Weil ihnen die geplante Gesundheitsreform nicht passt, drohen die Ärzte mit Kündigung aller Kassenverträge. Die Patienten müssten Behandlungen dann direkt bezahlen.
Die Ärztekammer verschärft die Drohungen im Konflikt um die geplante Gesundheitsreform im Zuge des Finanzausgleichs. Man wolle die Bevölkerung informieren, dass die Patientenversorgung dadurch deutlich verschlechtert würde, sagte Vizepräsident Edgar Wutscher am Donnerstag zur APA. Zudem droht die Ärztekammer - wie schon öfters - mit einem vertragslosen Zustand. Aus der ÖVP hieß es, dass die Gespräche mit den Grünen zu dem Gesetz noch lange nicht abgeschlossen seien.
Man überlege Schritte, die zu einer Auflösung des Gesamtvertrags mit der Kasse führen, berichtete Edgar Wutscher, der auch als Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte fungiert, aus einer entsprechenden Sitzung vom Mittwochabend. "Das ist dem geschuldet, dass ja der Bund und die Sozialversicherung die bestehenden Verträge so ummodellieren wollen, dass es quasi zu einer Zwangsverpflichtung von Ärzten und zu Einschränkungen der Versorgung der Patienten kommen wird", erklärte er.
Das Gesetzesvorhaben aus dem grün geführten Gesundheitsministerium sieht in mehreren Bereichen die Entmachtung der Ärztekammer vor, so deren Befürchtung. Es geht um die Stellenplankompetenz, das Mitspracherecht bei der Gründung von Ambulatorien und die Mitsprache bei Gesamtverträgen. Sorgen bereitet den Kämmerern zudem eine gesetzliche Codierungspflicht der Krankheitsbilder ihrer Patienten ab 2025 sowie eine E-Card- und ELGA-Pflicht für Wahlärzte ab 2026. Weiterer Stein des Anstoßes: Ärzte sollen künftig nur noch Wirkstoffe und nur noch in Ausnahmefällen konkrete Medikamente verschreiben dürfen.
Wutscher betont, dass sich die Kammer bei den bisher gelaufenen Gesamtvertragsverhandlungen hinters Licht geführt fühle. Wenn die Länderkammern mit ihrer Regionalkompetenz bei der Stellenvergabe nicht mehr mitreden können, werde dies etwa dazu führen, das Bund und Kasse ein Ärztezentrum an einen Talanfang setzen würden, die anderen Ärzte am Talschluss aber aufhören müssten. "Das kranke Mutterl, 50 Kilometer davon entfernt, muss schauen, wie es dann einen Doktor kriegt", warnte er.
Gesundheitsminister Johannes Rauch.
Sollte der aktuelle Gesamtvertrag ohne Ersatz aufgelöst werden, könne das "auch heißen", so Wutscher, dass es zu einem vertragslosen Zustand kommt. Die Patienten müssten dann beim Arzt zahlen, was immer dieser von ihnen verlangt, würden von der Krankenkasse aber nur 80 Prozent des jeweiligen Kassentarifs zurückbekommen. Entweder man bringe Sozialversicherung und Bund so wieder zu seriösen Gesprächen mit der Ärztekammer, so der Funktionär, oder man müsse als Ärzte selbst eine bestmögliche Versorgung auf die Beine stellen. Andere Formen von Protesten stellte er in Abrede: "Nein, Demonstrationen brauchen wir keine."
ÖVP beginnt einzuknicken
Noch ist es aber nicht so weit, denn bei der ÖVP, großer Koalitionspartner der Grünen und den Anliegen der niedergelassenen Ärzten üblicherweise durchaus zugetan, verweist man auf noch offene Verhandlungen mit den Grünen. "Die Gespräche innerhalb der Koalition laufen", ließ Gesundheitssprecher Josef Smolle wissen. Bis es eine Lösung gibt, könne es sich noch hinziehen.
Rauch macht Druck
Für den grünen Gesundheitsminister Johannes Rauch drängt hingegen die Zeit. Er möchte wegen der Verknüpfung mit dem Finanzausgleich das Gesetz ohne vorherige Begutachtung noch im November im Parlament einbringen, damit es im Dezember beschlossen werden kann. Grünen-Gesundheitssprecher Ralph Schallmeiner meinte am Donnerstag zu den Ankündigungen Wutschers, es sei "dringend notwendig, dass die Ärztekammer mit den ständigen Drohszenarien aufhört". Den Patientinnen und Patienten sei damit nicht geholfen, ebenso wenig wie mit Vetos und der Ablehnung von innovativen Versorgungsformen durch die Ärztekammer.