Ex-ÖBAG-Chef

Prozess: Kurz-Verteidigung attackiert Thomas Schmid

10.12.2023

Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid packt im Prozess gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz aus: Der Ex-Kanzler habe bei allen Personalentscheidungen ein Veto-Recht gehabt. Dafür ließ die Verteidigung eine "Bombe" platzen.

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Wien. Um 9.30 Uhr ging der Prozess gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz am Montag im großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts in die nächste Runde. Der Vorwurf ist derselbe: Kurz soll vor dem Ibiza-U-Ausschuss falsch ausgesagt haben.

Schmid distanzierte sich von Kurz und widersprach dessen Aussagen großteils. Die Befragung am Straflandesgericht wurde aufgrund der Länge vertagt. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wirft Kurz sowie dessen ehemaligem Kabinettschef Bernhard Bonelli vor, deren Rolle bei der Besetzung von Aufsichtsrat und Vorstand der ÖBAG im U-Ausschuss kleingeredet zu haben. Belegt sehen die Ankläger die Vorwürfe durch zahlreiche Chats unter anderem mit Schmid, die ein anderes Bild zeichnen sollen. Beide Angeklagte beteuern ihre Unschuld.

Als erster Zeuge beantragt worden

Schmid war sowohl von der WKStA als auch von der Verteidigung als erster Zeuge beantragt worden, was aber wegen terminlicher Schwierigkeiten nicht ging. Gegen den ehemaligen Generalsekretär im Finanzministerium wird wegen weiterer Vorwürfe ermittelt, etwa in der Causa rund um angeblich manipulierte Umfragen durch sein Ministerium zugunsten der ÖVP. In diesem Fall strebt Schmid den Kronzeugen-Status an, sollte es zu einer Anklage kommen.

Zu Beginn der Zeugenbefragung durch Richter Michael Radasztic distanzierte sich Schmid gleich einmal vom Ex-Kanzler und meinte: "Schauen sie, mit Freundschaften ist das so eine Sache..." Natürlich seien derartige berufliche Beziehungen sehr stark von dem getragen, wo man beruflich hin wolle. Er, Schmid, habe nach dem Aufkommen der Vorwürfe in der Öffentlichkeit "einen Neustart gemacht". "Heute habe ich mit dem Herrn Kurz nichts mehr zu tun", so Schmid.

Zeuge widersprach Aussagen der Beschuldigten

Der Zeuge widersprach den Aussagen der Beschuldigten vor allem was die Besetzung der Aufsichtsräte betrifft. So sei es in diesem System etwa "undenkbar" gewesen, dass Personalia nicht mit Kurz abgestimmt worden wären. Die Bestellung von Helmut Kern zum Vorsitzenden des ÖBAG-Aufsichtsrates sei etwa der Vorschlag aus dem Bundeskanzleramt gewesen. Und Einiges sei von dort auch "abgeschossen", Kandidaten abgelehnt worden.

Kurz und Bonelli sei es sehr wichtig gewesen, mitzureden, betonte Schmid in seiner Zeugenbefragung durch den Richter. Dass der damalige und formell zuständige Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) eine eigene Liste mit Aufsichtsräten machen hätte können, verneinte der Zeuge. Schmid versteht laut eigener Aussage auch nicht, warum die beiden Beschuldigten nun nichts mehr damit zu tun haben wollten. "Entschuldigung, da werde ich auch emotional", so Schmid in seiner Befragung in Richtung Vorsitzendem.

"Das war für mich natürlich eine große Auszeichnung"

Kurz habe ihn persönlich gefragt, ob er sich in einer Rolle in der neuen ÖBAG sehen würde, sagte Schmid aus. "Das war für mich natürlich eine große Auszeichnung", so der Zeuge und: "Ich war mir sicher, er will mich dort auch sehen." Eine Art Bewerbungsgespräch mit Kurz habe es aber nie gegeben. Schmid gab außerdem an, dass er sich auch für eine Funktion bei Investor Rene Benko interessiert habe, was Kurz auch gewusst habe. Benko habe aber gemeint, dass die hohe Funktion in der ÖBAG ohnehin "viel spannender" sei.

Vorgelesen wurden bei der Verhandlung auch sämtliche Chats Schmids im Akt. Zu Kurz' mittlerweile berühmter Anmerkung "du Aufsichtsratssammler" und "kriegst eh alles was du willst" meinte der Zeuge, er habe dem damaligen Kanzler immer wieder erklärt, dass die ÖBAG in den Unternehmens-Aufsichtsräten vertreten sein müsste. Wie er, Schmid, die Bemerkung empfunden habe? "Das war positiv." Kurz hatte das Zitat in seiner Befragung vor Gericht als Ermahnung interpretiert, dass Schmid den Hals nicht voll kriegen könne, merkte der Richter an.

Chat-Nachricht von Ex-Finanzminister Gernot Blümel

Noch eine weitere mittlerweile wohl bekannte Chat-Nachricht, diesmal von Ex-Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), wurde Schmid vorgehalten: "Keine Sorge, du bist Familie." Blümel habe damit sagen wollen, "Thomas, du bist einer von uns", interpretierte der Zeuge diese. Zu Blümel habe er während der türkis-blauen Regierungszeit das "engste Verhältnis" gehabt, berichtete er. Es sei hart, aber oft lustig gewesen. Heute gebe es aber keinen Kontakt mehr zu Blümel.

Höchst unüblich ging es weiter: Vorsitzender Radasztic genehmigte zur Überraschung aller einen Antrag der Verteidigung, anstelle der Staatsanwaltschaft die Befragung fortzusetzen, da nichts dagegen spreche. Anwalt Otto Dietrich konfrontierte Schmid dann etwa mit dessen Befragungsprotokoll der WKStA und wollte außerdem wissen, ob diese Druck ausgeübt habe, was der Zeuge jedoch bestritt.

Außerdem hielt die Verteidigung Schmid eine bisher unbekannte Chat-Nachricht vor, in der der Zeuge Kurz zu einem Interview in der ORF-"ZiB2" anlässlich der Causa Beinschab gratulierte. "Das war ein sehr guter Auftritt mit Darlegung, wie es wirklich war", schrieb Schmid damals in der angeblich selbstlöschenden Nachricht. Bereits zuvor wollte der Richter wissen, wie die Fragen mit der gegenständlichen Causa zusammenhängen. Manche Fragen wurden auch nicht zugelassen.

Kurz' Seite versuchte Schmid als unglaubwürdig darzustellen

Auch in der weiteren Befragung versuchte Kurz' Seite, den möglichen künftigen Kronzeugen als unglaubwürdig darzustellen. So wurde etwa neu aufgerollt, dass Schmid versucht hatte, Daten zu löschen, was dieser erst gar nicht bestritt. Aber: "Ich habe offenbar nicht alles gelöscht, sonst würden wir jetzt nicht über Chats reden, aber ich habe offenbar geglaubt, alles gelöscht zu haben."

Zielscheibe für die Verteidigung war aber nicht nur Schmid selbst, der sich ganz klar als Belastungszeuge erwies, sondern auch ein weiteres Mal die WKStA und deren Vorgehen. So soll er exakt das ausgesagt haben, was in einer Anordnung der WKStA steht, selbst die Interpunktion sei dieselbe. Er habe gelegentlich aus Dokumenten oder aus vorbereiteten Unterlagen zitiert, begründete Schmid die Gleichheit.

"Bombe" nicht zugelassen

Eine "Bombe" der Verteidigung, die Schmid völlig unglaubwürdig darstellen lassen sollte, wurde nicht zugelassen.

Die WKStA beantragte aufgrund der Länge der Befragung - erfolgreich - eine Vertagung und argumentierte mit Ermüdungserscheinungen beim Zeugen. Die Befragung Schmids wurde daher auf den 15. Dezember vertagt, an dem eigentlich Blümel geladen war. Dessen Befragung wurde auf den 10. Jänner verschoben.

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