Affären

Viele Zeugen: Kurz-Prozess wird Marathon

15.10.2023

Am Mittwoch startet der Falschaussage-Prozess gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz. Es droht eine wahre Prozessschlacht, die bis in den November hinein dauert.

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Mittwoch, 9.30 Uhr, startet der Polit-Prozess des Jahres. Neben der Hauptangeklagten Ex-Casino-Chefin Bettina Glatz-Kremsner und seinem ehemaligen Kabinettschef Bernhard Bonelli muss Ex-Kanzler Sebastian Kurz auf der Anklagebank im großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts Platz nehmen. Der Strafantrag lautet auf Falschaussage, im Fall von Kurz vor dem Ibiza-U-Ausschuss. Darauf stehen bis zu 3 Jahre Haft, alle bestreiten die Vorwürfe.

An sich keine besonders aufwändige Sache, könnte man glauben. Doch obwohl der Richter (und ehemalige Eurofighter-Ermittler) Michael Radasztics ohnehin schon ungewöhnliche viele Verhandlungstage - nämlich drei - bis 23. Oktober angesetzt hat, dürfte sich der Prozess bis in den November hineinziehen.

 

© Michael Radasztics

Richter Michael Radasztics  führt den Vorsitz.

 

Denn die Sache wird kompliziert: Auf sage und schreibe 108 Seiten hat die WKStA dargestellt, warum sie den Angeklagten Falschaussage vorwirft. Geht es bei Glatz-Kremsner auch um Aussagen vor Ermittlungsbehörden, so orten die Ermittler bei Kurz in drei Fällen vor dem Ibiza-U-Ausschuss vom Juni 2020 bewusst wahrheitswidrige Aussagen. Im Großen und Ganzen geht es darum, dass Kurz seine Rolle bei der Bestellung von Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid sowie dem ÖBAG-Aufsichtsrat bzw. bei Postenaufteilungen in der türkis-blauen Koalition heruntergespielt hat – für die WKStA eben eine Falschaussage. Detailliert zerpflücken die Staatsanwälte auch ein Gutachten, das Kurz in Auftrag gegeben hatte und das ihn entlasten sollte.

 

© APA/HANS PUNZ

Auch Ex-Casinos-Chefin Bettina Glatz-Kremsner.

© club-alpbach.at

Angeklagt ist auch Ex-Kabinettschef Bernhard Bonelli.

Es wird ein Kampf: Denn Kurz hat bereits vergangene Woche in einer Gegenäußerung große Geschütze gegen die WKStA aufgefahren und den Anklägern parteipolitische Motive unterstellt. Und: Kurz hat zwar bestritten vor dem U-Ausschuss gelogen zu haben – gleichzeitig aber als mögliches Motiv „Aussage-Notstand“ ins Treffen geführt. Übersetzt: Da die WKStA bereits gegen ihn ermittelt habe, sei ihm nichts anderes übriggeblieben, so auszusagen, auch wenn es falsch gewesen sein sollte.

© APA/HANS KLAUS TECHT

Aussagen sollen Hartwig Löger und Gernot Blümel.

Und es wird ein Marathon. Noch kennen wir die Zeugenliste der Verteidigung nicht – doch allein die WKStA hat 18 Zeugen beantragt: Allen voran klarerweise den Hauptbelastungszeugen Thomas Schmid und zwei ehemalige ÖVP-Finanzminister: Hartwig Löger und Gernot Blümel. Ranghöchster Zeuge dürfte Kurz‘ ehemaliger Vizekanzler Heinz-Christian Strache sein. Auf der Liste steht aber auch Ex-Casinos-Vorstand Peter Sidlo, der Industrielle Siegfried Wolf und Ex-Raiffeisen-Generalanwalt Walter Rothensteiner_ Ex-Öbag-Aufsichtsratschef Helmut Kern, ein FPÖ-Klubdirektor, Management-Berater usw.

 

Ebenfalls auf der Zeugenliste: Heinz-Christan Strache

Mit einem Urteil ist also nicht vor Ende November zu rechnen, weitere Prozess-Termine muss der Richter aber noch festelegen.
Übrigens: Kurz selbst wird wohl erst am Freitag – dem zweiten Prozesstag – zu Wort kommen, starten wird der Prozess mit den Plädoyers und wohl mit Glatz-Kremsner.
  

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