Als erster Bundeskanzler der Republik Österreich besucht Karl Nehammer (ÖVP) Angola.
Gemeinsam mit Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) nahm der Kanzler am Dienstagvormittag an einem Wirtschaftsforum mit österreichischen und angolanischen Wirtschaftsvertretern teil. Auch zahlreiche angolanische Minister waren vertreten. Im Anschluss werden Nehammer und Totschnig vom seit 2017 amtierenden Präsidenten João Lourenço im Präsidentenpalast in Luanda empfangen.
"Wir haben uns teilweise in einseitige Abhängigkeiten begeben von anderen Ländern, wie Russland oder China. Umso wichtiger ist es jetzt, auf Diversifizierung zu setzen und unsere diplomatischen Türen in den globalen Süden - allen voran nach Afrika - zu öffnen", begründete der Kanzler im Vorfeld seine Afrika-Reise, die ihn auch noch nach Ghana und Ägypten führen wird.
© APA/ROBERT JAEGER
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Bis dato ist die Wirtschaft Angolas vor allem auf den Export von Rohstoffen fokussiert, 90 Prozent der Exporte und der Großteil der öffentlichen Einnahmen gehen auf den Öl- und Gasreichtum des Landes zurück. Nach Nigeria ist Angola, das seit 2007 auch Mitglied der OPEC ist, der zweitgrößte Erdölproduzent und -exporteur Afrikas. Allerdings muss das südwestafrikanische Land für den Eigenbedarf selbst raffiniertes Öl importieren, da es im Land selbst an Raffineriekapazitäten mangelt.
Kleine Schicht profitiert vom Ölreichtum des Landes
Bisher profitiert auch nur eine kleine Schicht der Gesellschaft vom Ölreichtum des Landes, laut Weltbank leben gut 56 Prozent der Bevölkerung in Armut. Zwischen 2010 und 2015 zogen rund 150.000 Portugiesen aufgrund der Wirtschaftskrise im eigenen Land in die ehemalige Kolonie Portugals, wo die Wirtschaft aufgrund der reichen Erdöl- und Diamantvorkommen boomte. Die Wohnungsmieten in wohlhabenden Gegenden der über neun Millionen Einwohner zählenden Hauptstadt Luanda gehören mittlerweile zu den höchsten der Welt.
Der Rohstoffreichtum des Landes und die westlichen Sanktionen gegenüber russischen Energieexporten aufgrund des Angriffskriegs in der Ukraine führten dieses Jahr schon zahlreiche Politiker nach Angola. So besuchte Anfang März der französische Präsident Emmanuel Macron das Land. Auch der russische Außenminister Sergej Lawrow war heuer schon dort, russische Staatskonzerne sind dort in der Diamanten- und Erdölförderung tätig. Zudem ist China in Angola stark vertreten. Über ein Viertel der chinesischen Kredite für Afrika in den Jahren 2000 bis 2020 flossen nach Angola, insgesamt rund 39 Milliarden Euro. Doch aufgrund des gesunkenen Ölpreises konnte Angola seine Schulden nicht mehr bedienen. Präsident Lourenço setzte in der Folge auf eine Diversifizierung der Wirtschaft und der Handelspartner. Dies sei eine "Frage von Leben oder Tod", begründete er diesen Schritt.
Der Ex-Verteidigungsminister kam 2017 als Nachfolger des 38 Jahre lang autoritär herrschenden José Eduardo dos Santos, der 2022 verstarb, an die Macht. Der 69-Jährige versprach Wirtschaftsreformen, Investitionen in den Gesundheitssektor sowie ein Ende der weit verbreiteten Korruption. Wegen der grassierenden Miss- und Günstlingswirtschaft liegt das Land seit Jahren in einschlägigen Listen internationaler Organisationen in der Spitzengruppe der korruptesten Staaten weltweit.
Angola ist knapp 15 Mal so groß wie Österreich
Potenzial für eine wirtschaftliche Entwicklung des knapp 15 Mal so großen Landes wie Österreich gibt es vor allem in der Landwirtschaft. So wären bei einer Gesamtfläche von fast 125 Millionen Hektar, fast 58 Millionen Hektar landwirtschaftlich nutzbar. Von den 35 Millionen Hektar als Ackerland nutzbarem Land wird jedoch nur ein Zehntel aktuell bewirtschaftet. "Neben der Versorgung mit Lebensmitteln schafft Landwirtschaft Arbeitsplätze und Einkommen vor Ort. Österreich will einen Beitrag leisten, die Landwirtschaft in Afrika und damit die Stabilität des Kontinents zu stärken", betonte Totschnig. Der Landwirtschaftsminister trifft zu Mittag seinen angolanischen Amtskollegen Antonio Francisco de Assis zu einem bilateralen Gespräch.
Aufgrund des 27 Jahre dauernden Bürgerkriegs, der mit der Unabhängigkeit von Portugal 1975 begann und erst 2002 endete, ist jedoch vor allem der ländliche Raum Angolas unterentwickelt. Die Landbevölkerung war in die Städte geflüchtet, Verminung vieler Gebiete ist immer noch ein Problem. So produziert Angola derzeit auch nur ein Prozent der Menge an Kaffee wie vor 1975. Dennoch konnten auch positive Entwicklungen verzeichnet werden und der Anteil der Landwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt von fünf Prozent im Jahr 2005 auf 9,5 Prozent im Jahr 2021 gesteigert werden.