In 2 bis 3 Wochen
Arigonas Familie will freiwillig gehen
22.06.2010
Keine Chance mehr für Arigona: Laut Bescheid muss ihre Familie Österreich „unverzüglich“ verlassen.
Die Zogajs wollen freiwillig aus Österreich ausreisen und nicht eine mögliche Abschiebung abwarten. Das gab die Volkshilfe Oberösterreich, die die Familie betreut, am Mittwoch bekannt. In Gesprächen mit der zuständigen Bezirkshauptmannschaft (BH) Vöcklabruck soll geklärt werden, bis wann Arigona, ihre Mutter und die beiden jüngeren Geschwister das Land verlassen müssen. Die Zogajs würden sich jedenfalls zwei bis drei Wochen Zeit wünschen, um persönliche Angelegenheiten regeln und die Ausreise entsprechend vorbereiten zu können.
Gesundheit der Mutter
Es gehe insbesondere um die Abklärung des
Gesundheitszustandes von Nurie Zogaj, so die Volkshilfe. Sie sei nach wie
vor psychisch schwer angeschlagen und in ärztlicher Behandlung. Es müsse
sichergestellt werden, dass die Frau die Ausreise und die Zeit danach
unbeschadet übersteht. "Das Vorgehen der Fremdenpolizei in den
vergangenen Tagen hat jedenfalls nicht dazu beigetragen, dass sich ihr
Zustand verbessert hätte", erklärte Walter Deil, der
Pressesprecher der Volkshilfe Oberösterreich.
Der Rechtsbeistand der Familie, der Linzer Anwalt Helmut Blum, stellte auf Anfrage fest, die im Schreiben der BH enthaltene Formulierung "unverzüglich" werde routinemäßig im Zusammenhang mit rechtskräftigen Ausreiseweisungen verwendet. Es müsse sich nicht um eine sofortige Abschiebung handeln, auch eine geordnete Ausreise sei denkbar. Er denke, dass dies auch in diesem Fall möglich sein werde, so Blum. Da sich die Familie seit 2002 in Österreich aufhalte, sei es verständlich, dass sie nicht innerhalb von Tagen wieder ausreisen könne. Man müsse auch berücksichtigen, dass es hier um Kinder gehe, die noch das Schuljahr abschließen sollten. Blum ist überzeugt, dass dies im Gespräch mit der BH zustande gebracht werde.
"Benefiz für Arigona"
Kommenden Montag geht im
Dreiraum-Theater in Wien ein "Benefiz für Arigona und Familie"
über die Bühne, für das sich u.a. Erwin Steinhauer, Otto Tausig und Roland
Neuwirth angekündigt haben. Am 3. Juli findet in Frankenburg (Bezirk
Vöcklabruck), dem langjährigen Wohnort der Zogajs, ein "Fest
für Arigona" mit Franzobel und Sigi Maron statt.
Arigonas Lehrerin: "Politik tobt sich aus"
Arigonas
Geschichtslehrerin Eva Hötzendorfer bezeichnet die bevorstehende Ausreise
der Zogajs als einen "Skandal". "Man tobt sich politisch auf dem Rücken der
Familie aus", sagte sie Mittwochvormittag im Gespräch mit der APA. Pädagogen
hätten den Auftrag, Kinder in die Gesellschaft zu integrieren. "Dann reißt
man sie plötzlich heraus."
Es bedeute einen unglaublichen Stress, wenn man jeden Tag damit rechnen müsse, abgeschoben zu werden, so Hötzendorfer. "Arigona war immer wieder krank, weil sie die Situation nicht gepackt hat." Sie bewundere die 18-Jährige dafür, wie sehr sie sich für den Unterricht interessiere und sich daran beteilige, erklärte die Lehrerin. "Die Klasse steht voll hinter ihr."
"Sehr, sehr viele" befänden sich in einer ähnlichen Lage wie die Zogajs. "Erst heute ist ein Mädchen zu mir gekommen und hat von der Abschiebung seines Onkels erzählt, der seit 2002 in Österreich war", berichtete Hötzendorfer. "Das ist wirklich eine Schande."
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Alles Hoffen war schließlich umsonst: Per E-Mail wurde Arigona Zogajs Anwalt Helmut Blum darüber informiert, dass die Familie Österreich „unverzüglich“ zu verlassen habe. Acht Jahre nach Arigonas illegaler Einreise nach Österreich steht es nun schwarz auf weiß: Die 18-jährige Schülerin darf mit ihrer Mutter Nurije und ihren Geschwistern Albin (11) und Albona (10) nicht in ihrer oberösterreichischen Heimat Frankenburg bleiben. Dramatisch: Rechtlich gesehen könnte nun, nach der Zustellung des Bescheides, jederzeit die Fremdenpolizei bei den Zogajs vor der Tür stehen – und die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck den Bescheid jeden Tag vollziehen.
Ausweisung obliegt der Bezirkshauptmannschaft
Erst vergangenen
Montag hatte der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde gegen den
Ausweisungsentscheid zurückgewiesen – im Fall Zogaj sei alles korrekt
verlaufen. Allerdings: Die Schnelligkeit, mit der nun vollzogen wird, ist
für viele dann doch überraschend.
Fest steht: Obwohl die Familie eigentlich sofort ausreisen muss, wird ihr wohl noch einige Tage Schonfrist in Österreich gewährt werden. „Wie rasch es in solchen Fällen zu einer Ausweisung kommt, liegt immer im Ermessen der zuständigen Bezirkshauptmannschaft“, erklärt Christoph Riedl vom Diakonie Flüchtlingsdienst. Anny Knapp von der Asylkoordination ergänzt: „Den Betroffenen wird die Möglichkeit gegeben, notwendige Vorkehrungen zur Ausreise zu treffen. Übers Knie wird das meist nicht gebrochen.“
Umfeld der Familie rechnet mit zwei Wochen Schonfrist
Das Umfeld
von Arigona Zogaj zumindest rechnet mit einer Vollstreckung des Bescheids
innerhalb der nächsten zwei Wochen. Ähnliches deutet auch Martin
Gschwandtner von der zuständigen Bezirkshauptmannschaft an: „Einen genauen
Termin geben wir nicht bekannt, aber wir bewegen uns im Rahmen von Tagen und
wenigen Wochen, aber sicher nicht von Monaten.“ Möglich ist, dass die
Behörden mit einem Eingreifen abwarten, bis Arigona und ihre Geschwister
ihre Zeugnisse am 9. Juli bekommen haben. „Dies wäre etwas, was man abwarten
könnte“, so Knapp.
Die Zogajs haben wohl doch noch etwas Zeit, Österreich zu verlassen. Die gestern ergangene Aufforderung der zuständigen Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, wonach die kosovarische Flüchtlingsfamilie unverzüglich ausreisen soll, ist nicht ganz wörtlich zu nehmen. Denn der Leiter der BH, Peter Salinger, betonte am Mittwoch im Ö1-"Morgenjournal", der Begriff unverzüglich sei "nur ein Zitat aus dem Gesetz". Die Familie habe noch Zeit, ihre Angelegenheiten zu regeln, etwa das Buchen eines Heimflugs.
BH gibt sich entspannt
Dies betonte der Leiter der
Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, Peter Salinger, am Mittwoch im
Ö1-Morgenjournal. Die Aufforderung an die Familie sei ergangen, damit die
Zogajs der Behörde mitteilten, wann sie das Land verlassen werden. Nun
erwarte man ein Signal von der Familie, ob sie freiwillig ausreisen wollen
und wenn, dann wann. Der Begriff unverzüglich sei "nur ein Zitat
aus dem Gesetz". Die Familie habe noch Zeit, ihre Angelegenheiten zu
regeln, etwa das Buchen eines Heimflugs.
Gehofft wurde, dass die drei Kinder wenigstens noch das Schuljahr in Österreich beenden können, also bis etwa in die zweite Juli-Woche hinein im Land bleiben können.
Bisher ist noch völlig offen, ob die Familie freiwillig das Land verlässt oder eine Abschiebung abwartet.
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