Die Familie Zogaj wird aller Wahrscheinlichkeit nach doch ohne fremdenpolizeiliche Gewalt das Land verlassen. Die Chancen auf eine Rückkehr sind allerdings rein rechtlich betrachtet sehr gering.
Der Tag nach dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs (VfGH): Trotz der endgültigen Entscheidung, Österreich mit ihrer Familie verlassen zu müssen, erscheint Arigona Zogaj (18) in der Früh wie immer im Linzer Landwied-Gymnasium. Die Nacht hat sie bei Freunden in der Linzer Innenstadt verbracht – ihre Mutter weinte sich in Frankenburg in den Schlaf.
Ihre Mitschüler trösten sie an diesem Tag, Freunde schicken Dutzende SMS, die Mut machen sollen. Mitten im Unterricht läutet ihr Handy: Am Apparat ist Josef Friedl, Pfarrer von Ungenach und seit Jahren so etwas wie ein „Ersatzvater“ für die Familie Zogaj. Die beiden vereinbaren ein Treffen – es soll um Arigonas Zukunft gehen. Nach der Schule fährt Arigona mit einer Betreuerin nach Frankenburg zu ihrer Familie. Um 16.30 Uhr huscht Arigona aus dem Mazda, verschreckt sperrt sie die schwere Tür zum Gutshaus auf. Sie sagt: „Bitte nicht jetzt, ich kann nichts sagen, ich muss erst mit meiner Mutter sprechen. Mehr möchte ich nicht sagen.“ Sie kocht Essen für Mutter Nurie. Rund zwei Stunden später holt sie ein Mini-Van wieder ab.
Reist Familie freiwillig aus?
Hinter den Kulissen zeichnet sich
jedoch ab, wie ihre nahe Zukunft aussehen könnte. Vieles deutet darauf hin,
dass die Zogajs das Angebot durch Innenministerin Maria Fekter, freiwillig
aus dem Land reisen zu können, wahrnehmen. Arigonas gesamtes Umfeld, allen
voran ihr persönlicher Betreuer Christian Schörkhuber, rät ihr dazu. Er
sagt: „Wir waren immer an einer legalen Lösung interessiert. Die Signale
sind ein Lichtlein am Horizont. Ich befürworte die freiwillige Ausreise,
wenn das Ministerium grünes Licht gebe, den Kosovaren bei der Wiedereinreise
keine Steine in den Weg zu legen.“ Auch Pfarrer Friedl: „Ich werde Arigona
unterstützen, dass sie freiwillig ausreist.“ (Siehe Interview unten)
Ab Sommer im Kosovo
Die Frist für die freiwillige Ausreise
beträgt laut der zuständigen Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck (BH) so
lange, bis „die Familie ihre persönlichen Dinge geregelt hat“. Heißt:
Arigona und ihre Geschwister Albin und Albona machen noch ihren
Schulabschluss in Österreich – Ende Juni werden die Zeugnisse verteilt. Dann
erfolgt die gemeinsame (freiwillige) Ausreise in den Kosovo.
Rückkehr fast unmöglich
Den Sommer würden sie im
Kosovo verbringen, um ab Herbst um Aufenthalt in Österreich legal
anzusuchen. Laut Ministerin Fekter wäre ein Ansuchen um Schülervisum bis hin
zu Schlüsselarbeitskraft möglich – laut Experten in Wirklichkeit jedoch ein
schier unmögliches Unterfangen.
Chancen sind gleich null
Das Land diskutierte gestern über den
„Geheim-Plan“, den Innenministerin Maria Fekter in ÖSTERREICH enthüllt
hatte. Die VP-Politikerin hat der Familie Zogaj empfohlen, freiwillig
auszureisen, um später wieder legal nach Österreich zurückzukehren. Laut dem
Fremdenrechtsexperten Christoph Riedl von der Flüchtlingshilfe ist das aber
gar nicht so einfach.
Variante 1: Arigona beantragt Schülervisum. Laut Gesetz müsste sie dafür einen Kontostand von 5.200 Euro und einen Gratis-Wohnplatz vorweisen. Riedl: „Zudem müsse sie ihre Ausbildung nachweisen. Und: Weil Arigona 18 Jahre alt ist, wäre es nach einem Jahr Aufenthalt als Schülerin wieder vorbei.“ Ihr stünde dann offen, ein Hochschul-Studien-Visum zu beantragen.
Variante 2: Arigona heiratet einen Österreicher. Dann kann sie sich erst im Alter von 21 Jahren – also in drei Jahren – in Österreich niederlassen. Wolle sie früher nach Österreich kommen, muss Arigona erneut illegal einreisen und sich bis dahin „durchschummeln.“ Experte Riedl: „Zudem besteht bei dieser Option oft eine sehr lange Wartezeit, auch aufgrund von Quotenplätzen.“
Nurie als Schlüsselarbeitskraft?
Was Arigonas Mutter Nurie
betrifft, stehen die Chancen auf Rückkehr gleich null. Ihr stünde der Zuzug
als Schlüsselkraft offen. Aber laut Gesetz müsse sie eine „besondere, am
Arbeitsmarkt nachgefragte Ausbildung“ haben. Sie müsse ein Unternehmen
finden, dass ihr ein Einkommen von mindestens 2.466 Euro monatlich
garantiert. Nurie Zogaj arbeitete als Putzfrau. Zudem müsse nachgewiesen
werden, dass Zogajs Anstellung „Nutzen für die Region“ habe. Riedl: „Diese
Voraussetzungen sind so streng, dass fast nur Uni-Absolventen in Frage
kommen.“
Der Experte schätzt die Chancen auf eine sofortige Rückkehr der Zogajs gleich null ein. „Rein rechtlich betrachtet sehe ich hier fast keine Möglichkeit – außer es gibt eine Bevorzugung oder eine Art Gnadenakt.“
Hier das Interview mit Pfarrer Josef Friedl:
ÖSTERREICH: Sie haben mehrmals mit Arigona telefonisch gesprochen. Wie geht es ihr?
Josef Friedl: Das Ganze muss sich bei ihr erst setzen. Sie mag dazu im Moment nichts sagen. Ich lauf vor allen davon, sagte sie mir. Arigona ist geschockt, weil sie nicht davon ausgegangen ist, dass es den Bescheid mit dieser Tragweite geben wird.
ÖSTERREICH: Was soll die Familie jetzt tun?
Friedl: Ich werde sie unterstützen, dass sie jetzt freiwillig ausreisen. Wie das genau aussieht, kann niemand sagen. Es bleibt noch Zeit, man wird Arigonas Schulschluss abwarten. Die nächste Frage, die sich stellt, ist die: Bei einer formellen Abschiebung bezahlt der Staat, bei der freiwilligen Ausreise liegen die Kosten zur Gänze bei der Familie.