Die ÖVP hat am Dienstag am ersten Befragungstag der U-Ausschuss-Woche versucht, Vorwürfe zu entkräften, dass es in der Justiz zu politischer Einflussnahme gekommen sei.
Auf ÖVP-Wunsch befragt wurde dazu am Dienstagvormittag Justiz-Sektionschefin Barbara Göth-Flemmich, die laut eigener Aussage keine Wahrnehmung zu politischen Netzwerken in der Justiz hatte.
Sektionschefin sieht kein "System Pilnacek"
Von ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger gefragt, ob es ein von der Opposition behauptetes "System Pilnacek" in der Justiz gab, sagte Göth-Flemming, sie habe dazu "überhaupt keine Wahrnehmung". "Ich muss dazu sagen: Jemand in der Justiz, der sich klar in die eine oder andere Richtung definieren würde, hätte kein Standing (in der Justiz, Anm.)" Hanger sah sich dadurch bestätigt und meinte, damit hätten schon zahlreiche Auskunftspersonen kein derartiges System wahrgenommen.
Göth-Flemming arbeitet seit 2004 als Leiterin der Abteilung für Internationales Strafrecht im Justizministerium - und zwar bis Herbst 2020. Darüber hinaus war sie auch Stellvertreterin von Sektionschef Pilnacek. Als Justizministerin Zadic im Frühjahr 2020 die damals von Pilnacek geleitete fusionierte Strafrechtssektion wieder in zwei Sektionen auftrennte (in eine für Straf-Legistik, eine weitere für Einzelstrafrecht) folgte sie dann dem (mittlerweile suspendierten) Pilnacek als Sektionschefin für Strafsachen nach. Damit hatte sie ab diesem Zeitpunkt auch die Fachaufsicht über die Staatsanwaltschaften über. Pilnacek selbst bewarb sich erneut und erhielt damals die Sektion für Legistik.
Vom Grünen Abgeordneten David Stögmüller nach einem SMS Pilnaceks an den Steirischen Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer gefragt, in dem Pilnacek Göth-Flemming als "meine Erfindung" bezeichnet haben soll, konnte die Auskunftsperson nichts sagen: Dazu habe sie "keine Wahrnehmung".
Vor Beginn des Befragungstages hatte ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger Justizministerin Zadic selbst Einflussnahme vorgeworfen. So sei der Weisungsrat bei der Anklage gegen diesen Oberstaatsanwalt mehr oder weniger übergangen worden, kritisierte der ÖVP-Fraktionsführer. Der Weisungsrat sei ein Beratungsgremium des Ministers oder der Ministerin, verteidigte Göth-Flemming das Vorgehen. Darum entscheide auch Zadic, wann sie diesen herbeizieht. Zudem seien die Weisungen aus dem Ministerium gut dokumentiert und daher auch transparent.
Nach Göth-Flemming war am Dienstag noch Gerhard Nogratnig zweite Auskunftsperson. Er leitet jene Abteilung (III) im Ministerium, die für die Personalbesetzungen von Richtern und Staatsanwälten sowie für Dienstrechtliches zuständig ist. Für ihn liegt die Ursache des Justizstreits im Verfahren rund um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), so seine Einschätzung. Dieses sei aus der Sicht Pilnaceks "nicht so gelaufen ist, wie er sich das vorgestellt hat", was zu einer latenten Verstimmung geführt habe, führte er zu Beginn seiner Befragung aus. "Ich bin zwangsläufig mit den Ausläufern dieses Erdbebens befasst gewesen", so der Beamte.
Gefragt wurde Nogratnig u.a. auch zur Bestellung der Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs (OGH), Eva Marek, zur Leiterin der Oberstaatsanwaltschaft Wien im Jahr 2014 - diese war erfolgt, obwohl sie nicht Erstgereihte war. An die Öffentlichkeit gelangte Chats legen nahe, dass Mareks Besetzung parteipolitisch motiviert gewesen sein könnte - was sie bei ihrer eigenen Befragung Anfang Mai zurückgewiesen hatte. Der damalige Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) habe keine politischen Motive für Mareks Ernennung genannt, sagte Nogratnig. Auch wies er darauf hin, dass es immer wieder vorkomme, dass ein Minister die Reihung der Personalkommission umdrehe - aus unterschiedlichen Gründen.
Der Grüne-Abgeordnete Stögmüller wollte von Nogratnig auch wissen, was er von jenem berühmt-berüchtigten "Schmuddeldossier" über die WKStA wisse. "Ich war ehrlich gesagt fast an der Wiege dieses Dokuments", antwortete die Auskunftsperson. Es habe relativ lange eindeutige Unzufriedenheitsäußerungen gegeben - aufseiten der Oberstaatsanwaltschaft und aufseiten des Ministeriums, vor allem der Tonfall der WKStA sei auf Missfallen gestoßen. Daher habe er gesagt, man solle einmal zu Papier bringen, "was euch aufregt" und er habe Fuchs geraten, das zu Papier zu bringen. "Mein Bestreben war es, dem (dem Ärger über die WKStA, Anm.) eine gewisse Struktur zu geben", so der Beamte.