Am Mittwoch startet der Falschaussage-Prozess gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz. Es droht eine wahre Prozessschlacht, die bis in den November hinein dauert.
Mittwoch, 9.30 Uhr, startet der Polit-Prozess des Jahres. Neben der Hauptangeklagten Ex-Casino-Chefin Bettina Glatz-Kremsner und seinem ehemaligen Kabinettschef Bernhard Bonelli muss Ex-Kanzler Sebastian Kurz auf der Anklagebank im großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts Platz nehmen. Der Strafantrag lautet auf Falschaussage, im Fall von Kurz vor dem Ibiza-U-Ausschuss. Darauf stehen bis zu 3 Jahre Haft, alle bestreiten die Vorwürfe.
An sich keine besonders aufwändige Sache, könnte man glauben. Doch obwohl der Richter (und ehemalige Eurofighter-Ermittler) Michael Radasztics ohnehin schon ungewöhnliche viele Verhandlungstage - nämlich drei - bis 23. Oktober angesetzt hat, dürfte sich der Prozess bis in den November hineinziehen.
Richter Michael Radasztics führt den Vorsitz.
Denn die Sache wird kompliziert: Auf sage und schreibe 108 Seiten hat die WKStA dargestellt, warum sie den Angeklagten Falschaussage vorwirft. Geht es bei Glatz-Kremsner auch um Aussagen vor Ermittlungsbehörden, so orten die Ermittler bei Kurz in drei Fällen vor dem Ibiza-U-Ausschuss vom Juni 2020 bewusst wahrheitswidrige Aussagen. Im Großen und Ganzen geht es darum, dass Kurz seine Rolle bei der Bestellung von Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid sowie dem ÖBAG-Aufsichtsrat bzw. bei Postenaufteilungen in der türkis-blauen Koalition heruntergespielt hat – für die WKStA eben eine Falschaussage. Detailliert zerpflücken die Staatsanwälte auch ein Gutachten, das Kurz in Auftrag gegeben hatte und das ihn entlasten sollte.
Auch Ex-Casinos-Chefin Bettina Glatz-Kremsner.
Angeklagt ist auch Ex-Kabinettschef Bernhard Bonelli.
Es wird ein Kampf: Denn Kurz hat bereits vergangene Woche in einer Gegenäußerung große Geschütze gegen die WKStA aufgefahren und den Anklägern parteipolitische Motive unterstellt. Und: Kurz hat zwar bestritten vor dem U-Ausschuss gelogen zu haben – gleichzeitig aber als mögliches Motiv „Aussage-Notstand“ ins Treffen geführt. Übersetzt: Da die WKStA bereits gegen ihn ermittelt habe, sei ihm nichts anderes übriggeblieben, so auszusagen, auch wenn es falsch gewesen sein sollte.
Aussagen sollen Hartwig Löger und Gernot Blümel.
Und es wird ein Marathon. Noch kennen wir die Zeugenliste der Verteidigung nicht – doch allein die WKStA hat 18 Zeugen beantragt: Allen voran klarerweise den Hauptbelastungszeugen Thomas Schmid und zwei ehemalige ÖVP-Finanzminister: Hartwig Löger und Gernot Blümel. Ranghöchster Zeuge dürfte Kurz‘ ehemaliger Vizekanzler Heinz-Christian Strache sein. Auf der Liste steht aber auch Ex-Casinos-Vorstand Peter Sidlo, der Industrielle Siegfried Wolf und Ex-Raiffeisen-Generalanwalt Walter Rothensteiner_ Ex-Öbag-Aufsichtsratschef Helmut Kern, ein FPÖ-Klubdirektor, Management-Berater usw.
Ebenfalls auf der Zeugenliste: Heinz-Christan Strache
Mit einem Urteil ist also nicht vor Ende November zu rechnen, weitere Prozess-Termine muss der Richter aber noch festelegen.
Übrigens: Kurz selbst wird wohl erst am Freitag – dem zweiten Prozesstag – zu Wort kommen, starten wird der Prozess mit den Plädoyers und wohl mit Glatz-Kremsner.