Kurz vor der nächsten ORF-Stiftungsratssitzung übten FPÖ und Stiftungsrat Peter Westenthaler heftige Kritik am "durchgeknalltem" ORF: Als Teil ihres EU-Wahlkampfs setzt die FPÖ auf eine Kanonade gegen den Sender.
ORF-Stiftungsrat Peter Westenthaler denkt nicht an Mäßigung. Vor wenigen Wochen hatte ihn noch eine große Mehrheit seiner Kollegen im obersten ORF-Gremium mittels Brief dazu aufgefordert, unternehmensschädigende und herabsetzende Aussagen zum ORF zu unterlassen. Am Mittwoch legte der von der FPÖ entsandte Stiftungsrat nach. Der ORF sei in den vergangenen Wochen "völlig durchgeknallt" und fahre eine "systematische, flächendeckende Kampagne" gegen die FPÖ.
Für ORF-Stiftungsrat Peter Westenthaler sind viele im ORF Beschäftigte "unfassbare Dilettanten". Am Mittwoch nannte er neun Punkte, wie er "aufräumen" will. Unter anderem fordert er das Ende der Haushaltsabgabe.
Hafenecker voller Häme: "Wolf sanft und zart bei Schilling"
Bei der Pressekonferenz sprach als erstes FPÖ-General Christian Hafenecker, welcher eine Tirade gegen den ORF abfeuerte. Er tobte, dass ZIB-Moderator Armin Wolf zeige, wie "sanft und zart er sein kann, wenn er (die grüne EU-Kandidatin Lena) Schilling interviewt." Er selbst sei „schon etwas anders befragt worden“, meinte er wehleidig.
Er wollte wissen, warum Lena Schillings Likes auf Social Media für Parolen wie "Fick die Polizei" oder "Österreich du Nazi" kein Thema für den ORF wären.
Hafenecker sieht den ORF "im Wahlkampf gegen die FPÖ". Er sagte: "Wenn wir uns darüber beklagen, dass die Bevölkerung immer polarisierter wird, dann ist es die verdammte Pflicht des ORF zur Seriosität zurückzukehren."
Eine ORF-Attacke ging ins Leere
Hafenecker schimpfte, dass es dem ORF keine Meldung wert sei, wenn AFD-Politiker angegriffen würden. Zeitgleich war auf der blauen Seite des ORF ganz oben die Meldung: „AfD-Politiker mit Messer attackiert“.
Westenthaler: "So etwas habe ich noch nie erlebt"
Nach dem FPÖ-General sprach ORF-Stiftungsrat Peter Westenthaler. Er sagte: "So eine Kampagne, wie sie der ORF in den letzten Wochen gegen die FPÖ fährt, habe ich noch nie erlebt." Damit spielte er auf die EU-Wahlen an, bei
ORF-Haushaltsabgabe, Armin Wolf, Wahl-Hochrechnung und Spionage
Westenthaler nannte 9 Tagesordnungspunkte, die er in der Sitzung nächsten Donnerstag vortragen will. Dann kommt der Stiftungsrat am 13. Juni zum letzten Mal vor dem Sommer zusammen. Einer der Punkte: Vermutete Spionage am Küniglberg:
- Haushaltsabgabe – "In Zeiten wie diesen völlig deplatziert, ein Gesetzespfusch, rechtswidrig", sagte Westenthaler. UND: " Die Regierung und der ORF haben sich um 180.000 haushalte verrechnet, 34 Millionen Euro Mindereinnahmen drohen, das gesamte ORF-Budget gerät ins Wanken."
- Armin Wolf Vorladung gescheitert. Westenthaler wollte ZIB-Moderator Wolf in den Stiftungsrat vorladen - mit diesem Begehr scheiterte er, fand dafür keine Mehrheit.
- Wer macht die ORF-Wahlhochrechungen? Westenthaler regte sich darüber auf, dass die neue ORF-Ausschreibung für ein neues ORF-Wahlforschungs-Institut nur auf ein Institut zutreffe: "Das SORA-Nachfolgeinstitut Foresight". (Anm: SORA wird nach einem öffentlich gewordenen Angebot an die SPÖ nicht mehr vom ORF in Anspruch genommen.)
- Spionage am Küniglberg? Westenthaler vermutet auch, dass Russen-Spion Jan Marsalek, die einstige Wirecard-Führungskraft, ein Spionagenetz im ORF-Hauptquartier aufgebaut habe. Darüber will er aber erst bei der Stiftungsratssitzung mehr sagen.
In ihrer Pressekonferenz sieben Tage vor der nächsten ORF-Stiftungsratssitzung kritisierten FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker und Stiftungsrat Peter Westenthaler den öffentlich-rechtlichen Sender heftig. Für das Finale ihres EU-Wahlkampfs - am Sonntag wird gewählt - setzt die FPÖ so auf einen brutalen Frontalangriff auf den ORF.
"Vertreter und Stimme" des ORF-Publikums
Westenthaler bezeichnete sich im Rahmen einer Pressekonferenz als Kontrolleur, als "Vertreter und Stimme" des ORF-Publikums. Seine Vision sei ein besserer ORF. Damit klar werde, dass er seine Kontrollfunktion ernst nehme, habe er nun neun Punkte auf die Tagesordnung der nächsten ORF-Stiftungsratsitzung in der kommenden Woche gesetzt. "Das wird eine längere Sitzung", meinte Westenthaler, wie auch schon im Vorfeld der März-Sitzung, die aber schließlich nicht wesentlich länger als üblich dauern sollte.
"Parteipolitische Agitation"
In der Vergangenheit warf Westenthaler dem ORF "parteipolitische Agitation" vor. Danach gefragt, ob er nun nicht selbst parteipolitische Agitation - nur im Sinne der FPÖ - betreibe, verneinte Westenthaler. Er würde auch Kritik an Ungerechtigkeiten gegenüber der SPÖ oder den Grünen üben. Aber es gebe schlicht keine.
"Im ORF gibt es keine Äquidistanz, nur gegenüber der FPÖ im Sinne von Gegnerschaft", zeigte sich Westenthaler überzeugt.
Für ORF "gesetzlich unmöglich" einen Stiftungsrat abzuberufen
Dass er als ORF-Stiftungsrat abberufen werden könnte, glaubt er nicht. Es sei im Falle des ORF "gesetzlich unmöglich" einen Stiftungsrat abzuberufen. "Außer er fehlt dreimal unentschuldigt", so Westenthaler. Ein Vergleich mit dem Aktienrecht, wo eine Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern möglich ist, sei nicht zulässig, meinte er. Denn für eine solche Abberufung ist eine Hauptversammlung nötig, die es im Falle des ORF nicht gebe.
Heftige Kritik der SPÖ an Hafenecker und Westenthaler
"Nicht unabhängige Medien, die frei und objektiv berichten, haben ihren Anstand über Bord geworfen und zur Spaltung der Gesellschaft beigetragen, sondern die Kickl-FPÖ", reagierte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim in einer Aussendung auf die Aussagen Hafeneckers.
Die FPÖ wolle unabhängige Medien an die kurze Leine nehmen, während sie selbst "Desinformation in ihren Postings und Videos auf diversen Kanälen" verbreite.