Prozess gegen Ex-Ministerin

Karmasin: "Ich bin nicht ganz naiv"

16.05.2023

Am Wiener Landesgericht ist am Dienstag der Prozess gegen Ex-Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) und einen mitangeklagten Abteilungsleiter im Sportministerium fortgesetzt worden.  

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© APA/GEORG HOCHMUTH
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Vorgeworfen werden Karmasin schwerer Betrug sowie Bestimmung zu wettbewerbsbeschränkenden Maßnahmen. Um ihre Rolle in der ÖVP-Umfrageaffäre geht es bei der gegenständlichen Verhandlung noch nicht. Als Zeugin geladen ist die Meinungsforscherin Sabine Beinschab.

Bevor Beinschab zu Wort kam, konfrontierte Richter Patrick Aulebauer Karmasin mit Unterlagen, aus denen hervorging, dass diese schon Ende 2017 - unmittelbar nach dem Ende ihrer politischen Tätigkeit - ernsthafte Jobaussichten hatte. Dessen ungeachtet beantragte die Ex-Ministerin die gesetzlich vorgesehenen Entgeltsfortzahlungen aus ihrem früheren Ministeramt und nahm diese in weiterer Folge auch in Anspruch. Zum einen entwickelte Karmasin mit Beinschab schon im November 2017 eine geschäftliche Kooperation, zum anderen hatte sie Mitte Dezember 2017 Aussichten auf einen beruflichen Einstieg bei einem Schweizer Beratungsunternehmen. "Ich bin nicht ganz naiv, es war ja noch kein Vertrag unterschrieben", meinte dazu die Ex-Politikerin. Sie räumte jedoch ein, "heilfroh" über dieses Angebot aus der Schweiz gewesen zu sein: "Deshalb habe ich mich in Verhaltensökonomie so spezialisiert." Wenn sie von dem Schweizer Kollegen engagiert worden wäre, "hätte ich keine Entgeltsfortzahlung gemacht. Leider hat er sich nicht gemeldet."

"Es gab so viele Möglichkeiten"

Mit Beinschab wiederum war schon ein Businessplan erstellt worde. "Es gab so viele Möglichkeiten. Das kann ich Ihnen gar nicht mehr aufzählen, was wir alles überlegt haben", meinte dazu Sophie Karmasin. Es sei aber "nichts davon umgesetzt" worden.

Ab Anfang 2018 hielt Karmasin - wenn auch nicht in hoher Zahl - entgeltlich Vorträge und bezog weiter Bezüge aus ihrer früheren ministeriellen Tätigkeit. Dazu hielt die Angeklagte fest: "Es ist ja keine berufliche Tätigkeit, um 300 Euro einen Vortrag zu halten. Das ist maximal eine Veranstaltung, um auf sich aufmerksam zu machen. Ich wollte schon einen 40 Stunden-Job in einer gewissen Tätigkeit." Sie sei "keine Vortragsrednerin." Vorträge seien "eine Möglichkeit, sich zu präsentieren". Ein Vortrag sei "ein Strohhalm, an eine berufliche Tätigkeit zu kommen".

Für einen Vortrag hätte Karmasin konkret 3.500 Euro plus Spesen bekommen, hielt ihr darauf Oberstaatsanwalt Gregor Adamovic vor. "Das ist großartig", gestand Karmasin ein, um zu ergänzen: "Das kriegt man ein Mal in zwei Jahren." Die Entgeltsfortzahlungen lukriert und ihre Vorträge nicht gemeldet zu haben, sei "im Nachhinein unbedacht" gewesen: "Meine Ansicht war, dass die Anbahnung einer Tätigkeit keine berufliche Tätigkeit ist." Im Februar 2018 mahnte Karmasin allerdings bezüglich eines Auftrags schriftlich ein, vorerst nichts zu verrechnen, sie dürfe nichts verdienen. Darauf angesprochen, sagte Karmasin: "Es war ein Wegschieben des Themas. Im Nachhinein war es nicht die richtige Vorgangsweise."

Warten auf Beinschab-Befragung 

Wann mit der Beinschab-Befragung begonnen wird, war vorerst nicht absehbar. Das Interesse am heutigen Verhandlungstag war jedenfalls beträchtlich. Der Große Schwurgerichtssaal war bis auf den letzten Platz gefüllt, Zuhörer die keinen freien Sitzplatz ergattern konnten, setzten sich auf den Fußboden. An sich wäre die Beinschab-Einvernahme bereits am 27. April vorgesehen gewesen. Beinschab war zu dem Termin auch pünktlich erschienen und hatte stundenlang vor dem Großen Schwurgerichtssaal auf ihre Einvernahme gewartet, die dann allerdings kurzfristig verlegt wurde, weil Karmasins Verteidiger vorherige Zeugen in zeitlicher Hinsicht sehr in Anspruch nahm.

Die Urteile im Karmasin-Prozess sind für den 23. Mai geplant. Die Ex-Ministerin soll sich laut Anklage nach ihrem Ausscheiden aus der Politik widerrechtlich Bezugsfortzahlungen in Höhe von 78.589,95 Euro erschlichen haben, indem sie Bediensteten des Bundeskanzleramts verschwieg, dass sie ihre selbstständige Tätigkeit nach ihrer Amtszeit als Familienministerin nahtlos fortsetzte. Von der Anklage umfasst sind weiters drei Studien für das Sportministerium, für die Karmasin nach ihrem Ausscheiden aus der Politik den Zuschlag erhielt, indem sie laut Anklage zwei Mitbewerberinnen - darunter ihre frühere Mitarbeiterin Sabine Beinschab - dazu brachte, "von ihr inhaltlich vorgegebene und mit ihr vorab inhaltlich abgesprochene Angebote an die Auftraggeber zu übermitteln, um sicherzustellen, dass die ihr zuzurechnende Karmasin Research & Identity GmbH die Aufträge bekommen würde" (Anklageschrift). Gegen Beinschab wurde in diesem Zusammenhang das Verfahren eingestellt, sie bekam von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) Kronzeuginnen-Status zugestanden. Das Verfahren gegen die zweite Meinungsforscherin wurde diversionell erledigt, laut WKStA hat sie bereits gemeinnützige Leistungen erbracht.

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