Zum Abschluss seiner Afrika-Reise hat Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Donnerstag den ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi getroffen.
Nehammer betonte das enorme Potenzial bei der Zusammenarbeit in Wirtschafts- und Sicherheitsfragen. Der Bundeskanzler lobte auch Ägyptens Anstrengungen bei der Bekämpfung des Menschenhandels. Eine Kooperation in Migrationsfragen sei geplant, bei einem Besuch Sisis in Wien soll noch heuer eine Vereinbarung unterschrieben werden.
"Für Europa ist es wichtig, Asyl und Migration zu trennen", so Nehammer. Es brauche legale und geregelte Zuwanderung, damit man mehr gegen illegale Migration vorgehen könne. Österreich könne vom großen Arbeitskräftepotenzial Ägyptens profitieren und hoffe diesbezüglich auf ein ähnliches Abkommen mit Ägypten wie mit Indien, das kurz vor der Unterzeichnung stünde, so Nehammer. Sisi plädierte für die Schaffung von institutionellen Mechanismen für legale Migration, denn nur dadurch wäre es möglich, die illegale Migration abzuschaffen.
Derzeit 288.000 Flüchtlinge in Ägypten
Aktuell sind laut dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) in Ägypten über 288.000 Flüchtlinge und Asylwerber aus 60 Nationen offiziell registriert, die Mehrheit davon kommt aus Syrien. Laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) leben aber insgesamt etwa sechs Millionen Flüchtlinge im Land, darunter sehr viele aus dem Sudan und Eritrea. Seit 2016 verhindert die ägyptische Küstenwache systematisch die Abfahrt von Flüchtlingen aus Ägypten, zahlreiche Migranten sind seither inhaftiert. Nach Europa kommt seither kaum mehr ein Flüchtling durch.
Des weiteren verwies Sisi auf Erfolge in der Terrorbekämpfung und äußerte die Hoffnung, dass die Zusammenarbeit mit Österreich in nächster Zeit intensiviert und die wirtschaftliche Kooperation ausgebaut werde. Sisi lobte die seit über 150 Jahren bestehenden Beziehungen zwischen beiden Ländern. "Wir waren uns einig, dass wir diese Partnerschaft weiter entwickeln und verankern sollen", sagte der ägyptische Machthaber. Ägypten fordere Russland und die Ukraine zu einem Dialog auf, da "diese Krise" sehr negative Auswirkungen auf die Sicherheit und Nahrungsversorgung hätte, so Sisi. Im Sudan bemühe sich Ägypten um Stabilität.
Sisi ist im Jahr 2013 als Armeechef durch einen Militärputsch gegen den gewählten islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi an die Macht gelangt und führt das Land seitdem mit harter Hand. Eine ernsthafte politische Opposition gibt es in Ägypten mittlerweile nicht mehr. Die Meinungs- und Pressefreiheit sind massiv beschnitten. Menschenrechtler berichten immer wieder von Folter sowie außergerichtlichen Tötungen durch Sicherheitskräfte. Die Regierung versprach zwar Verbesserungen, Organisationen wie Amnesty International beschreiben die Menschenrechtssituation aber weiterhin als katastrophal und kritisieren die willkürliche Inhaftierung Zehntausender Menschen in den vergangenen Jahren.
Ägypten leidet unter einer sehr hohen Inflation
Momentan leidet das Land unter einer sehr hohen Inflation, ausgelöst durch den Ukraine-Krieg, die Covid-Krise, aber auch durch die hohe Staatsverschuldung aufgrund der zahlreichen Bauprojekte. Die Preise für Lebensmittel haben sich innerhalb eines Jahres fast verdoppelt. Ägypten ist auch stark abhängig von ausländischen Geldgebern. Das Land ist seit dem Friedensschluss mit Israel 1979 der zweitgrößte Empfänger von US-Militärhilfen, aus den Golfstaaten flossen seit dem gescheiterten arabischen Frühling Milliarden, um das Regime zu stabilisieren.
Nehammer nahm im Anschluss gemeinsam mit dem ägyptischen Premierminister Moustafa Kamal Madbouli und mehreren ägyptischen Ministern an einem großen Wirtschaftsevent teil. Dabei unterzeichneten die österreichischen Unternehmen Voestalpine Railway Systems und Plasser&Theurer Verträge mit den Ägyptischen Eisenbahnen. Die Biblioteca Alexandrina und die Österreichische Nationalbibliothek unterschrieben ein Memorandum of Understanding.
Große Infrastrukturprojekte
Große Chancen für Kooperationsmöglichkeiten sah der Bundeskanzler für österreichische Firmen bei den großen Infrastrukturprojekten, so wird derzeit eine neue Hauptstadt östlich von Kairo gebaut und der Suezkanal erweitert, aber auch im Verkehrsbereich und besonders im Bereich der Produktion von grünem Wasserstoff in Ägypten. "Wasserstoff wird eine Zukunftsfrage für die Energieversorgung werden und ist daher auch für Österreich wichtig. Gerade in Nordafrika gibt es hier großes Potenzial", betonte der Bundeskanzler.
Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) traf indes den ägyptischen Wasserminister Hani Sewilam und vereinbarte mit ihm einen Ausbau der Zusammenarbeit in der Wasserwirtschaft. Ägypten habe großes Potenzial für österreichische Unternehmen etwa in der Wasseraufbereitung und der Nutzung der Wasserkraft, sagte Totschnig. Bis 2030 werden voraussichtlich weltweit knapp 2,4 Milliarden Menschen ohne Zugang zu sauberen Trinkwasser sein, nahezu 700 Millionen Menschen könnten aufgrund von Wasserknappheit zur Migration gezwungen werden. "Jeden Beitrag, den wir zur Sicherstellung der Wasserversorgung in diesen Ländern leisten, kann Fluchtursachen verringern", sagte Totschnig.