Gegen Abschiebung
Alle kämpfen für Asylmädchen Araksya
15.10.2010
Polizei wollte sie in Klasse verhaften. Mitschüler planen Protestmarsch.
Neue Fälle von Abschiebungen integrierter Kinder: In Österreich macht sich nun eine Front gegen die Abschiebepraxis der Innenministerin breit.
Aufregung
Nach der Abschiebung der 8-jährigen Zwillingsmädchen vergeht kaum ein Tag, an dem nicht neue Fälle von Abschiebungen integrierter Familien bekannt werden. Allein in dem Freunde schützen-Haus in Wien, aus dem die Zwillinge abgeschoben wurden, zittern drei hier geborene, bestens integrierte Kinder vor der Ausweisung. Auch in Oberösterreich wurden nun zwei tragische Fälle drohender Abschiebungen gut integrierter Familien bekann.
Große Aufregung herrscht vor allem rund um die geplante Abschiebung Araksyas (14) und ihrer Mutter nach Armenien. Ein Fall, der starke Paralellen zu Arigona Zogaj aufweist.
Für Entrüstung sorgt vor allem, dass die Fremdenpolizei Araksya direkt aus der Schule in Schubhaft nehmen wollte. Das Mädchen konnte, wie auch Arigona, rechtzeitig vor den Polizisten flüchten und bei einer befreundeten Familie untertauchen. Ihre Mutter hingegen wurde in Schubhaft genommen, am selben Abend aber wieder frei gelassen, weil man sie nur gemeinsam mit der Tochter abschieben wollte.
Am nächsten Tag musste die stark suizidgefährdete Frau ins Spital – kurz darauf meldete sich Araksya zurück. Die Volkshilfe brachte das völlig verängstigte Kind nun bei einer Familie unter. Die Abschiebung wurde auf Eis gelegt, solange, bis die Mutter aus dem Spital zurück ist.
Protest-Welle von Schülern und Organisationen
Araksya gilt als Vorzugsschülerin, sie spricht fließend Deutsch. Ihr Klassenvorstand Gabriele Nemeth beschreibt sie als "extrem zielstrebig": "Ich kenne das Mädchen erst seit Schulanfang. Was mir besonders auffiel ist, dass Araksya genau wusste, was sie will: eine gute Aubildung. Und dafür kämpfte sie."
In der Schule will man nun für den Vebleib von "Araksi", wie viele sie nennen, kämpfen. In einem offenen Brief an Innenministerin Maria Fekter fordern die Schüler ein humanitäres Bleiberecht für Araksya und ihre Mutter. Für Dienstag ist gemeinsam mit der Sozialistischen Jugend ein Protestmarsch geplant.
Widerstand kommt auch von privaten Hilfsorganisationen. Bundespräsident Heinz Fischer und die Klubobmänner Karlheinz Kopf (ÖVP )und Joseph Cap (SPÖ) sprachen sich für eine Änderung der Abschiebepraxis aus. Die Unterbringung von Kindern in Gefängnissen habe in Österreich nichts verloren.
Müssen alle diese Kinder aus dem Land?
(c) TZ Österreich/Fally
In Linz-Urfahr wurde jetzt ein tragischer Fall einer geplanten Ausweisung einer fünfköpfigen Familie aus Armenien bekannt: Die drei Kinder Arman (9), Armine (8) und Arziom (7) sind hier geboren und gehen in Linz-Urfahr zur Schule, sprechen perfekt Deutsch. Die Eltern waren im November 2004 nach Österreich gekommen und hatten hier einen Asylantrag gestellt. Erst vor vier Monaten kam der Ausweisungsbescheid. Jetzt zittert die Familie täglich vor der Abschiebung. Mutter Susan: "Jeden Abend, wenn wir schlafen gehen, haben wir Angst, ob die Fremdenpolizei uns nicht aus den Betten holt. Es ist schrecklich!"
Der Familienvater hatte einen Job in einer Fleischhauerei gefunden, die Mutter als Abwäscherin in einem Restaurant. Nun haben die Eltern die Arbeitsbewilligung verloren, obwohl ihre Arbeitgeber ihnen weiterhin einen Job anbieten würden.
Die Familie ist nun auf die Hilfe der Caritas angewiesen. Auch die Stadtpfarre Linz-Urfahr hilft, wo Hilfe nötig ist.
Autistisches Kind muss jetzt nach Armenien
Kein Aufatmen auch bei den Kindern im Freunde schützen-Haus in Wien-Meidling, in dem auch die Zwillingsmädchen Dorentinya und Daniella lebten: Ihrer beste Freundin, die 7-jährige Ina, könnte selbst mitsamt ihrer Mutter Nara (27) droht jeden Tag die Abschiebung nach Armenien, ein Land, das sie nie zuvor betreten hat, weil sie in Österreich zur Welt kam.
Auch Eva und Rafael sind in Österreich geboren und müssen "zurück" nach Armenien. Für Rafael eine Qual: Er leidet unter Epilepsie und Autismus. Reißt man ihn aus seiner vertrauten Umgebung, könnte er sich völlig in sich zurückziehen. Die Eltern Marina (41) und Andraniks S. (44) sind verzweifelt, weil es in Armenien keine medizinische Behandlung oder Schule für ihren Sohn gibt.