Der von Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) organisierte Lebensmittelgipfel ist am Montag ohne Ergebnisse zu Ende gegangen.
"Ich verstehe die Sehnsucht nach einfachen Antworten auf komplexe Fragen", sagte Rauch nach dem Gipfel vor Journalisten in Wien. Es werde Fortsetzungsgespräche zu den hohen Lebensmittelpreisen geben, etwa von Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) mit Experten und am Rande des Ministerrats. "Es wird Entscheidungen rasch geben", kündigte Rauch an.
Thema beim Gipfel war unter anderem neben mehr Preistransparenz das von Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) ins Spiel gebrachte "französische Modell" zur Dämpfung des Lebensmittelpreisanstiegs. In Frankreich haben sich große Lebensmittelhändler und Regierung im März darauf geeinigt, dass Supermärkte auf freiwilliger Basis die Preise für eine Reihe von Produkten des täglichen Bedarfs von April bis Juni "möglichst niedrig" halten. Der Handelsverband lehnt ein derartiges Modell als "nicht sinnvoll" ab. In Frankreich sei etwa die größte Handelskette nicht dabei, sagte Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will nach dem Gipfel. "Die Möglichkeit lebt weiter", sagte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) zum Thema freiwillige Vereinbarungen im Handel.
Im März verteuerten sich Nahrungsmittel um 14,6 %
Im März verteuerten sich Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke in Österreich im Schnitt nach HVPI-Berechnung um 14,6 Prozent. In der Eurozone belief sich der Anstieg auf 17,9 Prozent und in Deutschland auf 22,9 Prozent.
Der Lebensmittelgipfel im Sozialministerium mit über 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmern dauerte Montagvormittag rund zwei Stunden. Anwesend waren unter anderem Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP), Landwirtschaftskammer-Präsident Josef Moosbrugger, ÖGB-Chef Wolfgang Katzian, Rewe-Österreich-Chef Marcel Haraszti, IHS-Direktor Klaus Neusser, Momentum-Institut-Leiterin Barbara Blaha und der Stellvertretende Direktor der Diakonie Österreich, Martin Schenk. Landwirtschaftsminister Totschnig bezeichnete das Treffen als "sehr konstruktiv". Totschnig wies darauf hin, dass die Bauern seit mehreren Monaten bereits weniger Geld für ihre Produkte erhalten würden, dies aber noch nicht bei den Supermarktpreisen angekommen sei.
ÖVP lehnt Streichung der Mehrwertsteuer für Grundnahrungsmittel ab
Die schon seit längerem von SPÖ, ÖGB und FPÖ geforderte temporäre Streichung der Mehrwertsteuer für Grundnahrungsmittel lehnt die ÖVP bisher kategorisch ab. Die Grünen können sich eine derartige Maßnahme für Grundnahrungsmittel nur vorstellen, wenn die Händler die Steuersenkung auch an die Konsumenten weitergeben. Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) hat stattdessen eine Preisdatenbank für Lebensmittel vorgeschlagen.
Handelsverband-Geschäftsführer Will und WKÖ-Handelsobmann Rainer Trefelik sehen die Schuld für hohe Supermarktpreisen in den Kosten für Energie, Miete, Steuern und nicht in der Branche. Für den Handel sind die Lebensmittelpreise in Deutschland und Österreich nur bedingt vergleichbar. Handelsvertreter verwiesen auf unterschiedliche Mehrwertsteuersätze, andere Lohnkosten, höhere Transportkosten, mehr regionale und Bio-Lebensmittel in Österreich und eine kleinstrukturierte Landwirtschaft. Auch würden internationale Markenkonzerne in Österreich - einem Markt mit weniger Mengenvolumen - höhere Einstandspreise verlangen als in Deutschland. Landwirtschaftsvertreter verwiesen auch auf die höchste Anzahl an Supermärkten in Österreich im EU-Vergleich pro 100.000 Einwohner.
Für Aufsehen hat kürzlich eine Studie von OeNB-und EZB-Ökonomen geführt, die sich Supermarktpreise in Deutschland und Österreich für die Jahre 2008 bis 2018 in einem Radius von 60 Kilometern auf beiden Seiten der Grenze angesehen hat. Im Schnitt waren die Preise auf der österreichischen Seite um 13 Prozent höher.
Gipfel löste zahlreiche Reaktionen aus
Schon im Vorfeld und während der Gespräche löste der Gipfel zahlreiche Reaktionen aus. Kritik kam von der FPÖ, die seitens der Regierung einen Mangel an Konzepten gegen die Inflation ortete. Der Handelsverband und die Wirtschaftskammer (WKÖ) betonten, dass der Handel nicht Verursacher der hohen Preise, sondern selbst davon betroffen sei. Die Industriellenvereinigung (IV) forderte gezielte Anti-Teuerungsmaßnahmen für Hilfsbedürftige, aber warnte davor, Geld mit der "Gießkanne" auszuteilen. Die Landwirtschaftskammer (LKÖ) und der ÖVP-Bauernbund verwiesen darauf, dass die Erzeugerpreise zuletzt gesunken seien und die Bäuerinnen und Bauern daher nicht von den hohen Preisen im Handel profitieren würden.
Die Arbeiterkammer (AK) wiederum verlangte ein aktives Eingreifen in die Preise. Greenpeace forderte eine Mehrwertsteuersenkung auf Lebensmittel. Die Umweltschutzorganisation WWF eine generelle Streichung der Steuer auf Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte. Das gewerkschaftsnahe Momentum Institut hob hervor, dass eine Steuersenkung auf Lebensmittel vor allem einkommensschwächere Haushalte entlasten würde. Geht es nach der Armutskonferenz, sollte eine Preisdatenbank eingeführt werden.
Die Handelskette Hofer gab indes am Tag des Gipfels bekannt, die Butterpreise zu senken – mehr dazu HIER.