" befinde. Einen hätte "einer seiner Mitarbeiter", einen weiteren "ein Journalist in Österreich". Für Egisto Ott gilt die Unschuldsvermutung.
Neben dem Laptop wurden an der Kärntner Adresse des ehemaligen Mitarbeiters des Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) auch nachrichtendienstliche Unterlagen und Datenträger dienstlicher Herkunft beschlagnahmt. Ott war nicht bereit, die Zugangsdaten zu sichergestellten elektronischen Geräten bekannt zu geben, er soll bei seiner Festnahme am 29. März wiederholt abfällig und in beleidigender Weise über die gegen ihn ermittelnden Beamten geäußert haben.
Ott steht im Verdacht, gemeinsam mit seinem ehemaligen Vorgesetzten beim BVT, dem einstigen Spionageabwehr-Abteilungsleiter Martin Weiss, für Russland systematisch nach "Zielpersonen" gefahndet zu haben, über deren Verbleib der russische Geheimdienst gern Bescheid gewusst hätte. Einer von ihnen war ein abtrünniger FSB-Agent, dem Ott nachspitzelte, indem er etwa im Juli 2017 gegenüber einem BVT-Chefinspektor in wahrheitswidriger Weise vorgab, "verdeckte Ermittlungen im Zusammenhang mit geplanten extremistischen/terroristischen Störaktionen zu einer großen internationalen Konferenz" zu führen und die ihm vom russischen Geheimdienst übermittelten Fingerabdrücke des Ex-Agenten abfragen ließ, um dessen Aufenthaltsort herauszubekommen. Ott soll auch Passagierlisten von Fluglinien und Gästelisten von Hotels durchforstet haben, um den untergetauchten Mann ausfindig zu machen.
Peilsender bei Ex-FSB-Spion
Im Zusammenhang damit mutet es besonders Besorgnis erregend, dass am Pkw des Ex-FSB-Agenten am 28. Dezember 2023 unter dem Schutzblech ein Peilsender gefunden wurde, als die Ehefrau des Mannes in einer Werkstätte einen Reifen- und Ölwechsel durchführen lassen wollte. Es handelte sich um einen professionellen, qualitativ hochwertigen GPS-Tracker, ein autonomes Satellitengerät zur Online-Überwachung von Land-, See- und Luftobjekten. Der Ex-FSB-Agent übergab das Gerät am 8. Jänner den österreichischen Behörden und stellte bei dieser Gelegenheit klar, dass er davon ausgehe, nach wie vor vom russischen Geheimdienst verfolgt und ausgespäht zu werden. Aufgrund der Bedrohungslage entschloss er sich, den Staat in Südosteuropa, in dem er sich zuletzt mit seiner Familie aufgehalten hatte, kurzfristig zu verlassen.
Ähnliches war zuvor bereits einem anderen, in Russland in Ungnade gefallenen Mann widerfahren, den Ott ebenfalls 2017 ausgekundschaftet haben soll. Dessen Fahrer hatte kurze Zeit danach ebenfalls einen an einem Fahrzeug angebrachten Peilsender entdeckt, worauf der offenbar von Russland Gesuchte "um sein Leben und die Sicherheit seiner Familie fürchtete", wie im Ermittlungsakt festgehalten wird.