Die neue Regierung wurde unter großem Protest angelobt. In Salzburg mauerten Demonstranten die SPÖ-Zentrale zu, in Wien belagerten sie Gusis Wohnung. Leser haben uns Bilder geschickt.
Unter heftigen Protesten von Jugendvertretern und Polizeigewerkschaftern haben die Mitglieder der neuen Bundesregierung am Donnerstag die Präsidentschaftskanzlei zur Angelobung betreten. Während ihres Weges warfen einige Demonstranten auch eine Rauchbombe und der Platz war in Nebel gehüllt, als das Regierungsteam eintraf.
2.000 Demonstranten
Mehr als 2.000 Gegner der großen Koalition
hatten sich am Heldenplatz eingefunden. Auch eine Handvoll Pensionisten
waren bei der Demo vertreten. Die Polizeigewerkschaft positionierte sich auf
der anderen Seite des Ballhausplatzes. Die Stimmung war sehr aufgeheizt.
Gusenbauer ging jedoch lächelnd über den Platz.
Erste Ausschreitungen
Gegen 11.30 Uhr gab es bereits erste
Ausschreitungen. 50 bis 100 Vermummte versuchten die Sperren einzurennen.
Während der überwiegend große Teil der laut Polizei etwa 2.000 Demonstranten
gegen die Angelobung der rot-schwarzen Regierung ihrem Zorn lediglich mit
Parolen und Trillerpfeifen Luft machte, kam es zwischen einem kleinen Teil
der Aktivisten und der Polizei zu gewaltvollen Szenen. Demonstranten
begannen gegen die Sperrgitter zu treten und die Polizisten zu attackieren.
Die Exekutive reagierte mit einem Großaufgebot an Beamten.
Die Stimmung war nach dem Zwischenfall weiter sehr gespannt.
"Anarchistische Splittergruppe"
Immer wieder flogen
Farbbeutel, Eier und andere Wurfgeschosse in Richtung der Polizisten.
Seitens der Exekutive hieß es, dass es sich bei dem gewaltbereiten Teil um
eine "anarchistische Splittergruppe" handelt.
Oberirdischer Weg zur Kanzlei
Im Gegensatz zur Angelobung der
schwarz-blauen Regierung im Jahr 2000 haben dieses Mal sämtliche
Regierungsmitglieder die Präsidentschaftskanzlei oberirdisch betreten. Auf
Grund starker Proteste wurde damals der Weg unterirdisch gewählt. Der
designierte Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (S) und der designierte
Vizekanzler Wilhelm Molterer (V) machten auf dem kurzen Weg vom
Bundeskanzleramt in die Hofburg kurz halt, um sich vor den anwesenden
Journalisten zu zeigen. Dahinter standen die künftigen Minister.
Angelobung
SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer ist am Donnerstag kurz
nach 11.00 Uhr als neuer Bundeskanzler angelobt worden. Nach der Ablegung
des Gelöbnisses gab es Applaus von den roten und schwarzen
Regierungsmitgliedern. Anschließend fand die Angelobung des designierten
ÖVP-Obmanns Wilhelm Molterer von Bundespräsident Heinz Fischer in der
Hofburg als Vizekanzler statt
Fischer hatte vor der Angelobung Gusenbauer "sehr herzlich" dazu gratuliert, dass er seinen Auftrag zur Bildung einer stabilen Bundesregierung mit einer parlamentarischen Mehrheit erfüllt habe. Als Auftrag gab Fischer der neuen Regierung mit, auf Lob und Kritik, die schon ab dem ersten Tag zu erwarten seien, entsprechend zu reagieren. Kritische Stimmen müssten sachlich und ernsthaft entgegen genommen werden. Lob solle die Regierenden nicht übermütig machen.
SPÖ-Jugend distanziert sich von Ausschreitungen
Der
Vorsitzende der Sozialistischen Jugend (SJ), Torsten Engelage, hat sich am
Donnerstag klar gegen Ausschreitungen bei der Demonstration von
Jugendvertretern distanziert. Allerdings brauche es politischen Protest,
sagte er im Gespräch. Erfreut zeigte er sich darüber, dass auch Vertreter
der ÖVP-nahen Aktionsgemeinschaft (AG) teilnahmen.
Demo löste sich rasch auf
Nur etwa eine halbe Stunde
nachdem die neue Regierung angelobt worden war, hat sich auch die
Demonstration von Jugendvertretern beinahe aufgelöst. Etwa 200 Menschen sind
am frühen Nachmittag noch am Heldenplatz verblieben, um friedlich ihren
Unmut zu äußern. Auch gröbere Vorfälle waren ausgeblieben. Die Exekutive
zeigte sich mit den Verlauf zufrieden.
60 Aktivisten vor Gusis Wohnung
In den frühen Morgenstunden
belagerten bereits rund 50 bis 60 Demonstranten die Straße vor der Wohnung
des SPÖ-Vorsitzenden und designierten Bundeskanzlers Alfred Gusenbauer im 7.
Wiener Gemeindebezirk, um gegen die Zugeständnisse der Sozialdemokraten an
die ÖVP bei der Bildung der Großen Koalition zu protestieren. Seit 6.00 Uhr
früh machen Studentenvertreter und SP-nahe Gewerkschafter lautstark auf sich
aufmerksam.
Angesichts der Demonstrationen vor seinem Haus zeigte sich Gusenbauer nicht beeindruckt. "Ein österreichischer Bundeskanzler verlässt sein Haus nicht über einen Tunnel. Ich werde ganz normal über den Ballhausplatz gehen", so der SPÖ-Chef im Ö3-Radio. Jedenfalls "normalerweise gehe ich unbehelligt aus dem Haus raus. Heute war offenbar die Hausbesetzerszene unterwegs".
Salzburger SPÖ-Zentrale zugemauert
Nicht nur in Wien
protestieren die jungen Roten gegen die Regierungsbildung. Rund 20
VSSTÖ-Mitglieder haben in Salzburg die SPÖ-Zentrale zugemauert. Mit Ziegeln,
Sand und Zement zogen vor 05.00 Uhr früh die SPÖ-Studenten vor die Zentrale
ihrer Partei. Sie mauerten Stein um Stein und schlossen damit die Tür. Damit
kann weder jemand hinein noch hinaus. Lesen
Sie die ganze Geschichte hier.
Polizeischutz am Ballhausplatz
Am frühen Vormittag waren bereits
300 Polizisten rund um den Ballhausplatz postiert. Weitere 350 waren in
Einsatzbereitschaft. Seitens der Exekutive hieß es, man sei gut ausgerüstet
Unruhen schon am Dienstag
Am Dienstag war es am Rande einer
SPÖ-Veranstaltung im Museumsquartier zu einer Rangelei zwischen 150 bis 200
Demonstranten und der Polizei gekommen.
Erinnerungen an 2000 werden wach
Besonders heftige Proteste gab
es zuletzt bei der Angelobung der ÖVP-FPÖ-Koalition am 4. Februar 2000.
Mehrere Tausend Demonstranten versammelten sich vor dem Ballhausplatz und
bewarfen Polizei und Journalisten mit Eiern, Steinen und mit Trockeneis
gefüllten Flaschen. Die Regierung musste daraufhin aus Sicherheitsgründen
den Gang vom Bundeskanzleramt in die Hofburg unterirdisch antreten. Am Abend
des selben Tages gab es eine Straßenschlacht auf dem Ballhausplatz und in
der Kärntner Straße mit mehr als 50 Verletzten.