Tag 2 am Wiener Landesgericht

Karmasin-Prozess: Beinschab-Einvernahme geplatzt

27.04.2023

Am Wiener Landesgericht ist am Donnerstag der Prozess gegen Ex-Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) und einen Abteilungsleiter im Ministerium mit ersten Zeugenbefragungen fortgesetzt worden.  

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Der Sektionschef für Sport im Ministerium für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport belastete die Ex-Ministerin dabei insofern massiv, als er Karmasins Darstellung, wonach von vornherein klar gewesen sei, dass sie Studien-Aufträge bekommen würde, deutlich zurückwies.
 

Karmasin hatte beim Prozess-Auftakt am Dienstag erklärt, sie habe vom Ministerium jeweils per Direktvergabe den Auftrag bekommen, mehrere Studien durchzuführen. Aus "Formalitätsgründen" habe das Ministerium nachträglich Vergleichsangebote einholen wollen, und nur deshalb habe Karmasin nach scheinbaren Konkurrentinnen gesucht, die ebenfalls ein Angebot stellen könnten. Dem widersprach nun der als Zeuge geladene Sektionschef im Sportministerium deutlich. "Ihr ist nie mitgeteilt worden, dass sie den Auftrag bekommen wird", sagte der Sektionschef. Auch könne er sich "an nichts Gesagtes" erinnern, das so verstanden werden hätte können. "Ich habe ihr nichts versprochen", betonte der Beamte. 

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Beinschab war bereits im Gericht

Beinschab-Einvernahme abgesagt

Die für Donnerstagnachmittag geplante Einvernahme der Kronzeugin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) Sabine Beinschab wurde kurzfristig abgesagt und auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Ausschlaggebend dafür war, dass die zeugenschaftliche Befragung eines Beamten im Sportministerium mehrere Stunden gedauert hatte. Vor allem Verteidiger Norbert Wess wollte von dem Zeugen Details zur Beauftragung und Vergabe von drei von der Anklage umfassten Studien an Karmasin wissen. Nach einer kurzen Mittagspause verkündete Richter Patrick Aulebauer, dass Beinschab heute nicht mehr vernommen wird. Es sei den Schöffen nicht zumutbar, "dass wir vielleicht bis Mitternacht da sitzen". Die Einvernahme Beinschabs werde "sicher länger dauern", dafür brauche es einen weiteren Termin. 

Zuvor war Karmasin, der schwerer Betrug sowie wettbewerbsbeschränkende Absprachen angekreidet wird, von einer Meinungsforscherin belastet worden. Mit deren Hilfe soll Karmasin unrechtmäßig Aufträge aus dem Sportministerium bekommen haben soll.
 

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Karmasin soll nach ihrem Ausscheiden aus der Politik den Zuschlag für drei Studien für das Sportministerium erhalten haben, indem sie zwei Mitbewerberinnen dazu brachte, von ihr inhaltlich vorgegebene und vorab besprochene Schein-Angebote an das Ministerium zu übermitteln. Eine der beiden war für Donnerstagvormittag als Zeugin geladen, die zweite - die Kronzeugin Sabine Beinschab - soll nun zu einem späteren Zeitpunkt aussagen.

Absprache über Beinschab

Die Absprache sei dabei über Beinschab gelaufen, so die Zeugin, die immer wieder mit Beinschab bei Studien zusammenarbeitete. "Sie (Beinschab, Anm.) hat mich gefragt, ob ich so ein Angebot machen würde. Es war aber ohnehin klar, dass Sophie Karmasin den Auftrag bekommen sollte". Lediglich eine "Order" aus dem Ministerium "im letzten Moment" habe verlangt, Vergleichsangebote für die Studien einzuholen. "Mir wurde genau vorgegeben, wie das Angebot aussehen soll", sagte die Zeugin.
 

Erwartungsgemäß habe Karmasin das Angebot bekommen. "Ich hätte die Studie selber auch auf keinen Fall machen können, vielleicht mit Sabine Beinschab gemeinsam, aber sicher nicht allein". Bei der zweiten Studie sei dann "alles wie beim ersten Mal" gelaufen. Kontakt zu Karmasin habe sie dabei nicht gehabt. Gehabt hätte sie von diesen Scheinangeboten wenig. Beim ersten Mal gar nichts, beim zweiten Mal habe sie in kleinem Umfang mitgearbeitet. "Ich wurde einfach um einen Gefallen gebeten". 

Bei der dritten Studie sei sie dann ausgeschieden. "Ich wusste ja von Anfang an, dass das nicht in Ordnung war. Ich hatte von Anfang an ein schlechtes Gewissen (..). Wenn sie den Auftrag bekommt, dann ist das so, aber ich wollte nicht mehr mithelfen, dass das so ist, und das habe ich beiden (Karmasin und Beinschab, Anm.) gesagt".
 

Die WKStA hatte in dieser Sache auch gegen die als Zeugin aussagende Meinungsforscherin wegen Beitragstäterschaft ermittelt. Dieses Verfahren wurde diversionell erledigt, laut WKStA hat die Frau bereits gemeinnützige Leistungen erbracht.

Sachverständige sollte Vergleichsangebote einholen

Ebenfalls als Zeugin einvernommen wurde eine seinerzeit im Sportministerium für die Einholung der Angebote zuständige Sachverständige. Sie sei von ihrem damaligen Abteilungsleiter, der heute neben Karmasin die Anklagebank drückt, beauftragt worden, Vergleichsangebote einzuholen. Allerdings sei sie dafür erst zuständig gewesen, als es um die dritte der Studien ging. "Ich habe den Auftrag so verstanden, dass ich das genauso machen soll wie meine Vorgänger", darum habe sie auch wieder bei den drei selben Meinungsforscherinnen Angebote eingeholt. Mit den drei Frauen habe sie dabei keinen Kontakt gehabt. Recherchen zu den Meinungsforscherin habe sie nicht angestellt, "ich bin davon ausgegangen, dass das Hand und Fuß hat", was ihre Vorgänger gemacht hätten. Generell habe sie gewusst, dass die Studie "gewünscht" wurde, nicht jedoch von wem. "Ich wusste aber dass es von oben, also über dem (zweitangeklagten, Anm.) Abteilungsleiter kommt".

Wie die Karmasin-Studien zustande kamen und beauftragt wurden, erläuterte im Anschluss ein langjähriger, aufs Vergaberecht spezialisierter Mitarbeiter im Sportministerium. Mit der ersten habe man "den Leuten (der Bevölkerung, Anm.) eine Motivation geben wollen, dass sie sich bewegen", sagte der Zeuge. Bei der ersten Besprechung im Ministerium habe Karmasin "ein relativ vollständiges Konzept zum Bewegungsmonitoring" vorgelegt: "Es hat vom Inhalt her gut ausgeschaut." Das Design und die Auswertung habe gefallen, eine "direkte Zusage" habe es aber bei diesem Termin noch nicht gegeben, betonte der Beamte und widersprach damit Karmasin: "Definitiv nicht. Wir haben keine Freigabe gehabt." Es seien zwei weitere Vergleichsangebote verlangt worden, um den Leistungs- und Kostenumfang beurteilen zu können: "Man wollte es von oben."

Zwar sei in weiterer Folge Sabine Beinschabs Angebot billiger gewesen, er habe aber Karmasin als Bestbieterin beurteilt: "Ich gehe nicht nach dem Billigstbieter-Prinzip." Die Beauftragung habe sich dann infolge des Ibiza-Videos und der Regierungsumbildung verzögert, "aber dann haben wir das Okay bekommen, dass wir das beauftragen dürfen." Die zweite Studie - es ging um Frauen in Vereinssport - sei zwar "ein Sektionschef-Projekt" gewesen, eine "Anordnung", dass Karmasin damit beauftragt würde, habe es aber nicht gegeben, meinte der Zeuge. Es sei aus seiner Sicht unproblematisch, "wenn sich jemand was wünscht und es entspricht dem Vergaberecht", betonte der Jurist. Er bzw. die Vergaberechtsabteilung habe nicht den Eindruck gehabt, dass die Beauftragung Karmasins abgesprochen war: "Es hätte keiner Lunte gerochen. In unserer Abteilung hätte keiner den Eindruck gehabt, dass da etwas abgesprochen war. Zuschanzen hätte man viel eleganter machen können."

Karmasin soll 78.589€ kassiert haben

Karmasin soll sich laut Anklage nach ihrem Ausscheiden aus der Politik auch widerrechtlich Bezugsfortzahlungen erschlichen haben, indem sie Bediensteten des Bundeskanzleramts verschwieg, dass sie ihre selbstständige Tätigkeit nach ihrer Amtszeit als Ministerin nahtlos fortsetzte. Inkriminiert sind 78.589,95 Euro, die Karmasin vom 19. Dezember 2017 bis zum 22. Mai 2018 zu Unrecht bezogen haben soll. Die 56-Jährige hatte dazu beim Prozessauftakt am vergangenen Dienstag erklärt, sie habe nach ihrem Ausscheiden aus dem Ministeramt nicht in das Familienunternehmen zurückkehren können, das man aufgrund ihrer politischen Karriere abgeben habe müssen, und aus einem in Aussicht gestellten Job sei nichts geworden. Deshalb habe sie "sicherheitshalber Entgeltfortzahlung beantragt", ihr "naives Verständnis" sei gewesen, dass ein solcher Antrag mit einem möglichen zukünftigen Beschäftigungsverhältnis zu vereinbaren gewesen sei. "Rückblickend war das ein Fehler. Es tut mir leid."

Oberstaatsanwalt Adamovic dürfte sie mit dieser Verantwortung nicht überzeugt haben. Er präsentierte zu Beginn des heutigen Verhandlungstages im Großen Schwurgerichtssaal "sachverhaltsrelevante Dokumente", wie er sich ausdrückte, die nach Ansicht der WKStA Täuschungshandlungen der Ex-Ministerin untermauern und widerlegen, dass sie Anfang 2018 keine Erwerbstätigkeit ausgeübt habe. Bei den zusätzlichen Beweismitteln handelt es sich um Chat-Auswertungen, vor allem auch Nachrichten, die Karmasin mit ihrer ehemaligen Mitarbeiterin Beinschab ausgetauscht hatte.

"Die Dokumente zeigen, dass Karmasin auch im Jänner 2018 einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, indem sie einen Jahrbuchbeitrag für die Politische Akademie der ÖVP erstellt hat", sagte Adamovic. Im März 2018 habe Karmasin dann auch Provisionsansprüche im Zusammenhang mit einer Studie zur Budgetrede des damaligen Finanzministers Hartwig Löger (ÖVP) erworben, wovon sie selbst ausgegangen sei, wie sich aus einer Chat-Nachricht ergebe. Karmasin habe für diese konkrete Studie auch Beratungsdienste geleistet.

Laut Adamovic soll die Ex-Ministerin schon 2017 - also noch während ihrer Amtstätigkeit - Vorträge geplant und fixiert sowie Honorarverhandlungen geführt haben. Im November und im Dezember 2017 habe sie "ganz grundsätzlich eine Zusammenarbeit mit Beinschab konkret vorbereitet" und ein Business-Modell schriftlich fixiert, legte der Oberstaatsanwalt dar. Abschließend verwies der WKStA-Vertreter auf die "gute Vermögenslage" der Ex-Ministerin, die nach seinem Dafürhalten dem gesetzlich vorgesehenen sechsmonatigen Bezugsfortzahlungsanspruch entgegenstehen, der nur einkommenslosen aus dem Amt geschiedenen Ministerinnen bzw. Ministern zusteht. Karmasin habe damals nicht nur eine Villa in Korneuburg gebaut bzw. ausgebaut, sondern im März 2018 eine Immobilie in Mondsee angemietet.

Karmasin und ihre Verteidiger Norbert Wess und Philipp Wolm äußersten sich zu den vorgelegten Unterlagen vorerst nicht. Sie wurden jedenfalls zum Akt genommen, wie Richter Patrick Aulebauer protokollieren ließ.
 

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