Stadtrechnungshof beauftragt
Ludwig zur Wien Energie: "Es gibt nichts zu verbergen"
30.08.2022Bürgermeister Michael Ludwig nahm erstmals zur Causa Wien Energie Stellung.
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Wien. Weil im Zusammenhang mit dem Liquiditätsengpass bei der Wien Energie auch der Verdacht aufgetaucht ist, dass sich die Stadtwerke-Tochter an den Strombörsen verspekuliert und dabei Milliardenbeträge in den Sand gesetzt haben könnte, hat Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) am Dienstag eine Sonderprüfung der Organe von Wien Energie und Stadtwerken durch den Stadtrechnungshof und externe Gutachter angekündigt. "Ich möchte damit zeigen, dass es nichts zu verbergen gibt", so Ludwig.
Dass die Stadt Wien nun vom Bund über die Bundesfinanzierungsagentur (OeBFA) um eine Kreditlinie beantragt habe, um eventuell kurzfristig notwendige Kautionszahlungen der Wien Energie für Geschäfte an den Strombörsen finanzieren zu können, sei kein ungewöhnlicher Vorgang, sagte Ludwig am Dienstag bei einer Pressekonferenz. Es gehe um Überbrückungen, "das Geld wird ja dann auch wieder zurückgezahlt. In den letzten zwei Jahren haben davon fast alle österreichischen Bundesländer Gebrauch gemacht in unterschiedlicher Höhe - von 100 Millionen Euro pro Jahr bis zu 4 Milliarden pro Jahr."
Zwei Darlehen von 700 Mio. Euro bewilligt
Ludwig verwies darauf, dass Deutschland und andere Länder bereits ähnliche Schutzschirme für Energieversorger aufgespannt hätten - in Deutschland seien 100 Mrd. Euro dafür vorgesehen, um gesunde Unternehmen im Energiesektor unterstützen zu können. In Österreich gebe es einen solchen Schutzschirm nicht, daher habe Wien einen eigenen Schutzschirm aufgespannt. "Ich habe im Zuge dessen meine Möglichkeit als Bürgermeister ausgeschöpft, um am 15. Juli entsprechend der Stadtverfassung für ein Darlehen von 700 Mio. Euro zu bewilligen und ein weiteres Darlehen gestern in derselben Höhe von 700 Mio. Euro."
Stadtwerke-Vizechef Peter Weinelt betonte neuerlich, dass die Wien Energie nicht an den Strombörsen spekuliert habe. "Wenn es einen Kundenvertrag gibt, dann gibt es auch einen Liefervertrag. Das gilt für den Strom, das gilt fürs Gas. Es gibt keinen Leerverkauf." Abgesehen davon müsse die Wien Energie mit Strom handeln. Die Wien Energie brauche Wärme und habe Kraftwerkserzeugung von Jänner bis März und von Oktober bis Weihnachten. Im Sommer habe man keine eigene Erzeugung, "das heißt, wir kaufen diesen Strom zu". Wasserkrafterzeuger würden den meisten Strom im Sommer erzeugen, der von der Wien Energie abgenommen werde. Darüber hinaus sei viel Liquidität dadurch gebunden, dass man die eigenen Gasspeicher bereits zu mehr als 91 Prozent gefüllt habe.
Die hohen Handelsmengen in der Bilanz würden sich durch eine Mehrfachzählung ergeben: "Die Wien Energie beschafft das und gibt diese Energie, meistens Strom und Gas an die Vertriebstochter Energie Allianz mit der EVN und der Energie Burgenland weiter." Diese Menge tauche in der Bilanz mehrfach auf. "Physikalisch gibt es die dreifache Menge nicht."
Betrag von über 1,7 Mrd. Euro sei eine Kaution
Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) erklärte, der am Montag zu leistende Betrag von über 1,7 Mrd. Euro sei eine Kaution, "die nicht verloren ist, die kein Aufwand ist". Inzwischen habe sich herausgestellt, dass davon 798 Mio. Euro wieder gutgebucht worden seien. Auch die zweimal von der Stadt Wien zur Verfügung gestellten 700 Mio. Euro seien nur eine Sicherheit gewesen. Bei der ÖBFA verhandle man sicherheitshalber um eine Kreditlinie von 2 Mrd. Euro, die man im Bedarfsfall an die Wien Energie weitergeben könne. Diesen Kredit brauche man momentan nicht, aber man müsse vorsorglich für Liquidität sorgen.
Die Schätzung von 6 bis 10 Mrd. Euro für einen Schutzschirm für die Energieversorger setzte Hanke in Bezug zum deutschen Schutzschirm von 100 Mrd. Euro. "Momentan brauchen wir gar nichts, Aber wir wissen nicht, wo wir in einer Woche, in einem Monat, in zwei Monaten stehen."
Die Wiener ÖVP befand in einer Reaktion, dass man "verkrampft" versuche, den Eindruck zu erwecken, es sei nichts passiert. Dabei sei offenbar das Problem seit langem bekannt gewesen, sagte Parteichef Karl Mahrer. Dass ein erster Zuschuss bereits im Juli gewährt worden sei, sorgt für Kritik. "Es ist eine völlige Missachtung der demokratischen Gremien in Wien, solch horrende Summen einfach freizugeben."
Der Verfassungsgerichtshof habe sich hier bereits in der Vergangenheit deutlich ausgedrückt. Die Urlaubszeit wie der Sommer würden keinen Grund darstellen, auf eine zeitgerechte Einberufung von Gemeindegremien zu verzichten, so Mahrer in einer Aussendung.
Grüne wollen Untersuchungskommission
Wiens Grünen-Chef Peter Kraus ließ bei einem Pressetermin mit der Ankündigung aufhorchen, die ÖVP zu Gespräche über eine mögliche Untersuchungskommission zu bitten. Zwar könne man das Unternehmen selbst nicht zum Gegenstand eines solchen Gremiums machen - die in diesem Zusammenhang getätigten politischen Entscheidungen aber schon. Auch Kraus staunte darüber, dass so lange nichts von den Zahlungen bekannt geworden ist. "Warum hält man einen Schutzschirm so lange geheim?"
Den Wunsch nach einer U-Kommission zum ihrer Ansicht nach "größten Finanzskandal" der Stadt hatte auch die FPÖ am Vormittag geäußert. Prinzipiell kann die Opposition in Wien eine solche Kommission in die Wege leiten - wenn auch keine Partei alleine. Denn es sind mindestens 30 Unterschriften für einen Antrag nötig. Die größte Oppositionspartei, die ÖVP, verfügt über 22 Sitze im Stadtparlament, die Grünen über 16 und die FPÖ über 8.
Auch FPÖ-Chef Nepp revidierte seine Kritik nach der Pressekonferenz mit dem Bürgermeister nicht. Er ortete "hohle Phrasen" und weitere Unwahrheiten, wie er in einer Aussendung berichtete.
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